82 Prozent der deutschen Unternehmen nutzen noch Faxgeräte, hat der Verband Bitkom vor vier Tagen schonungslos offengelegt. Wenn Sie sich jetzt fragen: Was hat das in einem Text über „Work & Culture“ verloren? Nun ja, eine derart rückwärtsgewandte “Technologieoffenheit” dürfte beim Anwerben junger Talente nicht sonderlich hilfreich sein – weder in Bezug auf Work noch auf Culture.
Da passt es gut, dass laut „Future of Jobs Report 2023” des Weltwirtschaftsforums (WEF) analytisches und kreatives Denkvermögen die am meisten genannten Fähigkeiten sind, die sich Arbeitgebende von ihren Mitarbeitenden wünschen. Auf den Plätzen drei bis fünf folgen Resilienz, Flexibilität und Agilität. Das alles hilft den Menschen zwar nicht unmittelbar dabei, ein Fax zu bedienen. Aber es erleichtert ihnen vielleicht, dem Beharren vieler Arbeitgeber auf Kommunikationskanäle aus den 70er-Jahren des letzten Jahrtausends mit mehr Gelassenheit zu begegnen.
Diversity-Dimensionen werden nicht gleichwertig berücksichtigt
Weitaus beklagenswerter ist jedoch etwas anderes. Laut WEF-Report wollen Unternehmen nämlich bei weitem nicht alle Diversity-Dimensionen künftig gleichwertig in ihren DE&I-Strategien (Diversion, Equality & Inclusion) berücksichtigen. Auf den letzten Plätzen liegen demnach die Dimensionen LGBTQI+ (35 Prozent) sowie Religion, Ethnie und Rassismus (39 Prozent). Priorität eins und zwei gehen hingegen an Frauen (79 Prozent) und junge Menschen unter 25 Jahren (68 Prozent).
Immerhin 51 Prozent wollen künftig ein besonderes Augenmerk auf Menschen mit Behinderung legen. Dass das noch immer viel zu wenig ist, wurde gerade erst wieder deutlich. Am 5. Mai fand wieder der bereits vor 30 Jahren initiierte Europäische Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung statt – allerdings weitestgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Die Charta der Vielfalt macht deshalb deutlich, was es für mehr Inklusion am Arbeitsplatz braucht: Unter anderem den aktiven Austausch mit Menschen mit Behinderungen und deren Einbeziehung in Entscheidungen sowie Reflektion und Anpassung der Einstellungsprozesse. Das müsste doch möglich sein. Raul Krauthausen, einer der prominentesten Kämpfer für mehr Inklusion, nutzte den Tag, um sein neues Buch „Wie kann ich was bewegen?“ kostenlos in leichter Sprache ins Netz zu stellen. Applaus dafür!
Männermacht in Medien und Marketing
Trotzdem ist auch für Frauen im Arbeitsleben bekanntlich noch Luft nach oben. Vor allem in Medien- und Marketingbranche sind die Machtverhältnisse eindeutig geklärt. Das zeigen die Ergebnisse einer neuen Studie von Candidate Select, kurz Case. Anhand von Daten von 1,5 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus 659 deutschen Unternehmen hat Case einen Gender Hierarchy Gap ermittelt, der deutlich machen soll, in welchen Branchen Frauen und Männer rein hierarchiemäßig am stärksten ausgeglichen sind und in welchen eben nicht. Auf Platz 1 in Sachen Ausgeglichenheit liegt danach die Consultingbranche mit einer Paritätsquote von immerhin 40 Prozent, gefolgt von Finance (37) und IT (35). Das Schlusslicht bilden Medien und Marketing mit 18 Prozent.
EU-Entgelttransparenzrichtlinie: Abwarten oder machen?
Ein anderes Thema: Ende April hat der Europäische Rat etwas beschlossen, das sich liest wie ein besonders fieser Wortbeitrag für das Buchstabenspiel „Hangman“: die EU-Entgelttransparenzrichtlinie. Das Ziel der Richtlinie in sechs Worten: Mehr Equal Pay durch mehr Transparenz. Ab 2025 sollen dafür alle EU-Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten (statt 250 wie ursprünglich vorgeschlagen) unter anderem dazu verpflichtet werden, ein mögliches geschlechtsspezifisches Lohngefälle in ihrem Unternehmen aufzudecken und Informationen offen zu legen, die es ihren Beschäftigten erleichtern, Gehälter zu vergleichen.
Sollte die Richtlinie, wie derzeit geplant in Kraft treten, kämen also erhebliche Änderungen auf die Unternehmen zu: Pay Gaps zwischen den Geschlechtern müssten in Geschäftsberichten aufgeschlüsselt werden, Gehälter müssten in Stellenanzeigen veröffentlicht werden.
Noch allerdings stehen die meisten Unternehmen hierzulande dem Thema recht verschlossen gegenüber. Nur 17 Prozent machen schon heute Gehaltsangaben in ihren Stellenanzeigen, so das Ergebnis einer Kurzstudie von Claus Vormann, Professor an der Fachhochschule Dortmund und Experte für HR-Management. Auf dem Praxisforum Total Reward der Fachzeitung Personalwirtschaft fasste Vormann den Handlungsdruck für Arbeitgebende letzte Woche so zusammen: „Unternehmen können nun, ähnlich wie seinerzeit bei der DSGVO, erstmal zwei Jahre abwarten und gar nichts tun, oder sie können schon jetzt mit den Vorbereitungen beginnen.“
Bahn bietet Bewerbung per Chat
Doch nicht nur transparente Gehälter sind ein Thema für HR-Manager*innen und Recruiter*innen. Der War for talents, insbesondere der War for IT talents, fordert immer neue Innovationen. Im Interview mit dem “NWX Magazin” bekennt DB-Recruiting-Chefin Kerstin Wagner gerade, dass selbst in ihrem Bereich Data Scientists mittlerweile mehr als willkommen sind. „An einem durchschnittlichen Tag haben wir beispielsweise 9000 Stellenanzeigen online, die können Sie nicht mehr manuell durchgehen und optimieren“, sagt Wagner.
Um Stellenanzeigen automatisch zu generieren und/oder für das Matching von mehr als 400.000 Bewerbenden pro Jahr nutze die Bahn längst smarte Algorithmen. Für Bewerber, die bei der Bahn anheuern wollen, sind seit kurzem aber auch Smartphone-Kenntnisse von Vorteil. „Als Alternative zur Online-Bewerbung ist bei uns seit April die spontane Chat-Bewerbung per Smartphone mit unserem neuen KI-Chatbot möglich“, so die Recruitung-Chefin.
IT bietet beste Work-Life-Balance für Praktikant*innen
Apropos IT. Wie meist an dieser Stelle noch eine gute Nachricht zum Schluss: Laut Future Talents Report 2023, für den Clevis Consult knapp 3000 Praktikant*innen und Werkstudent*innen befragt hat, bietet ihnen der Bereich IT die beste Work-Life-Balance. Danach folgen Finanzen/Controlling, PR/Kommunikation und Marketing/Produktmanagement. Das Schlusslicht bildet in diesem Ranking der Bereich Administration/Verwaltung. Ob dort heute noch die höchste Faxdichte zu finden ist? Man weiß es nicht.
In diesem Sinne: Einen zeitgemäßen Start in die Woche und bleiben Sie gut drauf!