In der Volksrepublik werden Trends geboren und auf ihre Relevanz getestet. Zu erkennen sind diese meist am Investitionsverhalten der großen E-Commerce-Anbieter. Derzeit kristallisieren sich vier Felder besonders heraus.
Trend 1: fragmentierter Verbrauchermarkt
Chinas explodierende Mittelschicht bietet Anbietern von Premiummarken in Restaurants und Supermärkten große Chancen. Im vergangenen Jahr haben allein chinesische Start-ups in dieser Kategorie Investitionen in Höhe von 770 Millionen US-Dollar getätigt, ein Plus von 172 Prozent gegenüber 2017. Gleichzeitig stellt die Technologie eine relativ neue Entwicklung auf dem chinesischen Lebensmittelmarkt dar. Aufstrebende Innovatoren zielen dabei ganz bewusst auf Verbraucher mit niedrigem Einkommen ab, die nach günstigen Optionen und Dienstleistungen suchen. Pinduoduo ist beispielsweise eine schnell wachsende App für den Kauf von Discount-Produkten. Das Start-up ist inzwischen an der Nasdaq gelistet. Ein weiteres Beispiel für ein erfolgreiches Unternehmen, das im vergangenen Jahr auch seinen Börsengang abgeschlossen hat, ist Six Walnuts. Der Getränkehersteller erzielt seine stärksten Umsätze in Städten mit niedrigem Einkommensniveau.
Trend 2: Datenerfassung
Alibaba, Baidu und Tencent spielen eine zentrale Rolle in der chinesischen Lebensmittelindustrie. Sie investieren in knapp die Hälfte der Innovationen. Zu den größten Transaktionen von Tencent zählen die Investitionen in die Restaurant-Liefergruppe Meituan Dianping im Wert von 1,5 Milliarden US-Dollar und in MissFresh in Höhe von 450 Millionen US-Dollar. Alibabas E-Commerce-Plattform hat weit mehr als Chinas Einzelhandelslandschaft neu definiert. Es hat sich zu einem ausgewachsenen Ökosystem über alle Branchen hinweg entwickelt. Im Bereich Lebensmittel ist Alibaba bei Online-Supermärkten, Restaurant-Marktplätzen, Food-Services, In-Store-Restaurant-Technologien oder etwa Supply-Chain-Logistik investiert. 2018 ließ sich das Unternehmen allein die Akquisition von ele.me, einem Markt für Restaurants, 9,5 Milliarden US-Dollar kosten. Zum Vergleich: In Europa kamen die fünf wertvollsten Plattformen für die Zustellung von Nahrungsmitteln im vergangenen Jahr zusammen auf einen Wert von rund 25 Milliarden US-Dollar. Den Internetgiganten geht es zum einen um Geschäftserweiterung. Zum anderen ist der Zugang zu Daten über die Konsumgewohnheiten der Erfolgsgarant, um in allen Aspekten des chinesischen Lebens eine Rolle zu spielen. Dabei ist der Lebensmittelmarkt der wichtigste, schließlich umfasst er alle Bevölkerungsschichten.
Trend 3: schnell und bequem
Die chinesischen Verbraucher werden immer ungeduldiger, insbesondere was Lebensmittel betrifft. Ob es sich um Lebensmittel, Kaffeelieferungen oder das Anstehen an Restauranttischen handelt, die Kunden erwarten, dass alles schnell und kostengünstig zu ihnen kommt. Mit Plattformen wie WeChat, über die nahezu alles bestellt und bezahlt werden kann, existiert die technische Infrastruktur für Start-ups, die diese Anforderungen schnell erfüllen können. Miss Fresh, ein E-Commerce-Start-up, das in 20 chinesischen Städten frische Produkte anbietet, hat 450 Millionen US-Dollar von Investoren wie Goldman Sachs und Tencent angeworben. Meiweibuyongdeng ist eine mobile App, mit der Gäste die Wartezeit in Restaurants verkürzen und gleichzeitig der Kundenverkehr in Restaurants besser verwaltet werden kann. Das Online-Reisebüro Ctrip und Alibaba sind an ihr beteiligt. Luckin Coffee, der oft als chinesischer Starbucks-Rivale bezeichnet wird, setzt auf Digital-First. Viele Kunden erhalten ihren Kaffee per Auslieferung. Andere bestellen und bezahlen ihr Getränk über die App und werden dann über ihr Telefon benachrichtigt, wenn ihre Bestellung zur Abholung bereit ist. Luckin Coffee wuchs rasend schnell. Innerhalb von 20 Monaten nach der Gründung wurden zwei Finanzierungsrunden im Wert von 20 Millionen US-Dollar abgeschlossen, gefolgt von einem Börsengang in den USA im Mai.
Trend 4: sichere Lieferkette
Die wachsende chinesische Mittelschicht sorgt sich um die Lebensmittelsicherheit. Im Mittelpunkt der Sorge stehen die undurchsichtigen Lieferketten. China verwendet weitaus mehr Düngemittel und Pestizide als jedes andere Land. Der übermäßige Einsatz dieser Chemikalien hat zu chronischen Gesundheitsschäden und steigenden medizinischen Kosten geführt. Einige Start-ups setzen bereits auf das Verkaufsargument Sicherheit und wollen die Effizienz in Chinas Lieferkette verbessern. Meicai hat nach Angaben von Bloomberg in einer Finanzierungsrunde 450 Millionen US-Dollar eingesammelt. Damit ist das Unternehmen nun 2,8 Milliarden Euro wert. Das Start-up aus Peking arbeitet seit 2014 daran, die Gemüselieferung von den Bauern an die Restaurants zu vereinfachen. Per App können die Gastronomen das benötigte Gemüse direkt von den Farmen bestellen. Meicai liefert die frische Ware dann an die Restaurants. Das Start-up ist früh auf einen Trend aufgesprungen, der auch für westliche Unternehmen vielversprechend ist. Allerdings ist Meicai auf diesem Gebiet längst nicht mehr allein. Im März 2017 hatte das US-Start-up GrubMarket mit einem ähnlichen Konzept wie Meicai eine Kooperation mit Alibaba und JD.com abgeschlossen.