Seit einigen Monaten haben viele Unternehmen ein neues Teammitglied. Doch es ist kein Mensch, der da tatkräftig mithilft. Es ist eine generative KI. Die Zusammenarbeit ist nicht immer einfach. Die KI weiß oft nicht, was Kolleg*innen von ihr wollen. Um das zu verbessern, gibt es inzwischen vielerorts Spezialist*innen. Sie sorgen für die notwendige Übersetzung.
Manuela Hennig ist eine von ihnen. Sie ist Prompt Engineer bei Neuroflash, einem Anbieter von generativer KI. Hennig optimiert Prompts, also Anweisungen für generative KI. Wer bereits mit ChatGPT und Co. gearbeitet hat, weiß: Ein Prompt ist mehr als nur ein Satz. Nutzer*innen gehen oft davon aus, gewisse Details würden sich aus dem Kontext ergeben. Doch gerade den erkennt die KI nicht. Schließlich ist sie kein Mensch. Ein Prompt in seiner Gänze muss daher alles mitliefern, gerade die Selbstverständlichkeiten.
Den einen Schlüssel zum perfekten Prompt gibt es nicht. „Wichtig ist, dass er präzise ist“, sagt Hennig. Im Prompt Engineering arbeiten daher oftmals Personen, die zuvor als Texter*innen tätig waren. Der geschickte Einsatz von Sprache ist schließlich keine neue Kompetenz. Doch mit den technischen Details von Sprachmodellen wie ChatGPT oder Bildgeneratoren wie Stable Diffusion müssen sich die Menschen erst vertraut machen. Dazu gehört auch, die KI direkt um einen anderen Stil oder ein anderes Format zu bitten.
Prompten wie die Profis
Prompt Engineering ist also alles andere als einfach. Gleichzeitig basteln die Maschinenflüsterer an einem wichtigen Hebel: Generative KI soll die Produktivität in einigen Branchen steigern – heute wie in Zukunft. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Studie des Beratungsunternehmens McKinsey. Die Autor*innen prognostizieren Produktivitätssteigerungen von 10 bis 40 Prozent durch den Einsatz von generativer KI. Besonders hohes Potenzial sehen sie bei hochqualifizierten und komplexen Berufen.
Damit das gelingt, braucht es aber genug qualifiziertes Personal. Im März machte ein Stellenangebot aus den USA die Runde, das mit 300.000 Dollar jährlich dotiert war. Den Durchschnitt bildet das wohl nicht ab. Und manche Unternehmen dürften viel lieber auf die Kompetenzen ihrer Angestellten setzen. Doch auch in Deutschland suchen Unternehmen nach Expert*innen in Sachen generative KI.
„Prompt Engineers sind alles experimentierfreudige Menschen, und die möchte ich sowieso im Team haben.“
Christoph C. Cemper, Gründer von AIPRM
So holte die PR-Agentur Palmer Hargreaves im April zwei Expert*innen als Prompt Engineers an Bord. Dahinter steht eine branchenübergreifende Entwicklung, die noch in ihren Anfängen steckt: Laut der Employer-Branding-Beratung Index gab es zwischen Juni 2022 und Januar 2023 keine einzige ausgeschriebene Stelle für Prompt Engineering. Seit Februar 2023 hat das Unternehmen immerhin 34 solcher Stellen identifiziert. Berücksichtigt hat Index dabei 200 Printmedien, 271 Onlinebörsen, 657.406 Firmenwebsites sowie das Stellenportal der Bundesagentur für Arbeit. Das zeigt: Prompt Engineering ist im Kommen.
Neue Tools erleichtern Prompt Engineering
Darüber hinaus etablieren sich bereits Marktplätze. Einzelpersonen bieten online ihre Prompts feil. Manche posten „unschlagbare Prompt-Listen“. Der Marktplatz PromptBase beispielsweise lockt mit Millionen von kaufbaren Einzelprompts. „Das ist kein gutes Business-Modell“, denkt sich Christoph C. Cemper im Januar 2023 – und paar Tage später geht ein neuer Marktplatz online: AIPRM.
AIPRM steht für Artificial Intelligence Prompt Marketplace. Doch konträr zu anderen Marktplätzen gibt es dort keine einzelnen Prompts zu kaufen. Das Tool ist kostenlos und läuft als Browser Extension für ChatGPT. Verfügbar sind dann Prompt-Vorlagen mit Variablen. Die erstellt eine Community von inzwischen 1,7 Millionen wöchentlichen Nutzer*innen. Im Alleingang Prompt für Prompt zu testen, wirkt im Gegensatz dazu archaisch.
Sechs Monate nach dem Launch der Plattform kommen regelmäßig neue Features hinzu. Cemper spricht von einem „Ökosystem“. Doch selbst dort bleiben die Herausforderungen nicht aus. Immerhin ist AIPRM von den Neuerungen bei OpenAI abhängig. „Das ist durchaus ein Katz-und-Maus-Spiel“, wie der Gründer im Gespräch erklärt. Zudem ist der dauerhafte Erfolg eines einzelnen Prompts nicht garantiert. Manche Prompts funktionieren zwar gut auf älteren Sprachmodellen, für neue Modelle brauchen sie eine Korrektur.
Zudem soll AIPRM künftig noch andere Entwicklungen aufgreifen, so zum Beispiel die Audio- und Videogenerierung. Die Lösung könnten hier Plug-ins sein, so Cemper. Diese zu nutzen, ist bisher aber komplex. „Ich sehe für AIPRM die Aufgabe, dass wir die guten Plug-ins heraussuchen, die Prompts dafür bauen und sie unseren Usern auf den Silbertablett servieren“, sagt er.
Prompt Engineering: gekommen, um zu bleiben?
Wenn alles in Plattformen wie AIPRM verfügbar ist, braucht es dann noch Prompt Engineers? Ja. Denn sie erstellen die Templates, also die Design- und Layoutvorlagen. Doch auf Dauer nehmen Tools wie AIPRM den Prompt Engineers viel ihrer Arbeit ab. „Was wir heute Prompt Engineering nennen, wird zu einer Art Allgemeinbildung werden, mit Spezialist*innen für komplexere Themen. Aber es wird nicht weggehen“, ist Cemper überzeugt. Ihm zufolge steht den heutigen Prompt Engineers garantiert keine Arbeitslosigkeit bevor. Er vergleicht die Entwicklung mit der frühen SEO-Szene. „Das sind alles experimentierfreudige Menschen, und die möchte ich sowieso im Team haben.“
So verändert sich Prompt Engineering rasend schnell. Das liegt nicht nur am hohen Tempo, mit dem die Entwickler von ChatGPT und Co. voranpreschen. Tools wie AIPRM tragen ebenfalls dazu bei. Letztlich greifen auch die Maschinenflüsterer zunehmend zu solchen nützlichen Werkzeugen. Denn egal, wie fortgeschritten sie arbeiten: Generative KI zu nutzen, bedeutet, Brücken zu schlagen. Und von Hand lassen die sich nicht mehr bauen.