Das vermittelt Sicherheit und Vertrautheit, weil es auf Kontinuität und Stabilität aufbaut. Das schafft Bindung. Festigt die Beziehung zwischen Anbieter und Käufer. Weil Verlässlichkeit ein Wert an sich ist. Übrigens ist daran wenig wirklich neu: Es ist eine Art „Back to Basics“ mit denen vor Jahrzehnten Händler und große Marken mal begonnen haben. Nicht zufällig kommt der Begriff Marke von ‚markieren’, also Orientierung geben. Nur: im Laufe der Zeit hat der scharfe Verdrängungs-Wettbewerb das Marketing in die totale Komplexität gestürzt, Nischenstrategien erzwungen. Segmentationen provoziert. So kompliziert, dass einem Angst und Bang werden kann.
Wer heute zum Beispiel vor den Regalen steht und sich mit 18 Varianten eines schlichten Haarshampoos einer einzigen Marke konfrontiert sieht (also etwa 120, wenn man von sechs großen Marken ausgeht!), der weiß, wovon ich rede. Erstickt das Marketing in seinem Bemühen, es unbedingt allen recht machen zu wollen? Frisst der Trend zur zielgenauen Individualität die Economy of Scales auf? Hat etwa inzwischen jede Marken-Variante ihren eigenen persönlichen Kunden? Und führt das alles zu mehr Verwirrung denn Orientierung? Vielfalt ist eher anstrengend als hilfreich. Und bei generell nachlassender Konsumlust entsteht Frust, wenn immer und immer wieder mühselig aus der totalen Opulenz ausgewählt werden will. Also mehr Belästigung als Befreiung?
Erinnern Sie sich an den guten alten Begriff des Mode-Diktats. Da hat eine ganze Industrie noch für Orientierung gesorgt. Jedes Jahr aufs Neue und jedes Jahr total eindeutig. Und wenige konnten dem entkommen. Das mag extrem klingen, aber die Wahrheit heute ist – um mit Nina Hagen zu sprechen – „Es ist alles so schön bunt hier. Ich kann mich gar nicht entscheiden“. Und wer nimmt es den Frauen übel, wenn sie nach dem Durchwühlen von 40 Pullover-Designs in 12 verschiedenen Farben erschöpft aufgeben und sagen: „Ich denk noch mal drüber nach.“
Die Marke ist erfunden worden, um Orientierung zu geben. Orientierung – nicht immer neu verwirrende Vielfalt. Es sieht so aus, als ob viele Marken ausufern und statt präziser Empfehlung nur noch weiche Unverbindlichkeit offerieren. Sie vernachlässigen ihre Leitfunktion und lassen den Käufer immer öfter mit seiner Entscheidung allein. Ist das noch Marketing? Oder ist das schon eine dekadente Stufe einer Überfluss-Wirtschaft, die sich vor lauter Marketing-Sophistikation selbst im Wege steht ?
Man kann gespannt sein, ob sich der Trend zugunsten der Einfachen erfolgreich fortsetzt – und die Komplexen hinter sich lässt. Bleibt es kompliziert? Oder wird es wieder ganz einfach?
Über den Autor: Bernd M. Michael ist Chairman & CEO, Grey Global Group Europe, Middle East & Africa.