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Lehrstunde in medialer Inhalte-Verwertung vom deutschen Branchenprimus: Wer sich Ende vergangener Woche noch fragte, ob Axel Springer außer Glanz und Gloria noch etwas vom perfekt inszenierten Besuch des Facebookchefs hatte, bekam die Antwort am Wochenende – und zwar vom Konzernchef höchst persönlich.
Mathias Döpfner, der 1998 zum Chefredakteur der „Welt“ berufen wurde, hat es tatsächlich wieder getan, was er als CEO des MDax-Konzerns Axel Springer nur noch alle Jahre wieder tut – zur Feder gegriffen. Das 28.000 Zeichen starke Interview in der „Welt am Sonntag“ („Die Angst vor künstlicher Intelligenz ist hysterisch“) knüpft dort an, wo der inszenierte Smalltalk zur Preisverleihung des Springer Awards am Donnerstag aufhörte.
What a great evening at @axel_springer: Mark Zuckerberg and Mathias Döpfner talking on stage! @BILD @facebook pic.twitter.com/hFYw0bJWA4
— Kai Diekmann (@KaiDiekmann) February 25, 2016
Döpfner will einiges vom 31-jährigen Facebook-Chef wissen: ob Berlin im Silicon Valley ernst genommen werde, warum Virtual Reality das nächste große Ding werde, ob man sich vor künstlicher Intelligenz fürchten müsse oder nicht (Zuckerberg verneint Elon Musks These und nennt die Sorge vor KI „hysterisch“) und warum Zuckerberg noch in seiner Freizeit programmiert.
Die interessantesten Passagen des absolut lesenswerten Interviews sind jedoch die über die Gründungstage von Facebook, über die Zuckerberg so noch nie im Detail gesprochen hat – und die damit in gewisser Hinsicht historischen Charakter besitzen.
„Es existiert diese lustige Vorstellung, dass es einen Augenblick gibt, in dem man eine Idee hat und ab da etwas aufbaut. Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass die meisten Sachen in der Welt so laufen“, klärt Zuckerberg über seinen nicht vorhanden Masterplan für Facebook auf. Seine Motivation, ein soziales Netzwerk zu entwickeln, beschreibt Zuckerberg wie folgt:
Es gab kein Tool, das man benutzen konnte, um etwas über andere Leute zu erfahren. Aber ich wusste nicht, wie ich das entwickeln sollte. Also baute ich stattdessen kleine Tools. Als ich am College anfing, baute ich ein kleines Tool. Ich wollte nämlich wissen, welche Kurse ich belegen soll – und um das zu entscheiden, wollte ich wissen, welche Kurse die anderen belegten oder für welche sie sich interessierten. Also schuf ich dieses Tool namens ‚Course Match‘, in dem man alle Kurse, die man belegt, auflisten konnte. Faszinierend daran war, dass es binnen einer Woche etwa die Hälfte der Schüler nutzte. Dann entwickelte ich einfach weiter immer mehr Sachen, die ähnlich waren. Ich entwickelte Face Mash, das auch im Film vorkommt.
Um die erste Facebook-Version zu entwickeln, brauchte der 19-Jährige damals ganze zwei Wochen. „Wenn ich auf diese zwölf Jahre zurückschaue, dann ist das Überraschendste, dass es sonst niemand tat“, resümiert Zuckerberg bis heute ungläubig.
Bonus-Bilder im Business Insider
Eine interessante Fußnote des Zuckerberg-Interviews ist unterdessen die mediale Verwertung. Während die menschelnde Fortsetzung mit Ehefrau Priscilla in der „Bild am Sonntag“ landete, erschien zeitgleich zum „Welt“-Interview eine englische Fassung bei der neuen Konzerntochter „Business Insider“, die das Interview im Rest der Welt verbreitet und dabei – sozusagen als Bonusmaterial – noch mit begleitenden Interview-Bildern von Döpfner, ganz klassisch mit Diktiergerät, und Zuckerberg im Sakko aufmacht.
Awesome interview with Mark Zuckerberg https://t.co/KkJi37ACxV Virtual reality, AI, and the future of everything pic.twitter.com/DUB1ogRtx8
— Henry Blodget (@hblodget) February 28, 2016
Döpfner verleiht damit dem Nachdruck, was er erst vor zwei Monaten in der „New York Times ankündigte: „In zehn Jahren dürften 80 bis 90 Prozent unseres Geschäfts durch internationale Erlöse generiert werden.“ Der Zuckerberg-Coup trägt diesem Anspruch Rechnung.