dm und KI: So verändert dmGPT den Drogeriemarkt 

dm setzt auf KI – mit 80.000 Nutzern und 300.000 Prompts pro Monat. Doch wie erfolgreich ist die Drogeriekette damit? Wir ziehen Bilanz nach 18 Monaten des Einsatzes.
dmGPT_3_c_dm-drogerie markt
Bis zu 100 Menschen sind an der Entwicklung von dmGPT beteiligt. (© dm)

Noch im November des Jahres 2023 verkündete Andreas Gessner auf den EHI Technologie-Tagen 200.000 monatliche Prompts. Knapp vier Monate später springt die Zahl schon auf 300.000. „Wir haben im Moment ca. 80.000 Nutzer auf dem dmGPT System, davon sind 2.000 Nutzer täglich aktiv,“ verrät uns Roman Melcher, Geschäftsführer von dmTech. dmGPT ist dabei nicht nur in Deutschland verfügbar: In 14 Landesgesellschaften haben Mitarbeiter über die Oberfläche von dmGPT die Wahl zwischen den Sprachmodellen von ChatGPT, Gemini, Meta und Claude.  

Die Cases: Vom Kundenservice bis zum IT-Support 

Ein wichtiger Use Case ist der Kundenservice, sowohl intern als auch extern. „Wenn man es schafft, davon einen Teil automatisiert zu verarbeiten – das geht heute – dann ist es eine gewaltige Erleichterung“, erklärt Melcher. Das können im Monat zwischen 80.000 bis 100.000 Anfragen sein.  

Bei der Vertragsprüfung wird dmGPT eingesetzt, um Stammdaten abzugleichen und die Verträge in Teilen neu zu schreiben.  

Einen Versuch wert war der Einsatz der generativen KI für die Entwicklung eines neuen Raumduftes. Dazu analysierte eine KI Dufttrends im Internet und schlug dafür den Duft „Botanical Retreat“ vor. Das Ergebnis steht heute tatsächlich im Ladenregal. Ob das den Geschmack der Kunden trifft, bleibt abzuwarten.  

Roman Melcher1_c_Christina Riedl
Roman Melcher, Geschäftsführer von dmTech (© Christina Riedl)

Neben dem, was heute ein Chatbot vor allem für Büroarbeiter leisten kann, – Team-Meetings zusammenzufassen oder Termine zu planen – steht dms generativer Helfer auch am Point of Sale zur Verfügung. Zum Beispiel wenn mal wieder das Kartenzahlungssystem streikt. dm-Mitarbeiter können von dem Problem einfach ein Foto an das Portal schicken, dass dann eine Lösung liefert. Die multimodale KI analysiert das Bild und spielt eine passende Antwort aus.  

Assistenten als Vorstufe zu Agenten 

Dass dmGPT für die Mitarbeiter Ergebnisse liefert, die ihnen tatsächlich nützen, liegt vor allem daran, wie Melchers Entwicklungsabteilung Prompts der Nutzer in den Kontext setzt. Das geschieht über sogenannte Assistenten, die als Vorstufe zu umfassenderen Agenten betrachtet werden können. Diese Assistenten reichern Prompteingaben mit Daten aus dem „dm-Universum“ an und erleichtern so die Nutzung der KI für ungeübte Anwender.  

Zukünftig plant dm jedoch auch den Einsatz von Agenten, die in der Lage sind, Kontext über längere Zeiträume zu erhalten und auf Sensoren und Aktoren in der realen Welt zuzugreifen. „Das Eingreifen oder Verändern der physischen Welt ist eine neue Dimension und das braucht diese Agententechnologie“, erklärt Melcher. Bereits jetzt werden Roboter in Filialen eingesetzt, um ein genaues Abbild der Regale zu erstellen und Nullzählungen durchführen. Noch wird dafür ausschließlich konventionelles Machine Learning eingesetzt. 

„Das übersteigt alles Dagewesene” 

Roman Melcher, der seit 1987 bei dm Drogeriemarkt in unterschiedlichen Bereichen für IT zuständig ist und einige Umbrüche miterlebt hat, bewertet die aktuellen Entwicklungen so: „Was mit dem Werkzeug Generative KI geht, ist einfach eine Dimension, die alles Dagewesene meines Erachtens weit übersteigt.“  

Wie viele der gut 1.300 Mitarbeiter bei dmTech sich mit Sprachmodellen auseinandersetzen, sei schwer zu sagen. Jedes der rund 100 Produktteams nutzt auf die eine oder andere Art Generative KI. Melcher schätzt, dass zwischen 50 bis 100 Personen direkt an der Entwicklung von dmGPT beteiligt sind.  

Für Melcher kommt dmTech eine wichtige Rolle zu, die Wertschöpfung und Produktivität angesichts der Rückläufigkeit der Erwerbstätigkeit weiter zu steigern. Deutschland verliere in den nächsten zehn Jahren bis zu fünf Millionen Erwerbstätige. Melcher rechnet vor: Spart jeder dieser 300.000 Prompts nur eine Minute, sind das 5.000 Stunden, jährlich 15 Millionen Euro.  

Die Klimabilanz der anderen und die Abhängigkeit vom Silicon Valley 

So verlockend die Möglichkeiten Generativer KI aktuell scheinen, so drängend sind die Fragen nach ihren Bedingungen. Die bedeutendsten Modelle kommen alle aus den USA. Das sei aktuell aber noch kein Problem, da die Preise noch relativ gering seien, so Melcher. Auf die Frage, wo in Zukunft die Energie herkommen soll, die den massiven Einsatz von Generativer KI betreibt, verweist Melcher auf Solarenergie. „Wenn sie sich überlegen, was von der Sonne an Energie täglich auf die Erde kommt, davon nutzen wir nur sehr wenig. Und es ist eine unerschöpfliche Energiequelle.“ Mehr Solarzellen ist für Melcher also die Lösung.  

Inwiefern bei dm den bisherigen Einsatz der Energie im eigenen Unternehmen bilanziert, antwortet Melcher: „Ich sage mal so, die Energie fällt ja nicht bei uns an. Insofern merken wir davon nichts“. Es ist fraglich, ob diese Antwort bei umweltbewussten dm-Kunden Anklang finden wird. 

(tr, Jahrgang 1981) ist freier Journalist aus Köln. Als Kind der 90er wuchs er mit Ace of Base, Hero Quest und Game Boy auf und bastelte früh Webseiten für andere, nahm Podcasts auf und sagte das Smartphone-Zeitalter voraus, während er über WAP auf dem Accompli 007 E-Mails verschickte. Heute berichtet der Vater einer Teenager-Tochter über Tech- und New-Work-Trends in Text und Ton. Aktuelle Podcasts: "Future Future" und "Der Metaverse Podcast".