Genauso unvorstellbar wäre es gewesen, wenn man etwa vor 70, 60 oder 50 Jahren die Insolvenz von Sears vorhergesagt hätte. 1886, als Sears Watch Company gegründet war Sears über Jahrzehnte eine amerikanische Einkaufs- und Handelsikone. Bereits 1887 erschien das erste Mal der Sears Versandkatalog. Später verlagerte Sears den Fokus in Richtung stationärer Handel, eröffnete in den USA große Läden in Einkaufszentren und wurde so bis in die 1980er Jahre zum größten Einzelhändler Amerikas. In den besten Jahren erwirtschaftete das Unternehmen ein Prozent der Gesamtwirtschaftsleistung der USA.
Nur mit dem Aufstieg von neuen Geschäftsmodellen im Handel, allen voran zuerst durch Walmart und Target in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und dann durch den immer stärker werdenden Online-Handel zu Beginn des 21. Jahrhunderts geriet das Geschäftsmodell von Sears immer mehr unter Druck. So fusionierten die Einzelhändler Sears und Kmart 2005 ihre beiden alten Geschäftsmodelle, um sich gemeinsam gegen den Abwärtstrend und vor allem auch gegen den zunehmenden Internethandel zu stellen. (Wobei sich heute die Frage stellt, ob diese Fusion den Weg in die Insolvenz verzögert oder unter Umständen sogar beschleunigt hat?)
Der Altar der Vergangenheit
Aus dieser Warte betrachtet, wird es auch spannend, ob die Fusion von Karstadt und Kaufhof wirklich eine echte Zukunft bietet oder den Überlebenskampf nur verlängert. Beide sind ähnlich wie Sears und Kmart große Markennamen, aber gleichzeitig auch Vertreter alter Geschäftsmodelle in der Wahrnehmung der Kunden.
So zeigt die Geschichte immer wieder, dass Unternehmen und auch Investoren enorm viele Ressourcen und enorm viel Zeit in die Rettung von alten Geschäftsmodellen und Marken investieren. Nur stellt sich dabei immer wieder die Frage, ob diese Ressourcen und diese Zeit nicht besser eingesetzt wären, wenn man damit neue Geschäftsmodelle und Marken erschaffen würde. Nicht umsonst meinte einst Managementlegende Peter Drucker, dass viele Unternehmen ihre Zukunft auf dem Altar der Vergangenheit opfern würden.
Toys“R“Us, Otto-Katalog, Lindenstraße, Cebit und Amazon
Speziell das Internet ist zu einem echten Katalysator für neue Geschäftsmodelle geworden, die alte Geschäftsmodelle in Frage stellen und damit auch die Konsumgewohnheiten von Kunden verändern. Noch Mitte der 1990er Jahre wurde Toys“R“Us als Benchmark bei den sogenannten Category-Killers „gefeiert“. Dieses Jahr musste man in den USA endgültig aufgeben. Hierzulande mussten wir uns 2018 vom Otto-Katalog verabschieden. In der Fernsehwelt wurde die Einstellung der Kultserie Lindenstraße angekündigt. Zudem muss die deutsche Messelandschaft zukünftig auf die einstige Vorzeigemesse Cebit verzichten.
Und Amazon-Gründer Jeff Bezos ließ am 16. November dieses Jahres mit folgender Aussage aufhorchen: „Amazon is not too big to fail…In fact, I predict one day Amazon will fail. Amazon will go bankrupt.” Das mag stimmen. Das Geschäftsmodell und die Marke Amazon mögen ein Ablaufdatum haben. Das Unternehmen Amazon mag länger leben, wenn es Bezos oder seinen Nachfolgern gelingt, neben Amazon in neue Geschäftsmodelle und Marken zu investieren. Oder anders gefragt: Wie würde die Sears Holding heute dastehen, wenn man statt oder neben Kmart auch Amazon besitzen würde?