Ein Touchpoint-Manager kümmert sich um die Touchpoints entlang der Customer Journey – und um deren Synchronisierung in unserer offline-online-mobile-gemixten Realität. Denn nicht der hypothetische Businessplan, sondern das, was in den „Momenten der Wahrheit“ während der immer zahlreicheren Interaktionen mit Kunden tatsächlich passiert, entscheidet über Top oder Flop.
Natürlich müssten sich alle Unternehmensbereiche auf das Kundenwohl fokussieren. Doch längst spüren die Anbieter schmerzlich, dass sie mit ihren festgefahrenen Prozessen, mit Insellösungen, Ressortegoismen und schwerfälligen Entscheidungswegen in unserer zunehmend rasanten, komplexen Businesswelt keine Chance mehr haben. Die Unternehmen sind in ihren eigenen Systemen gefangen. Und sie werden nicht am Markt, sondern an ihren Strukturen scheitern.
Nach innovativen Ansätzen wird also händeringend gesucht. Manche versuchen mit Ausgründungen oder dem Zukauf von Startups frisches Denken und Handeln in ihr Unternehmen zu bringen. Andere bauen Coworking-Konzepte nach, um den blockierenden Hierarchiemodus zu meiden und die Schlagzahl zu steigern. Wenn es allerdings um den Kunden geht, sind integrative und nicht autonome Konzepte gefragt. Ein Touchpoint-Manager ist die passende Lösung dafür.
Kernaufgaben eines Touchpoint-Managers
Kernaufgabe des Touchpoint-Managers ist es, an den externen Touchpoints des Unternehmens, also den Berührungspunkten zwischen Produkten, Services, Mitarbeitern und Kunden, eine hundertprozentige Kundenorientierung zu ermöglichen, ohne die Prozesseffizienz aus den Augen zu verlieren. Diese Funktion ist abteilungsübergreifend und hat sowohl strategische als auch operative Komponenten. Dabei kann das Touchpoint-Management zum maßgeblichen Treiber eines unternehmensweiten Kulturwandels werden.
Insgesamt geht es um eine Transformation des gesamten Unternehmens hin zu einer vernetzen, kundenfokussierten Organisation. Hierfür muss der meist unkoordinierte kundenbezogene Wildwuchs, der sich in den einzelnen Abteilungen breitgemacht hat, zunächst gesichtet und dann zügig beseitigt werden. Denn wo Unkraut ist, können keine schönen Pflanzen wachsen. Danach geht es um das Entwickeln und Umsetzen synchronisierter, dauerhaft kundenzentrierter, verlässlicher und rentierlicher Wertschöpfungsaktivitäten.
Advokat des Kunden im eigenen Haus
Ein Touchpoint-Manager soll in Sachen Kunde der erste und oberste Anlaufpunkt sein. Er ist mit den kundenrelevanten Entwicklungen draußen und drinnen im Unternehmen bestens vertraut. Er ist der, der intern als Advokat der Kunden agiert. Er nimmt immer deren Perspektive ein, und das wird so akzeptiert, auch wenn es schon mal unbequem ist. Und er weiß: Wer lange Strecken laufen will, braucht geduldiges Geld.
Geht es um kundenbezogene Entscheidungen, hat er das erste und das letzte Wort. Und er hat ein Vetorecht. Mit Leidenschaft setzt er sich für die Interessen der Kunden ein und koordiniert deren Belange. So stellt er auch sicher, dass das unproduktive, selbstzentrierte Silodenken zwischen den Abteilungen – zumindest soweit es die Kundenperspektive betrifft – endlich ein Ende hat.
Crossfunktionales Agieren braucht Rückendeckung
Organisatorisch gesehen ist ein Touchpoint-Manager Knotenpunkt und Drehkreuz für alle Touchpoints, die er vertritt. Er ist also keine Randfigur, sondern steht mitten im Unternehmen. Da jede Abteilung, unabhängig von ihrer Kernaufgabe, auch in Kundenthemen involviert ist, arbeitet der Touchpoint-Manager crossfunktional mit allen eng und gleichberechtigt zusammen.
Er benötigt die absolute Rückendeckung von oberster Stelle, da sein Weg holprig ist und er sich nicht immer nur Freunde macht. Denn wer als Interessenvertreter der Kunden agiert, deckt zwangsläufig Missstände auf. Seine Botschafter sitzen im mittleren Management. Dieses muss er für das Bewältigen seiner Aufgabe gewinnen. Mit deren Hilfe und durch ein fortwährendes Einbeziehen aller Mitarbeiter kann er dann das notwendige Re-Design eines zukunftsfähigen Touchpoint-Mixes in Angriff nehmen.
Turbo für den Wertschöpfungsprozess
Die organisatorische Einbindung eines Touchpoint-Managers ist branchenspezifisch, und sie hat auch mit der Unternehmensgröße zu tun. In kleinen Firmen gibt er dem meist nicht existierenden Marketing einen Platz. In Betrieben mittlerer Größe besetzt er abteilungsübergreifend eine eigene Funktionsstelle, die an die Geschäftsleitung angedockt ist. In Großorganisationen ist ein neuer Posten im Boardroom gefordert: der Chief-Touchpoint-Officer (CTO) als rechte Hand des CEO.
Als oberster Kundenvertreter kann der CTO den inzwischen oft verwaisten Platz übernehmen, der eigentlich dem Marketingleiter gebührt. Denn leider ist ja das Marketing, das ursprünglich für eine auf den Markt ausgerichtete unternehmerische Gesamtstrategie stand, vielfach zu einer reinen Werbeschleuder mutiert und zur Datensammelstelle verkommen. Eine aufgebauschte Bürokratie und ein verstellter Blick für die wahren Wünsche der Kunden sind dabei Realität.
Mithilfe des Touchpoint-Managers könnte sich alles nun wieder synchronisiert und mit Herzblut um den wertvollsten Schatz eines Unternehmens kümmern: loyale Kunden, engagierte Fans und aktive Empfehler. Auf diese Weise wird endlich auch alles unternommen, was unternommen werden kann, um die Wertschöpfung zu steigern. Haben hingegen Finance & Controlling das Sagen, wird alles unterlassen, was unterlassen werden kann mit dem Ziel, Kosten zu sparen. Und damit erlangen entseelte Zahlen, die nicht selten nur Trugbilder erzeugen, die Macht.
Über die Autorin: Anne M. Schüller ist Diplom-Betriebswirtin, mehrfache Buch- und Bestsellerautorin sowie Management-Consultant. Sie gilt als Europas führende Expertin für Loyalitätsmarketing und kundenfokussiertes Management. Im März 2014 veröffentlichte sie das Buch „Das Touchpoint-Unternehmen“. Kontakt: www.touchpoint-management.de