Wer auf einer Produktseite im Internet von den Gesichtern seiner Freunde angelacht wird, weil diese den „Gefällt mir“-Knopf gedrückt haben, kauft eher. Google, Qype & Co. machen es möglich, jeden beliebigen Anbieter in Echtzeit weiterzuempfehlen – oder vehement abzuraten. Die ersten Kneipen geben empfehlungsstarken Foursquare-Nutzern Freibier aus. Selbst Adwords-Textanzeigen können seit kurzem bewertet werden. Wer bei solchen Votings durchfällt, hat verloren. Umsätze steigen nicht länger proportional zum Werbedruck, sondern mit der Zahl positiver Empfehlungen.
So ist das Internet in kürzester Zeit zu einer wahren Spielwiese für alle möglichen Formen des Empfehlungsmarketing geworden. Bis vor wenigen Jahren beschränkten sich die Möglichkeiten zum Weitersagen auf Familienmitglieder, Nachbarn, Freunde und Kollegen. Mundpropaganda fand in einem überschaubaren Rahmen statt. Sie war zwar hörbar, aber nicht sichtbar. Und sie war flüchtig, denn sie musste erinnert werden. Heutzutage wird das, was wir von einer Sache halten, bereitwillig mit einer breiten Öffentlichkeit geteilt. Und bis in alle Ewigkeit gespeichert.
Mundpropaganda in all ihren Facetten ist im socialmediageschwängerten Web inzwischen ein Massenphänomen – und schon fast so was wie Bürgerpflicht. Hierbei kann auf digitale Kommunikationswerkzeuge von unglaublicher Reichweite zurückgegriffen werden, wodurch sich positives wie auch negatives Gerede (Buzz) explosionsartig verbreitet. Mithilfe mobiler Endgeräte erreicht Word-of-Mouth (WOM) nicht länger nur die Ohren weniger Interessierter, sondern drahtlos die Bildschirme der ganzen Welt. Werbung, auf die zu achten es sich lohnt, kommt nun vornehmlich aus dem Kreis der vernetzten Verbraucher. Sie sind die neuen Vermarkter.
Empfehlungen stecken fortan in der Hand- oder Hosentasche. Wer unterwegs ist und zum Beispiel über ein Restaurant Informationen will, braucht sein Handy nur noch in die gewünschte Richtung zu halten. Aus den Tiefen des Internet holt sich unser mobiler Begleiter, sofern er über die entsprechende Ausrüstung verfügt, die Antworten aufs wartende Display. Und während unser Blick bedächtig über die Auslagen eines Schaufensters streift, checkt unser Smartphone via Apps bereits die Reputation des Händlers, die ökologische Haltung des Anbieters, den Fan-Faktor der Marke und die Preise im Vergleich.
All das ist Risiko und Chance zugleich. Denn ob es den Unternehmen nun gefällt oder nicht: Was immer sie heute tun, im Web spricht es sich blitzschnell herum. Und (fast) alles kommt früher oder später raus. Wer unbeschadet davonkommen will, tut gut daran, eine Top-Performance zu bieten, moralisch sauber zu sein und in einen offenen, ehrlichen Dialog zu treten. Wer nicht empfehlenswert ist, ist tot. Denn in unserer global vernetzten Welt wird Minderwertiges gnadenlos ausgesondert. An der Macht der Vielen kommt heute kein einziges Unternehmen mehr vorbei.
Management, Sales & Marketing fällt somit die Aufgabe zu, sich diese konsumentengetriebene Entwicklung zügig zunutze zu machen, förderliche virale Prozesse zu stimulieren und voller Leidenschaft mitzugestalten. „Sei wirklich gut und bringe die Menschen dazu, dies engagiert weiterzutragen!“ So lautet das Mantra in einer Empfehlungsgesellschaft. Positive Mundpropaganda ist Umsatz-Boosting. Doch nur, wer die Regeln des neuen Word-of-Mouth-Marketing beherrscht, wird künftig zu den Gewinnern zählen.
Über die Autorin: Anne M. Schüller ist Management-Consultant und gilt als Expertin für Loyalitätsmarketing. Über 20 Jahre lang hat sie in leitenden Vertriebs- und Marketingpositionen internationaler Dienstleistungsunternehmen gearbeitet und dabei mehrere Auszeichnungen erhalten. Zudem gehört die Diplom-Betriebswirtin und neunfache Buchautorin zu den gefragtesten Keynote-Rednerinnen im deutschsprachigen Raum.