Frau Bartenschlager, Frau Niebuhr, Ihre Zusammenarbeit besteht seit rund einem Jahr. Wie läufts?
Nadine Bartenschlager: Wir sind aus dem Honeymoon raus, aber auch der Alltag fühlt sich gut an. Da wir uns seit 20 Jahren kennen, konnten wir davon ausgehen, dass die Zusammenarbeit funktioniert, aber die Erwartungen an uns selbst waren extrem hoch. Schließlich wollten wir beweisen, dass ein Tandem auf dieser Führungsebene funktioniert.
Es war eine Idee von Ihnen beiden?
Catherine Niebuhr: Ja, wir haben uns gemeinsam auf diese Stelle beworben. Unsere Headline war: Eins plus eins gleich drei.
B: Es gibt bei Beiersdorf seit mehreren Jahren Tandems, inzwischen sind es über 40. Das hat uns den Weg geebnet. Aber auf dieser Führungsebene war das neu.
N: Was wir im Alltag sehen und was uns in dieser Form überrascht hat, war, dass die Arbeitsteilung nicht nur für uns selbst vorteilhaft ist, sondern auch fürs Unternehmen und für die Teams.
Weil jede von Ihnen so viel arbeitet, als würde sie die Stelle allein besetzen?
N: Das stimmt schon deshalb nicht, weil jede von uns zwei Wochentage frei hat. Nein, der Vorteil liegt darin, dass es zwei Köpfe sind, die auf eine Aufgabe sehen. Wir sind doppelt so kreativ, wir betrachten Themen aus mehreren Perspektiven.
Wie organisieren Sie Ihren Alltag?
B: Wir haben uns für ein Full-Sharing entschieden, teilen die Stelle also nicht nach Projekten auf. Wenn jemand mit dem Marketingdirektor Deutschland sprechen möchte, muss er nicht überlegen, wer ist für dieses Thema verantwortlich, sondern er kann einfach anrufen oder mailen und kriegt dann auch eine Antwort. Es soll so unkompliziert wie möglich sein.
Unkompliziert für die anderen. Für Sie beide ist der Koordinationsaufwand doch umso größer.
N: Das wird durch einen zusätzlichen Tag ausgeglichen: Eine von uns arbeitet von Montag bis Mittwoch, die andere von Mittwoch bis Freitag. Der Mittwoch ist also doppelt besetzt. Beiersdorf investiert in Tandems, weil Jobsharing als Zukunftsmodell gesehen wird. Auch um Frauen in höhere Führungspositionen zu bringen.
Und wie stellen Sie den Informationsfluss sicher?
N: Wir kommunizieren über ein gemeinsames E-Mail-Postfach, das wir seit Tag eins anstelle unserer individuellen Adressen nutzen. Wir unterschreiben, egal um welche Kommunikation es sich handelt, immer mit CaN. Um deutlich zu machen: Wir verstehen uns als eine Person, man kann uns nicht gegeneinander ausspielen.
B: An Tagen, an denen nur eine von uns im Unternehmen ist, sendet sie der anderen abends eine Sprachnachricht: Was waren die wichtigsten Themen und Ergebnisse des Tages? Mit dieser „Tagesschau“ bleiben wir beide auf dem Laufenden.
Wie messen Vorgesetzte Ihre Performance?
B: Wir möchten, dass wir nicht einzeln beurteilt werden, sondern dass es eine gemeinsame Bewertung für die Stelle gibt. Selbst wenn nur eine von uns im Meeting sitzt oder präsentiert – der Content kommt aus beiden Köpfen.
Und was sagen die Mitarbeiter*innen?
N: Wir hatten angenommen, dass viele sich wünschen, einer von uns schwerpunktmäßig zugeordnet zu sein. Deshalb haben wir es angeboten. Aber alle, wirklich alle, haben explizit erklärt, dass sie von uns beiden Feedback bekommen möchten, weil sie unsere Komplementarität schätzen.
Und was macht das Komplementäre aus?
N: Plakativ formuliert: Kopf und Herz. Da bildet sich eine gewisse Arbeitsteilung heraus, insbesondere in Situationen, die wir gemeinsam bestreiten, Meetings zum Beispiel. Das ist viel produktiver, als wenn wir immer die gleichen Schwerpunkte setzen würden. Auch fürs Team.
Wie viele Leute umfasst es?
N: Ungefähr 60, es ist also ein vergleichsweise großes Team. Deutschland ist ja auch der umsatzstärkste Markt.
Reden wir über Nivea. Was unterscheidet, abgesehen von der Größe, den deutschen Markt von anderen Märkten?
N: Es ist ein sehr saturierter Markt. Trotzdem müssen wir wachsen, idealerweise mit einer technologisch hochwertigen Innovation, wie bei unserer Luminous-Serie gegen Pigmentflecken. Mit ihr haben wir seit 2020 ein ganz neues Marktsegment aufgebaut.
B: Ein weiterer Unterschied liegt in der besonders starken Markenpräsenz. Die Marke ist in Deutschland geboren, die Konsument*innen vertrauen ihr und lieben sie. Das wollen wir behutsam weiterentwickeln und in die Zukunft begleiten.
Bei Jobantritt haben Sie erklärt, dass Sie die Marke verjüngen wollen. Was heißt das konkret?
N: Nivea ist in Deutschland auch in der jüngsten Zielgruppe von 18 bis 25 Jahren die stärkste Marke. Aber der Abstand zu den Wettbewerbern ist dort etwas geringer. Deshalb wollen wir besonders die Generation unter 40 ansprechen, verstärkt mit digitaler Kommunikation, etwa in den sozialen Medien.
B: In unseren Verantwortungsbereich fällt auch Media, sodass wir diese Aufgabe integrativ bearbeiten können. Wie können wir die Zielgruppe mit relevantem Content bestmöglich ansprechen? Darum geht es.
Es geht also in erster Linie um Kommunikation, nicht um eine Verjüngung des Produkts, etwa durch neue Linien?
N: Tatsächlich haben wir im November eine Gesichtspflegeserie für unreine Haut auf den Markt gebracht, die sehr erfolgreich anläuft. Damit sprechen wir im Kern eine jüngere Zielgruppe an. Es gibt auch Limited Editions wie die Creme in der Regenbogendose, durch die unser ältestes Produkt von Jüngeren entdeckt oder wiederentdeckt wird.
Als Love Brand steht Nivea allerdings für traditionelle Werte wie Vertrauen, Familie, Gemeinschaft.
B: Es braucht die Balance zwischen Kontinuität und Innovation. Wir haben eine äußerst loyale Verbraucherbasis, auch bei den Jüngeren. Aber wie man mit den Menschen spricht, das verändert sich. Die Jüngeren gucken kein lineares Fernsehen mehr, sind auf sozialen Kanälen unterwegs. Die Aufmerksamkeitsspanne wird deutlich geringer, Messages müssen deshalb deutlich kürzer sein. Eingekauft wird vielleicht im Drogeriemarkt, aber die Entscheidung ist von Influencern beeinflusst.
Für die Markenführung bedeutet das?
N: Andere Schwerpunkte in der Kommunikation. Wir lösen uns von den klassischen, zeitlich begrenzten tv-orientierten Kampagnen und orientieren uns hin zur Always-on-Kommunikation auf verschiedensten Kanälen. Eine Marke muss heute täglich Kompetenz demonstrieren: mit Tipps, mit relevantem Content. Und dieser Content kann auch unterschiedlich sein, denn auf Tiktok redet man anders als auf Instagram.
Kein Markenhersteller kann es sich heute leisten, Nachhaltigkeit zu ignorieren. Wie packt Nivea das Thema an?
B: Bei Innovationen ist Nachhaltigkeit eine Grundvoraussetzung, die bestehenden Produkte fassen wir Stück für Stück an. Ein Großteil unseres Sortiments ist bereits future-ready, sowohl was die Verpackung angeht als auch die Inhaltsstoffe.
N: Um ein Beispiel zu geben: Das gesamte Sortiment von Nivea Sonne – und wir sind Marktführer in Deutschland – ist seit diesem Jahr frei von Mineralöl, frei von Parabenen, frei von UV-Filtern, auf die Konsument*innen zunehmend verzichten möchten. Außerdem ist die Verpackung nachhaltig. Viele Marken lancieren grüne Serien, aber fassen die bestehenden Produkte nicht an. Auch weil es schwer ist, Bestseller zu verändern. Beiersdorf überarbeitet auch seine Bestseller mit dem Fokus auf mehr Nachhaltigkeit, wie zum Beispiel die Nivea Soft Creme.