Wie wären die üblichen Reaktionen gewesen, um (mit Gewalt) aus diesem Nischendasein auszubrechen? Hier die drei üblichen Verdächtigen:
● Antwort 1: Man hätte ein neues großangelegtes Corporate-Branding-Programm starten können, um die Marke ganzheitlich neu auszurichten.
● Antwort 2: Man hätte eine große Produktoffensive mit vielen neuen Apple-Produkten starten können.
● Antwort 3: Man hätte eine Werbeoffensive am besten mit einer neuen Werbeagentur lancieren können, um so mit der einen großen Kampagne alles zu ändern. Oder aber man hätte natürlich auch alle drei Maßnahmen miteinander verbinden können. Genauso reagieren die meisten Unternehmen, wenn man die Marke wieder aufpolieren will. (Manche denken jetzt vielleicht an Nokia, Opel oder Karstadt.)
Anders Steve Jobs: Er fokussierte die Kräfte von Apple auf ein total neues eigenständiges Leadprodukt, dem er zusätzlich noch einen total neuen eigenständigen Namen gab, nämlich auf den iPod. So war der iPod 2001 der erste MP3-Player mit Harddisc, eingeführt mit dem brillanten Thema „Put a thousend songs in your pocket“. Der iPod wurde nicht nur ein sensationeller Markterfolg und Weltmarktführer bei MP3-Playern. Sein Erfolg strahlte auch positiv auf Apple retour und wurde die Basis für iPhone und iPad. In nur zehn Jahren veränderte Apple so global drei Produktkategorien und schuf drei neue Marken und drei neue Weltmarktführer.
Abschied von der Klein-Klein-Markenbastelei
Kein Wunder, dass Steve Jobs zurzeit (auch nach seinem Tod) sicher in Marken- und Marketingkreisen die meistbewundertste Person ist und auch noch länger sein wird. Nur seine Markenlektion ist nicht angekommen und wird wahrscheinlich nie ankommen. Denn in den meisten Unternehmen liegt der Fokus aller Aktivitäten immer noch auf dem „Melken“ der bestehenden Marken. An diesen wird im Auftrag des Wachstums ständig „herumgebastelt“. Das Hauptargument für diese Basteltätigkeit lautet: Es ist zu teuer, neue Marken zu bauen. Also wird die bestehende Marke Jahr für Jahr um ein paar neue Varianten erweitert, es wird ständig an der Werbelinie gearbeitet und man dreht fleißig weiter am Thema „Preispromotion“. Das Ergebnis in den meisten Fällen: Immer breitere Marken, die schleichend an Profil und Ertragskraft verlieren. So haben wir heute in vielen Branchen in der Mitte des Markts Umsatzgiganten, die gleichzeitig Renditezwerge sind.
Die Denkbarriere durchbrechen
Das wirklich Schlimme daran aber ist, dass die meisten so in diesem „gelernten“ Denken gefangen sind, dass man das Bauen neuer Marken nicht einmal mehr vage in Erwägung zieht. Nur genau dort liegen die größten Chancen. So sind es in der Regel dann auch Unternehmer, die oft Märkte mit ihren Innovationen und dem richtigen Branding auf den Kopf stellen wie etwa Ryanair, Geox, Amazon, Google, Facebook, Bionade, Wagner Pizza oder auch Spotify. Bevor Sie also auch 2012 die Markenbastel-Maßnahmen wie immer beschließen und fortsetzen, sollten Sie sich selbst „Steve Jobs, Steve Jobs, Steve Jobs“ zuflüstern, um das „Unmögliche“ wenigstens einmal anzudenken.
Über den Autor: Markenstratege Michael Brandtner ist der Spezialist für strategische Marken- und Unternehmenspositionierung in Rohrbach, OÖ und Associate im Beraternetzwerk von Al Ries. Er ist Autor des Buchs „Brandtner on Branding“. Sein Markenblog lautet: www.brandtneronbranding.com