Wie stellt man mit einer Zielgruppe eine Verbindung her? Heute sind Dienstleistung, Preis und Markenpräsenz wichtiger und mehr wert als noch in früheren Zeiten. Tugenden wie Ehrlichkeit und Relevanz sowie Authentizität sind gefordert, um den Kunden langfristig an sich zu binden. Ist es wichtig, dass eine Marke Vertrauen aufbaut? Anhand von relevanten Marken aus unterschiedlichsten Branchen wird dies auf dem Marketing Tag in Frankfurt geklärt.
Bilou-Bibi loves you. Markenaufbau.
Man nehme eine Influencerin mit rund 4,5 Millionen Fans auf Youtube und anhaltendem Wachstum, dazu ein Beautyprodukt mit der Tendenz zu ausgefallenen Geschmacksrichtungen (u.a. Cotton Candy, Slushy Apple) und schon hat man eine Erfolgsgeschichte: Bei Bilou handelt sich um eine neue Marke, die nur Online aufgebaut wurde. Mit Bibi (Social Media Künstlerin) wurde das Produkt zusammen entwickelt. Bis heute unterhält Bibi (im „echten“ Leben Bianca Heinecke) mit viel Spaß die Zuschauer und versorgt ihre Fans mit Tipps und Tricks rund um Beautythemen und Lebensweisheiten. Sie ist authentisch und hat sich aus eigener Kraft eine Fangemeinde aufgebaut. „Das machte sie zur perfekten Kandidatin, eine eigene Marke aufzubauen“, weiß Anja Bettin, Managing Partner bei Bilou.
Doch der Drogeriemarkt in Deutschland ist hart umkämpft – vor allem im Duschbereich gibt es so viele Produkte, dass man oft den Überblick verliert. „Es gab wenig Platz für ein junges neues Unternehmen. Doch wir haben eine Positionierungslücke gefunden. Die Teenager. Denn es gibt keine Marke, die für diese Gruppe Produkte schafft“, so Bettin. „Es ist eine emotionale Marke mit total verrückten Düften. Die Teenies sollten immer Spaß am Produkt haben“. Ganz bewusst entschieden sich die Macher gegen ein klassisches Duschgel und für einen Duschschaum. Die Marke hatte vom Start weg Vertrauenvorschuss durch die Kölnerin Bibi. „Aber das Vertrauen muss dann auch eingelöst und aufrecht erhalten werden“, weiß Bettin. 1,4 Million Fans auf Instagram und eine deutlich gesicherte Marktplatzierung bestätigen den Erfolg.
Rotkäppchen: eine gesamtdeutsche Lovebrand
Wenn man eine Marke mit dem Osten verbindet, dann ist es Rotkäppchen. Cathrin Duppel ist Leiterin Marketing Sekt und Wein bei Rotkäppchen und weiß um die Vielfalt der Ostmarke. Die Markenhistorie ist eine unglaubliche Wachstums-Geschichte, die der Sektanbieter in den letzten 25 Jahren hingelegt hat. „Wir sind von damals 3,4 Millionen Flaschen auf 160 Million Flaschen gewachsen und haben heute neue Sorten wie Fruchtsecco, Wein und vieles mehr“, erklärt Duppe beim Marketing Tag. 114 Millionen Flaschen Sekt wurden 2016 verkauft.
Man könnte behaupten, dass dieser Markt sehr einfach zu bedienen ist. Denn Sekt trinken wird fast ausschließlich mit positiven Ereignissen verbunden. Doch die Konkurrenz ist groß. Trotzdem hat es die Marke geschafft, über Jahrzehnte ganz vorn zu sein: „Wir sind die ausgezeichnete Nummer eins im Sektmarkt mit 40 Prozent Marktanteil. Dazu sind wir auch die Nummer eins im alkoholfreien Schaumweinmarkt.“ Doch woran liegt es, dass Rotkäppchen an der Spitze steht, und das in einem insgesamt stagnierenden Markt? Sie haben ganz klar den ostdeutschen Markt analysiert und diesen auf den gesamtdeutschen Bereich übertragen. „Konnten wir von den Ostdeutschen lernen, was die Gesamtführung der Marke angeht?“ Duppel kann das bestätigen. Denn Ostdeutsche setzen bis heute auf Treue, Verlässlichkeit, Bodenständigkeit und kaufen keine abgehobenen Produkte. Das Marketingteam analysierte also genau, wo die Unterschiede zur Konkurrenz liegen und wie sie die Menschen abholen können. Klarer Vorteil von Rotkäppchen-Produkten: Sie blicken nie von oben herab auf die Kunden. „Werbung mit reichen Erben auf Schlössern, die Sekt schlürfen? Das passt nicht zu den Ostdeutschen und auch nicht zu uns“, weiß Duppel. Hier stimmt das Preis-Leistungs-Verhältnis und die Marke weiß genau, wer ihre Kunden sind.
Alle 11 Minuten verliebt… erfolgreiches Brand Management im Dating Markt.
Verliebt sich nun alle 11 Minuten ein Single? Und in wen denn genau? Oder verliebt sich nur einer oder beide? Herbert Murschenhofer ist Chief Marketing Officer bei Parship und müsste die Antworten auf all diese Fragen kennen. Zuerst einmal: Der Werbespruch „Alle 11 Minuten“ und „Ich pashippe jetzt“ sind längst in den Köpfen der Deutschen und der Parship-Kunden verankert. Dies ist etwas, was viele große Marken gerne erreichen wollen. Für Parship, eine reine Onlinemarke, musste zu Anfang der neuen Kampagne geklärt sein, was das Ziel sein soll. Klar, Parship will Singles zu glücklichen Paaren machen. Dafür mussten sie untersuchen, wie Alleinstehende am besten angesprochen werden wollen. „Wir sind diejenigen, die am meisten Studien zu den Themen Beziehung, Partnerschaft und Liebe führen“. Im Markt gibt es keinen, der so viel über Partnerschaften weiß, wie Parship.
Doch wie schafft man einen USP? Parship versucht bis heute, sein Erscheinungsbild beizubehalten. Die Plakate ändern sich nur minimal und auch die Slogans bleiben die gleichen. Nur so bleibt die Marke mit der Werbung verbunden und nur so erreichte das Unternehmen eine einheitliche Tonalität. Parship produziert alles inhouse und arbeitet mit keiner Agentur zusammen. Einziger Wermutstropfen und Rückschlag für die Partnerbörse: Bis jetzt hat es Parship nicht geschafft, sich über die sozialen Medien zu profilieren. „Es ist schwer, dass Menschen über Facebook unsere Seite liken“, weiß Murschenhofer.
Wenn neu denken zu anders machen führt
Eine komplett neue Marke zu erschaffen, ist wohl die schwierigste Aufgabe für jeden Marketer. Noch interessanter wird es, wenn es sich um den größten Energiekonzern Europas handelt. RWE wurde letztes Jahr zu Innogy (Lesen Sie hier, warum Namensänderungen auch schiefgehen können). Der Konzern hat die Herausforderung eines neuen Namens angenommen und versucht sich so für die Zukunft zu wappnen. Sabine Schmittwilken ist Head of Global Management bei Innogy. Die Anfangssituation: RWE wollte und musste Dinge anders und neu machen, denn die deutsche Energiebranche stand vor einem Wandel. „RWE fand sich damals in keiner guten Zeit. In finanzieller Hinsicht standen wir mit dem Rücken zur Wand“, so Schmittwilken. Sie hatten noch vor 2014 viel Geld in schöne große Kraftwerke gesteckt. Der Wandel kam schnell und plötzlich und so musste Innogy auf die Bedürfnisse von Menschen und globale Trends reagieren. Doch der Kunde nahm RWE nicht ab, dass man nun auf erneuerbare Energien setzte. Ein neuer Name sollte auch für eine neue Strategie innerhalb des Konzerns sorgen. Es sollte nicht nur eine Namenshülle, sondern eine ganz neue Ausrichtung sein. Überzeugungen lassen sich nicht so einfach ändern und somit musste der Wandel von innen starten – aus dem Unternehmen heraus: „Wir mussten und wollten ein nachhaltiges Energiekonzept für die neuen Generationen schaffen“. Kurz gesagt: Sie wollten grün werden, und wurden es auch ein Stück weit. Der neue Brand Belief sah dann so aus:
„2016 sollte es für uns an die Börse gehen, um die Marke zukunftsfähig zu machen“. Mit dem neuen Namen, einer neuen Einstellung und Mitarbeitern, die die Marke verstehen, ist der alte RWE-Konzern besser aufgestellt als vorher. „Wir wollen Menschen inspirieren und Lösungen bieten, die ihr Leben leichter machen.“
Heute holt Innogy Start-ups zu sich ins Unternehmen, um gemeinsam an Lösungen für die Zukunft zu arbeiten und die Kundenansprache noch besser zu gestalten. „Wir sind immer auf der Suche nach neuen digitalen Herausforderungen. ganz fertig sind wir aber noch nicht“, erklärt Schmittwilken. „Eines ist aber ganz klar: Innogy ist für mich immer noch die größte Innovation“.