Frau Kolossa, wer Ihnen auf Social Media folgt, stellt schnell fest, dass Ihnen und dem Sapera-Team das Thema „digitale Barrierefreiheit“ sehr am Herzen liegt. Warum?
Zum einen haben meine Eltern Wert darauf gelegt, dass ich schon früh verstehe, dass Menschen unterschiedlich sind, aber alle die gleichen Chancen verdienen. Zum anderen bin ich in Hamburg auf eine integrative Schule gegangen – dort war der Umgang mit Mitschüler*innen, die beeinträchtigt waren, ganz normal. Bei Sapera tickt mein Team ähnlich. Wir haben viele Kund*innen aus dem öffentlichen Sektor wie Stiftungen, öffentliche Einrichtungen oder NGOs. Dort ist das Thema schon länger im Fokus. Webseiten von öffentlichen Institutionen müssen beispielsweise seit September 2020 barrierefrei sein.
Warum profitieren auch Marken von barrierefreiem Design?
Sie werden längst nicht mehr nur über ihr Image wahrgenommen. Haltung und gesellschaftliches Engagement sind mindestens genauso wichtig wie das Produkt selbst! Laut einer Studie von McKinsey haben mehr als die Hälfte der Verbraucher*innen insgesamt und fast 60 Prozent der 18- bis 24-Jährigen zu weniger bekannten Marken gewechselt, weil diese sich nachhaltig oder divers positionieren. Übrigens: Wer eine barrierefreie Website hat, bekommt eine neue Zielgruppe gleich mit dazu.
Wie können Unternehmen ihre Webseiten und Shops ganz konkret optimieren?
Eine gute Basis bilden eine einfache Navigation, gut lesbare Schrift und große Bilder. Ideal ist es auch, wenn sich die Nutzer*innen die Webseite individuell einstellen können: Farbsättigung zurücksetzen, Bildelemente ausschalten für weniger Ablenkung, die Möglichkeit, mit der Tastatur über die Website zu navigieren, Bilder mit Alt-Texten zu hinterlegen, Texte in leichter Sprache. Was Webseiten und Onlineshops auch barrierefrei macht, ist responsives Design, das sich flexibel an die Bildschirmgröße anpasst.
Wie bringt man hier Ästhetik und Funktionalität zusammen?
So viel schon mal vorweg: Das Design soll begeistern, und gleichzeitig ist es wichtig, Gewohnheiten, die sich im Web etabliert haben, beizubehalten – wie die Suchmaske oben rechts, das Menü mit drei Strichen oben links. Schon während der Konzeption kann man sich eine Checkliste anlegen und abhaken, welche Features barrierefrei gestaltet werden können und wo es noch Schwierigkeiten gibt. Gelungene Beispiele sind hier die Seiten von Lonely Planet oder Allianz.
Was sind die größten Hürden bei der Umsetzung?
Viele Webseiten- und App-Verantwortliche wollen sich in erster Linie kreativ austoben. Da fliegen Sachen von links nach rechts oder das Menü ist nicht auf den ersten Blick zu finden. Um hier barrierefreie Produkte anbieten zu können, braucht es eine längere Konzeptphase oder zwei verschiedene Lösungen. Diesen Mehraufwand muss man dem Kunden vermitteln. Und: An diesen Projekten arbeiten meist mehrere Bereiche. Jemand aus dem Team sollte die Koordination übernehmen, damit das Projekt am Ende für alle zugänglich ist.
Das Interview erschien zuerst in der März-Printausgabe der absatzwirtschaft.