Von Gastautor Marc Clormann, Creative Director – Clormann Design GmbH
Es gibt viele Wege, Marken- und damit Unternehmenswerte zu vernichten. Der einfachste führt über das Design. Einfach zweizeilige Briefings an die Design-Agentur verschicken, die Zusammenarbeit an den Junior in der Marketingabteilung delegieren und sich dann nach dem Bauchgefühl der Praktikantin für eine Variante entscheiden.
Biotop für kreative Spinner
Design – egal ob Produkt- oder Packaging-Design – das ist doch das Biotop für kreative Spinner in schwarzen Rollkragenpullovern, die stundenlang über Farben und Formen diskutieren möchten. Debatten zum Thema Ästhetik, die so weit weg sind von der zahlenbasierten Realität des modernen Marketings wie der HSV vom Gewinn der deutschen Meisterschaft. Marketer haben Themen wie ROI der Media-Spendings, Customer Journey-Tracking und Touchpoint-Analysen auf dem Zettel. Aber Design? Darüber kann im Zweifelsfall auch kurz die Familie beim Abendessen abstimmen, oder?
Warum spielt Packaging Design nur eine untergeordnete Rolle?
Irgendetwas, glaube ich, läuft aktuell schief im Marketing: So ist etwa die Verteilung der Media-Spendings bei Konsumgüterherstellern jedes Mal ein mühevoller Kraftakt. Bis auf die xte Stelle hinter dem Komma wird gerechnet, ob nun verstärkt in klassische Medien, in Mobile oder Social Media investiert werden soll. Das Design – insbesondere das Packaging-Design – spielt dagegen häufig nur eine untergeordnete Rolle. Warum eigentlich? Eine normale Pralinen-Packung etwa erzielt im Durchschnitt 45 Touchpoints: Sie wird 32 Mal gesehen(Sichtkontakte) und 13 Mal zudem auch in die Hand genommen (haptische Kontakte). Und: 70 Prozent der Deutschen Verbraucher, so eine GfK-Studie, entscheiden erst im Supermarkt, was im Einkaufswagen landet. Das Packaging ist damit direkt am Point of Sale und auch später zuhause das Bindeglied zwischen Produkt und Konsumenten. Also ein ganz zentraler Markenbotschafter. Strahlend. Duftend. Greifbar. Multisensorisch eben und damit erlebbarer als andere Werbeträger.
Der wichtige Beitrag von Produkt-Design
Doch der direkte Vergleich von Packaging zu anderen Werbeträgern kann nur vordergründig die tragende Rolle spielen. Er zeigt aber immerhin auf, dass Verpackungen einen Wert haben – und zwar einen durchaus messbaren: So ermittelte der Fachverband Faltschachtel-Industrie etwa, dass 664 Millionen Pralinen-Verpackungen, die hierzulande in einem Jahr verkauft werden, einen Media-Äquivalenzwert von 227,3 Millionen Euro erreichen. Nicht schlecht, aber die Zahl belegt nicht, welchen Beitrag Produkt-Design und Packaging in der gesamten Wertschöpfungskette insgesamt leisten kann. Angefangen bei der Produktentwicklung, über die Einbindung in klassischen Werbemotiven, den Einfluss am PoS bis hin zur Bedeutung der Verpackung im heimischen Umfeld der Konsumenten. Ein kongeniales Zusammenspiel wie es beispielsweise Apple mit dem iPhone und der bekannten minimalistischen Verpackung vorgemacht hat.
Qualitätsanspruch der Produkte durch Design
Den konkreten Mehrwert für den Produkterfolg messbar zu machen – genau darum muss es in Sachen Design in Zukunft mehr denn je gehen. Noch aber haben wir zu wenig KPIs, die den Erfolg unserer Arbeit belegen. Viel zu stark verlassen wir uns auf unser kreatives Produkt und den emotionalen Impact. Der bleibt die Basis unserer Arbeit, doch es geht um mehr: Wenn wir belegen wollen, dass Design Teil der gesamten Wertschöpfungskette ist, dann müssen wir uns nach den Effizienz-Kriterien modernen Marketings messen lassen können. Denn das ist mehr und mehr rein zahlengetrieben. Dem müssen wir uns stellen. Klar: das erfordert ein komplettes Umdenken der Branche. Es geht um eine gemeinsame Gattungsinitiative, die Forschung –also die Universitäten, uns – die Design-Branche – und unsere Auftraggeber gleichermaßen mit einbezieht. Vor allem den Marketingabteilungen den „Erfolgsfaktor Design“ klar machen, muss unser Hauptaugenmerk sein.
Dafür müssen wir offensiver kommunizieren. Erfolgscases, die den Mehrwert des Packaging Designs belegen. Die gibt es. Ein Paradebeispiel dafür ist das Startup-Unternehmen Ankerkraut. Die beiden Gründer, Anne und Stefan Lemcke, traten erfolgreich in der „Höhle der Löwen“ auf und heimsten hier 300.000 Euro ein. Ihr Online-Shop und der Verkauf im stationären Handel laufen auf Hochtouren. Initiiert wurde der Erfolg wesentlich durch das Design der Gewürz- und Teeverpackungen. Mit zwei RedDot Awards ausgezeichnet visualisiert es idealtypisch den Qualitätsanspruch der Produkte. Das kommt an. Bei den Juroren der Vox-Sendung und beim Konsumenten.
Zum Autor: Marc Clormann, Designer und Inhaber der Agentur Clormann Design in München.