Die Vermutung wurde besiegelt: Der ehemalige Audi Chef Rupert Stadler legte ein Geständnis ab. Er gab zu, im Diesel-Skandal seine Verantwortung nicht wahrgenommen, von der betrügerischen Abschaltsoftware gewusst und sie nicht unterbunden zu haben. Vorsprung durch Technik? Durch den Skandal hat die Vertrauenswürdigkeit der ganzen Marke enorm gelitten. Technischer Vorsprung wurde in diesem Fall nur vorgegaukelt – gedeckt von allen Verantwortlichen bis zum CEO.
Vertrauenskrise: Weltweiter Vertrauensverlust ist kein Zufall
Gehören Unwahrheiten zur Tagesordnung? Auch im vergangenen Jahr sank die Vertrauenswürdigkeit in Unternehmen und Organisationen weltweit, wie das Edelman Trust Barometer zeigte. 48 Prozent der Befragten in Deutschland gaben an, von Verantwortlichen in der Wirtschaft gezielt in die Irre geführt zu werden, durch unwahre Behauptungen oder starke Übertreibungen.
Menschen vertrauen anderen Menschen, wenn sie kompetent, wohlwollend und integer sind. Mit integer ist gemeint, aus einem transparenten Wertesystem heraus zu handeln und abgegebene Versprechen zu halten. Folgt man diesem Konzept, müssen sich Unternehmen, Parteien und Institutionen nicht wundern, dass ihre Vertrauenswürdigkeit schwindet, wenn sie eben nicht integer agieren. Das gilt insbesondere für Marken wie Audi, denen nachgewiesen wird, dass sie bewusst und kriminell gegen den Kern dessen verstoßen, wofür sie stehen.
Sind sich CEOs Ihrer Vorbildrolle bewusst?
Ein CEO ist der oberste Markenbotschafter, er muss die Positionierung und Strategie zur Umsetzung führen. Und dies fängt immer mit dem Vorleben durch die Führung an. Wenn der CEO jedoch signalisiert, dass er die Positionierung nicht ernst nimmt oder er sie sogar durch sein Fehlverhalten torpediert, wird auch das von Mitarbeitenden nachgeahmt.
Unabhängig davon, ob „Vorsprung durch Technik“ als Positionierung noch zeitgemäß ist: es ist nicht nur ein Claim, sondern ein Versprechen, das zu halten ist. Das einzig Positive für Audi liegt darin, dass es ungefähr genauso lange dauert die Marke zerstören, wie es gedauert hat, sie aufzubauen.
Doch der Verfall der Reputation kommt, wenn auch schleichend. Die nicht erreichten Absatzzahlen in 2022 sind dafür vermutlich noch kein Gradmesser. Allerdings hört man derzeit immer öfter, dass Audi „Vorsprung durch Technik“ nicht mehr hält und in Zukunft nicht mehr erreichen wird. Eine Weiterentwicklung zu „Zukunft durch Technologie“ wird vermutlich bereits von Tesla besetzt.
CEO-Positionierung und Markenpositionierung müssen konform sein
Der heutige Audi-Chef Markus Duesmann, genauso wie seinerzeit Rupert Stadler, verkörpern nicht nur die Marke, der sie vorstehen. Sie werden durch ihr Agieren, ihre Kommunikation und ihre Entscheidungen auch selbst zur Marke. Noch 2015 stand Rupert Stadler als Person sinnbildlich für den Erfolg der Vorzeigemarke im VW-Konzern. Seit seiner Amtsübernahme raste Audi von Rekord zu Rekord: Der Gewinn stieg auf über 5 Milliarden Euro und wuchs in China, USA und im Heimatmarkt jeweils zweistellig.
Es liegt auf der Hand, dass der CEO eines Markenunternehmens die Marke nur dann glaubwürdig verkörpern kann, wenn seine eigene Positionierung als CEO mit dem übereinstimmt, wofür die jeweilige Marke steht. Nun ist in Mode gekommen, dass CEOs sich eine eigene CEO-Positionierung erarbeiten. Darin ist aber häufig gar kein direkter Bezug zur jeweiligen Marke, der sie vorstehen, zu erkennen. Wo war Stadlers Technik-Bezug? Bis zum Dieselskandal wurde in den Medien immer wieder hinterfragt, ob Stadler als Betriebswirt eine Technikmarke genauso gut führen kann, wie ein Ingenieur. Der Erfolg gab ihm lange Recht. Im Nachhinein bleibt die Frage offen, ob ein Ingenieur an der Spitze des Unternehmens mit dem Stolz auf seine Ingenieurskunst eine Software gedeckt hätte, die den Gesetzgeber und die Kunden absichtlich täuscht.