Fleischfans kaufen jetzt Bio und Nestlé fördert die regenerative Landwirtschaft. Wer den Fernseher einschaltet, hat wahrscheinlich noch nie so viel grünes Licht abbekommen wie heute – die Werbung ist voll von grünen Banken, grünen Versicherungen, nachhaltigen Eissorten und Öko-Heimwerkerei. Nicht zuletzt sind sogar die Wirtschaftsminister*innen endlich auch für das Klima verantwortlich. Es wird zusammengedacht, was zusammengehört. Man könnte meinen: Wir haben es geschafft! Die Nachhaltigkeit ist angekommen, wo sie hingehört. Im Alltag der Menschen. Auf den Briefing-Unterlagen der Politiker*innen. Im Tagesgeschäft der Unternehmen. Sogar in die “Bild” schafft sie es gelegentlich. Mannomann.
Komplett unterschiedliche Realitäten
Doch irgendwas ist faul. Es entsteht so ein komisches Gefühl in der Magengegend, wenn sich auf den Event-Podien wieder alle einig sind, wo doch unser Nachbar erst kürzlich an seinem Restaurant ein Schild aufgehängt hat: “Wir haben nichts gegen Grüne, sie werden bei uns nur nicht bedient.” Wie kann das sein: je nachdem, in welcher Lebenswelt man sich bewegt, scheinen komplett unterschiedliche Realitäten zu existieren – Zustimmung zur Notwendigkeit einer “grünen Transformation” in der einen Welt, Ablehnung jeglicher Erwähnung von Nachhaltigkeit in der anderen?
Für uns sieht es so aus, als könnte man mit dem Thema vor allem diejenigen erreichen, die schon längst in die gleiche Richtung laufen. Nicht alle auf demselben Weg, klar, wir wissen ja, viele Wege führen nach Rom, bla bla. Aber kann bitte mal jemand erklären, warum wir trotzdem alle fröhlich weiter auf offene Türen eintreten, obwohl wir genau wissen, was wir da tun? So schön ist dieses gegenseitige Schulterklopfen nun auch wieder nicht.
Weiter über Nachhaltigkeit reden
Sollten wir daher vielleicht lieber komplett aufhören, den Begriff Nachhaltigkeit zu verwenden? Um diejenigen zu erreichen, die es eigentlich hören müssen? Um deutlich zu machen, dass es längst nicht mehr ums gute Leben geht, sondern ums Überleben? Nicht um schöne Nachhaltigkeitsberichte, sondern darum, ob bestimmte Unternehmen (und wir als Menschheit) überhaupt noch zukunftsfähig sind? Nicht ums Grün, sondern ums schwarz auf weiß – um die Fakten und das, was wir daraus machen?
Doch ein neuer Begriff für das Gleiche wird uns dabei sicherlich nicht viel weiterhelfen. Wichtiger als die richtigen Worte sind die Orte, an denen wir darüber sprechen, die Menschen, mit denen wir darüber sprechen und vor allem die Art und Weise, wie wir darüber sprechen: Sachlich und doch emotional, aber nicht moralisierend. Niemand ist in dieser Sache besser oder schlechter als die anderen. Nur, wenn wir zusammen gehen, erreichen wir unser Ziel. Daher: Die Nachhaltigkeit ist tot, es lebe die Nachhaltigkeit! Denn sie legt uns zwar so einige Steine in den Weg, doch ohne sie läuft hier rein gar nichts. Zumindest nicht in die richtige Richtung.