Die Überzeugungskraft von Fehlern 

Onlinebewertungen, bei denen die Rezensent*innen einen früheren Fehlkauf erwähnen, steigern die Überzeugungskraft von Produktempfehlungen.
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Monika Imschloß ist Professorin für Marketing an der Leuphana Universität Lüneburg. (© Mark Elsner, Montage: Olaf Heß)

Neulich auf Amazon: Ich bin auf der Suche nach einem Paddelboot, mit dem wir die Ilmenau unsicher machen wollen. Da ich mich aufgrund mangelnder Expertise in dieser Produktkategorie nicht nur von ästhetischen Aspekten leiten lassen möchte, lese ich mir eine Vielzahl an Onlinebewertungen durch. Irgendwann stellt sich mir die Frage, woran ich eigentlich festmache, dass die Person, welche den Review verfasst hat, mehr Expertise als ich hat und das Produkt adäquat bewerten kann. Woran liegt es, dass manche Onlinebewertungen uns mehr beeinflussen als andere? Und welche Auswirkungen hat dies auf die Produktwahl?  

Taly Reich and Sam J. Maglio (2020) argumentieren, dass Konsumierende vor allem von solchen Produktbewertungen beeinflusst werden, bei denen ein früherer Fehlkauf zugeben wird. Es geht also um Reviews à la „Mein altes Paddelboot der Marke X lief immer voll Wasser – ein absoluter Fehlkauf. Diesen Sommer schwankte ich zwischen einem Boot der Marke Y und der Marke Z. Ich habe mich für Marke Z entschieden und es ist gut“.  

Fehlkäufe scheinen hilfreich

Tatsächlich fand das Autorenteam in mehreren Labor-Experimenten, dass das empfohlene Produkt der Marke Z häufiger als Kaufoption gewählt wird, wenn die Produktbewertung einen vergangenen Fehlkauf schildert im Vergleich dazu, wenn zwar auch eine andere Marke, aber ein vergangener erfolgreicher Kauf erwähnt wird (zum Beispiel: „Früher hatte ich ein Paddelboot der Marke X, das gut war. Jetzt habe ich mir das Boot der Marke Z gekauft – es ist ebenfalls gut.“). Dieser Effekt trat auch dann auf, wenn die Teilnehmenden insgesamt zehn Amazon-Bewertungen zu einem Produkt lasen, wobei nur in einer einzigen ein früherer Fehlkauf thematisiert wurde. Eine weitere Analyse von 5.727 realer Reviews auf der Seite des Beauty-Unternehmens Sephora zeigte zudem, dass Bewertungen, die einen früheren Fehlkauf erwähnten, von den User*innen als hilfreicher bewertet wurden. 

Das Autorenteam erklärt den Effekt damit, dass das öffentliche Zugeben eines Fehlkaufs in einer Produktbewertung Konsumierenden signalisiert, dass die Rezensent*innen dazu gelernt haben und nun über mehr Wissen sowie Expertise verfügen, wie man ein „gutes“ Produkt auswählt. Aber es gibt auch Grenzen: So macht das Zugeben eines Fehlkauf Produktbewertungen nur dann überzeugender, wenn der erwähnte Fehlkauf in derselben Produktkategorie (zum Beispiel: Paddelboote) versus in einer assoziierten Produktkategorie (zum Beispiel: elektrische Luftpumpe) erfolgte. 

Für mich bedeuten diese Erkenntnisse, dass ich gespannt abwarte, ob sich mein – letzten Endes doch aufgrund der Ästhetik gekauftes – Paddelboot als Fehlkauf erweisen wird. Für das Marketing bedeutet dies, dass, selbst wenn man nicht den Inhalt von Reviews beeinflussen kann, es möglicherweise strategisch sinnvoll ist, bestimmte Produktbewertungen als erstes anzuzeigen. 


Quelle: Reich, T., & Maglio, S. J. (2020). Featuring mistakes: The persuasive impact of purchase mistakes in online reviews. Journal of Marketing, 84(1), 52-65. 

Monika Imschloß ist Professorin für Marketing an der Leuphana Universität Lüneburg. Die Kolumnistin forscht zu multisensorischem Marketing, Digitalisierung und Nachhaltigkeit.