Von Gastautor Dr. Günter Lewald, Sprecher der Kölner Agenturgruppe B+D
Künstliche Intelligenz (KI) ist eines der Top-Themen auf der diesjährigen dmexco – und wird schon im Vorfeld als Riesen-Chance beschrieben, um Unternehmen erfolgreich in die Zukunft der Digitalisierung zu führen. Dabei wird der – übrigens bereits vor 60 Jahren eingeführte – Begriff sehr unterschiedlich, aber fast ausnahmslos positiv aufgeladen genutzt. So auch in der Ankündigung der Key Note von Bob Lord, IBM, der uns nicht nur die Transformation ganzer Industrien verspricht: Seines Erachtens wird KI vielmehr dazu beitragen, dass professionelle Kreative ihr eigenes Potential erst durch den Einsatz von KI wirklich ausschöpfen und Marketingmanager vor allem im Bereich Kundengewinnung und Bindung zu „härteren Insights“ und darauf aufbauend auch zu effizienteren Formen der Interaktion kommen können.
Viele Wissenschaftler – darunter der Astrophysiker Stephen Hawking und auch der Philosoph David Richard Precht – befürchten, dass die Digitalisierung uns Massenarbeitslosigkeit in nie gekanntem Ausmaß bescheren wird. Mancher orakelt sogar über das Ende der menschlichen Rasse durch KI. Und auch wenn man das für übertrieben hält – die mit der Digitalisierung mögliche Automatisierung zahlreicher Tätigkeiten wird Jobs kosten. Denn faktisch sprechen wir hier über die Fortsetzung der Rationalisierung mit anderen Mitteln.
Zweifel als Treiber für die persönliche Entwicklung
Kreative, Marketing- oder Salesmanager halten sich für die digitale Elite und wähnen sich in Sicherheit, von keiner KI dieser Welt ersetzt zu werden. Noch. Denn auch wenn es nichts nützt: Zweifel sind durchaus angebracht. Zwar werden die großen Ideen noch länger von den Top-Kreativen kommen. Aber bei der Exekution sieht es anders aus: Die Umsetzung von Werbemitteln läuft teilweise schon heute automatisiert. Und Marketingmanager, die derzeit primär Budgets verwalten oder Marktforschungsdaten aggregieren, werden leichter zu ersetzen sein als Strategen. Wir sollten, ja wir müssen als Unternehmen und Menschen zweifeln, ob wir für die Herausforderung der Digitalisierung richtig aufgestellt sind. Denn nur so können wir auch die Chancen erkennen, die sie mit sich bringt. Allen wird das nicht gelingen.
Soziale Kompetenzen relativieren Horror-Visionen
Bereits 2013 haben Carl B. Frey und Michael Osborne am Beispiel der USA die Folgen der Digitalisierung für 700 Berufe in den USA untersucht. Ihre Studie ‚The Future of Employment: How Susceptible are Jobs to Computerisation’ benennt zahlreiche Jobs, die in Zukunft von KI erledigt werden dürften: Kreditsachbearbeiter, Versicherungsgutachter, Pharmaingenieure, sogar Köche gehören dazu. Insgesamt könnten 47 Prozent aller Beschäftigten ihre Jobs in den nächsten 20 Jahren an KI verlieren. Zumindest, wenn diese schon heute stark strukturiert und standardisiert sind.
Also, schlechte Karten für Call-Agents, Kundenberater und Vertriebler? Ganz so einfach ist es wohl nicht. Denn KI ahmt menschliches Verhalten nur nach. Und Empathie spielt neben all den Fakten, dem Wissen und den detailliert ausgearbeiteten Antworten auf Kundenfragen auch weiterhin eine entscheidende Rolle. Und wird so schnell nicht zu kopieren sein. Da, wo besondere soziale Kompetenzen, Kreativität, Empathie und Intuition gefragt sind, wird der Mensch weiterhin gebraucht. Bringt er diese Fähigkeiten nicht mit, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass er zum Heer der zukünftigen Arbeitslosen gehören wird.
Auf der dmexco werden viele Besucher sein, die sich mit Automatisierung beschäftigen. Auch ihre Jobs könnten in Zukunft an KI fallen. Denn ein großer Teil von ihnen arbeitet auf der Grundlage standardisierter Prozesse. Und die wird KI in Zukunft viel besser erledigen können.
Zum Autor: Dr. Günter Lewald ist Sprecher der Kölner Agenturgruppe B+D, deren Partner er seit zwölf Jahren ist. Zuvor war der Marken- und Marketing-Fachmann fast genauso lange als Geschäftsführer in der Konsumgüter- und Verlagsbranche tätig. Sein Interesse gilt heute der ganzheitlichen, d.h. gleichermaßen analogen wie digitalen Konzeption von Unternehmens- und Markenidentitäten sowie Vermarktungsprogrammen.