Von Gastautor Marcus Gross, Business Development Executive, Watson & Cognitive Solutions Advisor, IBM
Der frühere Facebook-Manager Stan Chudnovsky sieht die Kommunikation als den normalen Weg für Interaktionen: „Alles im Leben beginnt mit einer Konversation, egal ob man Dinge kauft oder den Tisch in einem Restaurant reserviert.“ Und da hat er natürlich Recht. Auch deshalb sind Chatbots im Kundenservice gerade immer mehr im Kommen. Und Kunden nehmen diese neue Entwicklung durchaus positiv auf: Laut einer Umfrage von bitkom begrüßen 41 Prozent den Einsatz von Chatbots im Kundenservice, für Nachfragen zu Bestellungen und Beschwerden.
Die Kunden sehen den neuen Service-Mitarbeitern also mit freundlicher Erwartung entgegen – was durchaus eine Überraschung ist, wenn man an die sonstige, teilweise noch recht skeptische, Haltung gegen Künstliche Intelligenz bedenkt. Und auch für die Unternehmen bieten Chatbots große Vorteile: Diese können beispielsweise eingesetzt werden, wenn Hotlines in der Nacht oder am Feiertag geschlossen sind. Außerdem können sie die menschlichen Kundenbetreuer bei Routine-Anfragen unterstützen und bei komplexeren Fällen an die menschlichen „Kollegen“ übergeben. Dadurch wird das Kundenerlebnis verbessert – etwa durch kürzere Wartezeiten und schnellere Antworten. Außerdem werden die Service-Mitarbeiter entlastet.
Bessere Customer Experience durch Chatbots
Damit Chatbots die Customer Experience wirklich verbessern und nicht zu dadaistischen Dialogen führen, sollten sie auf selbstlernenden Systemen basieren. Diese können mit Daten „gefüttert“ und dadurch im jeweiligen Fachbereich und für Dialoge mit dem Kunden trainiert werden, auf Basis der natürlichen Spracherkennung.
Diese Conversational Agents sind deshalb auch keine Chatbots, die den Kunden auf ihre Fragen einfach die passende Antwort aus den Q&As heraus suchen. Conversational Agents wie „Watson Conversation“ gehen viel weiter: Sie verstehen den Kontext ihres Gegenübers und führen entsprechend einen Dialog. Und sie können sogar die Gefühle des Gegenübers erkennen: Der IBM Watson Tone Analyzer, trainiert mit einem Algorithmus für Maschinenlernen, kann etwa den Tonfall von Kunden einordnen und den Service-Mitarbeitern raten, wie sie etwa bei Ärger am besten reagieren.
Und wenn die Chatbot – beziehungsweise die Conversational Agents – eines Tages so gut sein sollten, dass das Gegenüber gar nicht mehr merkt, dass es mit einem Bot spricht? Und wenn die Bots dann so gut sind, benötigt man überhaupt noch menschliche Mitarbeiter?
Ersteres könnte durchaus passieren – und ist ja auch ein Zeichen für eine gelungene technische Entwicklung. Dabei muss es jedoch ganz klare ethische Richtlinien geben: Ein Bot muss als solcher klar erkennbar sein. Unternehmen, die Bots heute schon vielfältig einsetzen, kennzeichnen diesen auch deutlich. Warum sollten sie ihre Kunden hier auch in die Irre führen und dadurch verärgern? Zum zweiten Punkt: Chatbots unterstützen ihre menschlichen Kollegen, und ersetzen sie nicht. Generell sollte Künstliche Intelligenz als Assistent des Menschen gesehen werden, der ihm beispielsweise bei der Datenanalyse und darauf basierenden Entscheidungsfindung hilft.
Service-Mitarbeiter Dave
Dave ist ein gutes Beispiel für diese Unterstützung: Dave – kurz für „Digital Assisted Virtual Engineer“ – ist ein virtueller Online-Kundenbetreuer, der auf der kognitiven Lösung IBM Watson beruht. Dave arbeitet in einem kalifornischen Call Center von Honda, und er hat eine 24/7-Schicht. Dabei kümmert er sich um die Vielzahl der Anfragen, die sich auf defekte – und deshalb auch von Honda zurückgerufene – Airbags beziehen. Für die Kunden bedeutete das trotz erhöhtem Anrufaufkommen eine schnelle Betreuung, gerade bei wiederkehrenden Routinefragen. Um Dave dafür zu trainieren, wurden 2.500 Fragen identifiziert, die Kunden in diesem Zusammenhang stellten. Honda hat diese in Zusammenarbeit mit IBM in Kategorien eingeteilt und dazu 300 Antworten für Dave entworfen. Dabei wird jede dieser Interaktionen von seinen menschlichen Kollegen geprüft, ob gegebenenfalls Anpassungen nötig sind. So wird Dave mit gemachten Erfahrungen besser, ähnlich wie Menschen auch.
Dieses Beispiel zeigt: Wenn Chatbots auf modernen Technologien basieren und sie außerdem von Menschen sorgfältig trainiert werden, dann können sie in der Kundenbetreuung sehr gut unterstützen.
Über den Autor
Marcus Gross ist seit Anfang des Jahres als Business Development Executive, Watson & Cognitive Solutions Advisor, IBM für Lösungen rund um Watson zuständig.