Zu diesen Ergebnissen kommt eine Studie von TNS Emnid unter 1.000 Geschäftsführern deutscher KMU im Auftrag der in DACH führenden Anbietersuche „Wer liefert was“.
Der Innovationsdruck wird immer stärker
Seit Jahrzehnten stehen die Werte „Qualität“ und „Verlässlichkeit“ in der ganzen Welt für das Streben der Deutschen nach Leistungsstärke und werden vom Mittelstand gelebt. Sie spiegeln zudem seine Gefühlslage wider: Die Wirtschaft befindet sich im Aufschwung, die Binnennachfrage ist stark und das Selbstverständnis des Mittelstands fußt auf diesen Wertesäulen der sozialen Marktwirtschaft. Zudem sind sie für mehr als die Hälfte der Befragten auch Voraussetzung für eine Geschäftsbeziehung sowie untrennbar mit dem Unternehmenserfolg verbunden. Für 46 Prozent sind sie gar Teil der Unternehmenskultur. „Qualität und Verlässlichkeit sind die DNA und das Erfolgsgeheimnis des deutschen Mittelstands, stehen aber insbesondere vor dem Hintergrund der Digitalisierung auf dem Prüfstand“, sagt Peter F. Schmid, CEO der Business-Suchmaschine „Wer liefert was“. „Denn die Zeiten ändern sich immer schneller, der Entwicklungs- und Innovationsdruck wird immer größer und diesem langfristig gerecht zu werden, erfordert ein Umdenken.“
Widerspruch: „Deutsche Wertarbeit“ hat trotz Kostendruck Bestand
Einige Ergebnisse der Studie sind von daher interessant, dass sie nicht auf Anhieb miteinander in Einklang zu bringen sind: So glauben einerseits rund 90 Prozent der Geschäftsführer fest daran, dass das Qualitätsmerkmal „Deutsche Wertarbeit“ in den kommenden zehn Jahren noch Bestand haben wird. Andererseits ist der Kostendruck für über 80 Prozent aber die nachhaltigste Auswirkung der Internationalisierung – gefolgt vom Innovationsdruck, der für 75 Prozent einschneidend ist. Schmid: „Deshalb sind die Entscheider aufgerufen, neue Wege zu gehen und die Stärken des Mittelstands weiterzuentwickeln, insbesondere vor dem Hintergrund der Digitalisierung. Sonst verschenken wir auch volkswirtschaftlich betrachtet Produktivitätssteigerungspotenzial in Milliardenhöhe.“ Eine Herausforderung, vor der in jüngster Zeit immer mehr deutsche Unternehmen stehen, ist die der Unternehmensnachfolge. Vor diesem Hintergrund ist die Aussage von 45 Prozent der Befragten interessant, die sagen: „Die Internationalisierung führt dazu, dass bei der Unternehmensnachfolge im deutschen Mittelstand Kandidaten aus dem Ausland attraktiv sind.“ Das ist auch insoweit spannend, weil es zeigt: Der Mittelstand ist entgegen landläufiger Meinung offen für Nachrücker aus anderen Ländern und sieht hier eine Chance für die Zukunft. Impliziert wäre in diese Veränderung auch der Einfluss anderer Werte auf den deutschen Mittelstand.
„Qualität“ und „Innovation“: Für viele Befragte zwei Gegenpole
„Blickt man auf die ‚Innovationskraft’, die von nur sechs Prozent als wichtigster Wert, ,Qualität’ aber von 43 Prozent als Hauptwert des Mittelstands gesehen werden, so scheinen die Befragten beide Werte als Gegenpole wahrzunehmen“, sagt Schmid. „Es braucht aber beide, um zukünftig volles Potenzial zu entfalten.“ Denn der Innovationsdruck, den 75 Prozent als Folge des internationalen Wettbewerbs spüren, wird gerade mit Blick auf den Fortschritt in anderen Ländern immer stärker. Mehr als jeder Vierte (28 Prozent) hat beispielsweise Angst, dass die Konkurrenz aus Asien den deutschen Mittelstand überholen wird.
„Spezialwissen“ – Voraussetzung im Zeitalter der Digitalisierung? Nicht für deutsche KMU!
Je stärker der Innovationsdruck, umso höher ist in der Regel die Bedeutung des Spezialwissens, das in Unternehmen vorhanden sein sollte. So wird „Spezialwissen“ nur von drei Prozent als wichtigster Wert gesehen. Schmid: „Spezialwissen – und damit speziell ausgebildete Fachkräfte, an denen es auf dem Arbeitsmarkt mangelt – und Innovationen sind wechselseitig zu sehen: Das eine bedingt das andere und umgekehrt. Umso erfreulicher ist deshalb, dass immerhin 56 Prozent im kommenden Geschäftsjahr verstärkt in Fachkräfte investieren werden – aber nur jeder Dritte in ,Betriebsinterne Digitalisierung’“.
Das Bild des Mittelstands: Auseinanderdriften von Selbst- und Marktwahrnehmung
Selbstbewusst sagen 86 Prozent der Entscheider, dass sie sich auf die Umwälzungen bzgl. digitaler Wertschöpfungsketten sowie digitaler Informations- und Kommunikationstechnologien persönlich gut vorbereitet fühlen. Sollen sie jedoch den Stand der Vorbereitung des Mittelstands allgemein bewerten, sagen nur 54 Prozent, er sei gut, aber 36 Prozent, er sei nicht gut vorbereitet. Das ist mehr als jeder Dritte, der die Lage als schlecht einschätzt und damit ein eklatanter Unterschied zur Selbsteinschätzung.
Bedenkenträger: Die deutsche Scheu vor der Digitalisierung
Jeder fünfte Geschäftsführer glaubt, dass die Digitalisierung eher Risiken als Chancen birgt. Nur 24 Prozent sehen digitale Innovationen (Industrie 4.0) als einen Bereich, in dem der Mittelstand in den kommenden zehn Jahren eine internationale Vorreiterrolle einnehmen und neue Märkte erschließen wird. „Hier wird deutlich, dass die Relevanz und das Potenzial, das die Industrie 4.0 bietet, nicht gesehen werden“, so Schmid. „Und ausgerechnet in Feldern, die dem deutschen Mittelstand von der Politik auferlegt wurden und nicht aus dem Mittelstand heraus kamen, sehen die KMU-Entscheider eine internationale Vorreiterrolle in den kommenden zehn Jahren.“ So bewerten 53 Prozent den Umweltschutz, 47 Prozent die Energiewende und 43 Prozent das nachhaltige Wirtschaften als Pionierfelder des deutschen Mittelstands bis 2025. Schmid weiter: „Das sind auf jeden Fall Felder mit noch großem Potenzial, in denen Deutschland bereits weltweit Maßstäbe gesetzt hat.“