absatzwirtschaft-Online stellte seinen Lesern im Monat Februar 2003 die Frage: „Werden Prominente in der Werbung zu sehr missbraucht?“. Gemeint war damit: Machen es sich Markenartikler und Werber zu einfach und missbrauchen am Ende gar das Produkt? 51,9 Prozent der Befragten bejahten. 40,7 Prozent waren nicht dieser Ansicht und 7,4 Prozent hatten keine Meinung. Das Ergebnis zeigt: Die Konsumenten sehen den Testimonial-Einsatz ambivalent. Auf der einen Seite scheint es dem beworbenen Produkt zu helfen, schnell eine hohe Aufmerksamkeit in einem von Werbebotschaften überfüllten Zeitalter zu erzielen. Auf der anderen Seite greifen Werbetreibende gerne auf bekannte Persönlichkeiten zurück, um damit die mangelnde Fähigkeit des Produktes zum eigenständigen Markenaufbau zu kompensieren. Die folgenden Aspekte sorgen dafür, dass die Marke bei der Zusammenarbeit mit einem Testimonial nicht zu kurz kommt.
Testimonial sollte Marke glaubwürdig vertreten
Das Testimonial sollte eine starke Affinität zur Marke, also eine hohe Glaubwürdigkeit haben. Die Zielgruppe muss dem Prominenten abnehmen können, dass er ein (potenzieller) Verwender der Marke ist.
Ein authentisches Beispiel ist Boris Becker für AOL. Mit dem Eingeständnis seiner eigenen Unzulänglichkeit positionierte der Ex-Tennisstar AOL als einen sympathischen und einfach zu habenden Internet-Provider.
Ein weiteres Beispiel ist Veronica Ferres: Als frisch gebackene Mutter war sie zum Testimonial für Babynahrung von Alete bestens geeignet – was man bei ihrer Arbeit für den Stromkonzern Eon durchaus in Frage stellen kann.
Inwieweit das Thema Glaubwürdigkeit dabei gedehnt werden kann, muss von Fall zu Fall geprüft werden.
Ob die Tatsache, dass Franz Beckenbauers Vater Oberpostsekretär war, dessen Überzeugungskraft in der Postbank-Werbung erhöht, bleibt jedenfalls abzuwarten. Ebenso zweifelhaft ist, ob Heiner Lauterbach ein glaubhaftes Testimonial für die Malzbier-Marke Karamalz ist – in Anbetracht seiner nicht ganz alkoholfreien Vergangenheit.
Ausgeprägte Charaktere bleiben im Gedächtnis
Wie die beworbene Marke selbst sollte das Testimonial eine Marke sein und einen ausgeprägten Charakter haben. Eine sympathische Ausstrahlung reicht nicht. Viele Unternehmen laufen nämlich Gefahr, ein Testimonial
auszuwählen, das zu nett und lieb ist und daher spurlos durch den Werbeblock duchrutscht. Zu glatte Testimonials übersieht der Zuschauer – sie sind nicht „merkwürdig“. Darüber hinaus sind sie unglaubwürdig: Wie viele Hausfrauen haben schon die Maße 90-60-90, sind blond, blauäugig und langbeinig?
Bei der Entscheidung für den richtigen Promi geht es darum, dass zwei Persönlichkeiten zusammenspielen müssen. Ein gelungenes Beispiel hierzu kann die Deutsche Post liefern, deren Kampagne sich nicht nur Thomas Gottschalks bedient, sondern auch seines finanzkompetenten (als Testimonial unverbrauchten) Bruders.
Gelungen ist auch das kongeniale Zusammenspiel des charismatischen Erfolgstrainers Ottmar Hitzfeld und der Premium-Modemarke Daniel Hechter.
Prominente mit Durchhaltevermögen sind gefragt
Neben Glaubwürdigkeit ist eines der wichtigsten Kriterien die Dauerhaftigkeit. Kurzfristige Zufallsberühmtheiten wie Container-Zlatko oder Sternchen wie Jenny Elvers haben im Zweifel weder die Kompetenz noch das notwendige „Durchhaltevermögen“, um als Testimonial langfristig bestehen zu
können. Sie selbst stehen für keine klare Aussage und können somit auch keinen Mehrwert für Marken schaffen.
Daher ist fraglich, ob Daniel Küblböck, einer der so genannten Superstars, einem Traditionsunternehmen wie der Molkerei Müller langfristig helfen kann – der TV Spot für das Produkt Froop startet Ende Mai.
Bei Multi-Testimonials ist Vorsicht geboten
Abgesehen von fehlender Glaubwürdigkeit und Einzigartigkeit, gibt es bei so genannten Multi-Testimonials
auch eine hohe Verwechselungsgefahr. Laut einer aktuellen IMAS-Studie bringen acht Prozent aller Bundesbürger Verona Feldbusch fälschlicherweise mit der Telekom in Verbindung.
So wundert es nicht, dass Zuschauer und Konsumenten oft bezweifeln, dass sich das Testimonial tatsächlich mit dem Produkt identifiziert. Manager Willi Weber, der „Erfinder“ der Schumi Brüder hat dazu folgende Meinung: „Lieber wenig gute und seriöse Partner als ein Bauchladen mit hohen Streuverlusten, der kontraproduktiv ist für die eigene Glaubwürdigkeit“.
Privatleben der Werbeperson birgt Risikopotenzial
Gerade Prominente sind oftmals dem Druck der Medien nicht gewachsen und rutschen nicht selten in private oder berufliche Probleme. Kommt ein Protagonist ins Schlingern, leidet darunter auch die beworbene Marke. Dieses Risiko sollte sich der Werbetreibende im Vorfeld auf jeden Fall klarmachen.
Man denke nur an Christoph Daum und RWE. Oder ganz aktuell Oliver Kahn, der nunmehr als treuloser Ehemann dasteht, nachdem er seine schwangere Frau verlassen hat. Vor diesem Hintergrund war es nicht verwunderlich, dass der Mineralwasserhersteller Adelholzener, der delikaterweise einem
Nonnenkloster gehört, seinen Werbevertrag mit Oliver Kahn gekündigt hat.
Frische Gesichter an die Front
Man muss nicht immer auf vertraute Gesichter setzen, sondern kann auch mal den Mut haben, Testimonials selbst zu kreieren. Das hat den großen Vorteil unverbrauchter Frische und starker Anpassungsfähigkeit des Testimonials an die zu bewerbende Marke. Verona Feldbusch oder Franz Beckenbauer sind selbst bereits so starke Marken, dass die zu bewerbende Marke häufig in den Hintergrund tritt. Gute Beispiele für „Eigengewächse“ sind die Telekom mit seinem tollpatschigen Verkäufer oder DEA mit seinem Soap-Star Ingo. Das hat natürlich auch den positiven Nebeneffekt, dass in Zeiten knapper Marketing-Budgets die Kosten für die Nutzung der Persönlichkeitsrechte erheblich geringer sind.
Gründliche Markenanalyse vor Testimonial-Entscheidung
Ob Testimonials bei der Lösung der Marketing-Probleme behilflich sind, kann natürlich nicht pauschal beantwortet werden. Das Marketing muss im konkreten Fall entscheiden. Auf den Verbraucher wirkt der Einsatz berühmter Testimonials in manchen Fällen auch als Zeichen akuter Ratlosigkeit des auftraggebenden Unternehmens.
So wie das hektische Buchen von Verona Feldbusch und Peter Ustinov, um die Expo 2000 in Hannover aus den roten Zahlen zu hieven.
Falls etwas mehr Zeit zur Verfügung steht, sollte man sich lieber die Mühe machen, den Kern der eigenen Marke genau zu analysieren und einen eigenständigen Markenaufbau zu betreiben. Ob das Unternehmen dazu wirklich Testimonials braucht, bedarf einer genauen Analyse der Marketingsituation und der Ziele, die mit einer Marke verfolgt werden sollen. Es soll ja auch erfolgreiche Marken geben, die es ohne Testimonials geschafft haben.
Autor: Michael Paul, Inhaber Marketing Pilots, Hamburg
eingestellt am 24. Juni 2003.