Wer Marcus Diekmann über die Zukunft von Rose Bikes sprechen hört, der spürt den Wind des Wandels förmlich um sich wehen. So war es auch bei der von Web-Netz ausgerichteten Online Marketing Konferenz (OMK), die am vergangenen Donnerstag in Lüneburg stattfand. Der Titel der Präsentation: „Mut oder Tschüss – erfolgreich Überleben im Handel der Zukunft.“ Diekmanns drei Kernbotschaften: Unternehmer sollten sich niemals auf dem Ist-Zustand ausruhen, Drei- bis Fünfjahrespläne seien viel zu weit in die Zukunft gedacht und bei Change-Prozessen dürfe keine Rücksicht auf persönliche Befindlichkeiten genommen werden.
Auf der OMK-Bühne machte Diekmann deutlich, dass diese Kernbotschaften nicht nur Plattitüden sind. Er sagte: „Wir machen eine radikale Evolution durch und stellen uns auf allen Ebenen komplett neu auf.“ Das Ziel von Rose Bikes ist es laut Digitalchef Diekmann, ein „online first geprägter Omnichannel-Anbieter“ zu werden.
Um das Ziel zu erreichen, hatte Rose Bikes bereits im Sommer die sogenannte „Mission Zukunft“ veröffentlicht – ein nach eigenen Angaben „straffes Wachstums- und Transformationsprogramm vom stationären zum Lösungsanbieter“. Im Zuge dessen wurden von der Geschäftsführung zum einen 20 Wachstumsprogramme und zum anderen klare Wachstumsziele definiert.
Umsatzziel 2020: 125 statt 120 Millionen Euro
Im Umsatzbereich will Rose Bikes von 85 Millionen Euro im Jahr 2018 über 96 Millionen Euro im Jahr 2019 auf 120 Millionen Euro im Jahr 2020 kommen. Und die Geschäfte im Geschäftsjahr 2018/19 liefen gut. So gab das Bocholter Unternehmen im Juli nach Abschluss des ersten Geschäftshalbjahres Rekord-Umsatzerlöse bekannt: Rose Bikes erwirtschaftete vom 1. November 2018 bis zum 30. April 2019 rund 45 Millionen Euro – ein Umsatzplus von 21,2 Prozent gegenüber dem ersten Halbjahr 2017/18. Dadurch lag Rose Bikes noch vor dem Start der Hauptsaison 4,6 Prozent über dem geplanten Umsatzziel.
Den Zuwachs begründete die Rose-Führung um CEO Thorsten Heckrath-Rose seinerzeit unter anderem mit der Weiterentwicklung des eigenen Produktportfolios: Dank konsequenter Investitionen ins Corporate Design sei es der Marke gelungen, die Attraktivität und den Wiedererkennungswert der entwickelten Fahrräder zu schärfen.
Auf der OMK in Lüneburg präsentierte Rose-Digitalchef Diekmann, wohl auch aufgrund des nun bereits erzielten Wachstums, eine nach oben korrigierte Umsatzprognose. Demnach will Rose Bikes bereits im laufenden Geschäftsjahr die Marke von 100 Millionen Euro knacken und 2020 sogar 125 Millionen Euro erwirtschaften.
80 Prozent Online-Umsatz, Plattform als Ziel
Wie Diekmann weiter ausführte, erziele Rose Bikes momentan 80 Prozent seiner Umsätze online. „Wir müssen stark differenzieren, echte USPs schaffen und uns voll auf die Bedürfnisse der Kunden ausrichten“, sagt Diekmann. Rose wolle dabei unter anderem Wert auf möglichst „individuelle Produkte“ sowie einen „inspirativen“ Auftritt in den Shops und auf der Website legen.
Neben dem Eigenmarken-Geschäft, das Rose Bikes laut Diekmann noch mehr zu einer „echten Brand“ aufbauen will, plant das 110-jährige Unternehmen den Aufbau eines markenübergreifenden Handels. „Wir wollen in der Zukunft zu einer Plattform werden“, sagte Diekmann. Aktuell habe Rose Bikes rund 50.000 Artikel im Shop, im kommenden Jahr soll die Zahl auf 70.000 bis 75.000 steigen. Teil des Plans ist es, Rosebikes.de zur Verkaufsplattform auch für andere Händler und Hersteller zu machen.
Kauf von E-Commerce-Agentur: Offenheit gefragt
Dazu passt, dass Rose Bikes im Mai 2019 die Digitalagentur Kommerz mit ihren 27 Mitarbeitern übernommen hatte. Das Wissen des E-Commerce-Spezialisten soll nun dem Fahrradunternehmen zugutekommen. Im Zuge des Agenturkaufs wurde die ehemalige Kommerz-Managerin Sara Volkmer zur Leitung E-Business von Rose Bikes.
Derartige Veränderungsprozesse verlangen von Mitarbeitern wie Unternehmensführung Disziplin und Vertrauen gleichermaßen. Diekmann macht keinen Hehl daraus, dass durch die Transformation so manche „Prozesse knirschen“ können. Besonders wichtig sei zum Beispiel bei der Kommerz-Übernahme gewesen, dass „beide Seiten sehr offen“ sind. Diekmann sagt: „Die Kultur verändert sich, aber die Werte bleiben.“
Rose Bikes: 80 neue Mitarbeiter gesucht
Für die kommenden Monate plant Rose Bikes eine Vielzahl weiterer Veränderungen, wie Diekmann erklärte. So werden unter anderem derzeit 80 weitere Mitarbeiter gesucht. Zudem will das Unternehmen weitere E-Bikes auf den Markt bringen und einen „rund um die Uhr“-Beratungsservice einführen.
Für ein verbessertes Kundenerlebnis will Rose darüber hinaus einen neuen Fahrrad-Konfigurator an den Start bringen. Ziel ist es laut Diekmann, nicht nur die absoluten Bike-Experten anzusprechen, sondern „einfache Lösungen für den Lifestyle-Kunden“ zu bieten.
Algorithmen für Bots und Audio-Commerce
Um sämtliche IT-Anforderungen zu stemmen, besetzte Rose Bikes vor kurzem eine als „Schlüsselposition in der Unternehmensorganisation“ deklarierte Stelle neu. Seit dem 1. September verantwortet Daniel Vollmer als IT-Director alle digitalen IT-Prozesse beim Bocholter Familienunternehmen. Er berichtet an Digitalchef Diekmann.
Zuvor war der 38-jährige Diplomkaufmann in der Geschäftsleitung der Matratzen Concord GmbH für IT und Logistik verantwortlich. „Unser Ziel ist es, ohne weitreichende Umstrukturierungen der IT-Landschaft schnell auf sich verändernde Bedingungen und Kundenanforderungen reagieren zu können“, sagte Unternehmenschef Heckrath-Rose zu Vollmers Einstellung. „Außerdem schaffen wir durch eine Microarchitektur die Möglichkeit, in Spezialshops zu denken und diese sukzessive mit datengetriebenen Algorithmen für Bots, Audio-Commerce-Technologien und Co. auszubauen“, ergänzte der CEO.
„Eigenes Geschäftsmodell jeden Tag töten“
Der Change-Prozess von Rose Bikes wirkt äußerst konsequent. Und genauso wie der Titel von Diekmanns Präsentation („Mut oder Tschüss – erfolgreich Überleben im Handel der Zukunft“) andeutete, las sich auch die Beschreibung zu seinem Auftritt, wie ein exemplarischer Auszug zeigt:
„Was die Handelslandschaft braucht, ist Mut zum Handeln. Jetzt und radikal. Jedes Unternehmen in dieser Branche muss sein gesamtes Geschäftsmodell auf den Prüfstand stellen und bereit sein, sein eigenes Geschäftsmodell jeden Tag töten und durch ein noch besseres ersetzen zu wollen (…). Es ist Zeit, zu handeln. Alle sind gefordert. Und der Wandel ist Chefsache.“
Diekmanns danach folgender Auftritt ließ schließlich auch den letzten Zweifel am Veränderungswillen des Unternehmens verschwinden.