Die Unternehmensberater von Deloitte haben eine Landkarte der Disruptionswahrscheinlichkeiten gezeichnet. Links unten sind die Branchen verzeichnet, die kurzfristig einen kleineren Wandel erfahren. Dazu gehört zum Beispiel die Baubranche. Rechts oben hingegen befinden sich Unternehmen, die langfristig einer starken Veränderung ausgesetzt sind. Und hier stehen ganz oben die Hersteller von Verbrauchsgütern. Der Wettbewerb war niemals härter, der Marktzugang niemals einfacher. Wer sich nicht wandelt, der stirbt.
Und das hat auch damit zu tun, dass die Kundenloyalität sinkt. Ein Markenerlebnis, dass von einem Kauf zum anderen oder über Kanäle hinweg inkonsistent ist, beschädigt nachhaltig das Markenbild, meinen die Marktforscher von Forrester.
Kein Nischenschutz
Nun würde man den luxemburgischen Kosmetikproduzenten L’Occitane vermutlich nicht unter den ersten Opfern der Disruption sehen. Man operiert in einem stark wachsenden Markt – allein in Deutschland werden dieses Jahr rund 14,5 Mrd. Euro umgesetzt – und ist selbst profitabel unterwegs. Für 2017 erwartet das Unternehmen einen Umsatz von 1,4 Mrd. und einen Gewinn nach Steuern von 130 Millionen. Dennoch sieht man sich in Frankreich herausgefordert und das ist offensichtlich ein gutes Zeichen für eine umsichtige Unternehmensführung. Die Marke L’Occitane lebt stark vom Wiederkäufer. Also eben dem loyalen Kunden, von denen es immer weniger gibt. Also muss man einerseits die Loyalität der bestehenden Kunden mindestens halten und gleichzeitig muss man Strukturen aufbauen, die in der Lage sind, schnell neue Kunden zu generieren. Am besten online und ohne teure Vertriebsstufe in der Mitte. „Alles beginnt mit guten Kundendaten“, erläutert Timo Kohlberg. Der Münchner ist Produkt Marketing Manager bei Adobe und unterstützt L’Occitane bei der Einführung der Personalisierung und Automatisierung. “Oft werden in Unternehmen die Daten gar nicht zusammengeführt, um bessere Nutzerprofile zu entwickeln“.
Bei L’Occitane begann man mit der Harmonisierung der bestehenden Datenbanken und dem Ausbau des CRMs. Gleichzeitig wurde eine Begrüßungsstrecke entworfen, die dazu geeignet sein sollte, die User möglichst früh in eine Registrierung zu überführen und damit zu beginnen, ein Profil aufzubauen.
Kundenbindung durch Content
Die Trigger zur Registrierung sind natürlich exklusive Produktankündigungen und frühzeitiger Zugang zu Sales-Aktionen. „Bei der Registrierung kann der Nutzer bereits seine Daten eingeben, muss aber nicht“, erläutert Kohlberg. Er weiß genau, dass das Abfragen von zu vielen Daten die User verschrecken und die Conversions senken könnte.
Im Gegenteil: Um die Werthaltigkeit der Anmeldung zu zeigen, steckt schon in der ersten, vollautomatischen Begrüßungsmail ein Sonderangebot. Dadurch will L’Occitane den Newsletter im Bewusstsein der Kunden positiv verankern, selbst wenn das Angebot nicht unmittelbar genutzt wird. In diesem Fall gibt es nach 21 Tagen eine Nachfass-E-Mail, die an das Sonderangebot erinnert. Und tatsächlich generierte die neue Begrüßungsstrecke aus dem Stand 20 Prozent mehr Zweitkäufe. Das direkte Verkaufen ist aber nur eine Facette der Anforderungen an das CRM. Darüber hinaus soll den Kunden die Nachhaltigkeit der Marke, der einzelnen Produkte und des Unternehmens insgesamt näher gebracht werden. Hierdurch hofft man, die Loyalität der Kunden eben doch halten zu können.
Die Wichtigkeit der Nutzerinhalte
Der Gründer des Unternehmens Olivier Baussan ließ sich von der Vielfalt der Kräuter und Gewürze in der Provence inspirieren. Noch heute trägt das Unternehmen „en Provence“ als Zusatz im Namen. Die Storys rund um die malerische südfranzösische Landschaft wird in tollen Bildern und verspielten Geschichten erzählt. Es geht um Sinnlichkeit, Lebensart, Lavendel. Die Content-Stücke werden automatisch in den Mails ergänzt. Zum Content-Marketing-Konzept gehören übrigens auch Nutzerinhalte. Eine der wichtigsten Mängel in der bisherigen Kommunikation von L’Occitane war das Fehlen von Bewertungen. Nur vereinzelt tröpfelten Reviews auf der Website ein.
Und auch die entsprechende After-Sales-E-Mail ließ sich einfach automatisieren. Inzwischen hat sich das Volumen der Bewertungen verzehnfacht und die meisten von Ihnen sind ebenso gefühlvoll, fast poetisch formuliert, wie der Website- und Newsletter-Content. Einige der Bewertungen beinhalten handfeste Produktverbesserungen.
Closed Loop
Die Optimierung der Beziehung zu bestehenden Kunden oder die Umwandlung von Interessenten in Käufer ist im ersten Schritt abgeschlossen. Aktuell schaut L’Occitane auf die langfristige Kunden Beziehung. Man hat durchschnittliche Produktlebenszyklen erhoben und hat damit beginnen, so genannte Replenishment-Mails zu verschicken, die den Kunden an das Wiederauffüllen der Vorräte erinnern soll. Die personalisierten E-Mails enthalten nicht nur die Hinweise auf die bereits gekauften und wieder aufzufüllenden Produkte sondern es werden auch passende Empfehlungen abgegeben. Außerdem erhält der Kunde einen personalisierten Voucher. „Es wäre deutlich teurer, einen Neukunden gewinnen zu wollen, da kann L’Occitane einen Teil der Ersparnis in einen Rabatt investieren“, erklärt Timo Kohlberg.
Aktuell wird gerade der Point of Sale in die Datenerfassung aber auch in die Personalisierung mit einbezogen. Die Verkäuferinnen in den eigenen Läden werden mit Tablets mit einem sehr einfach zu nutzenden CRM- und Sales-Programm ausgestattet. Sie können – wenn der Kunde das gestattet – auf die Bestellhistorie zugreifen und Empfehlungen aussprechen. Oder die Mitarbeiter sammeln weitere Daten und fügen sie dem Profil zu. Als Bindeglied fungiert ganz klassische eine Kundenkarte. Auf dieser Grundlage macht sich das Unternehmen gerade auch Gedanken über die Sinnhaftigkeit von Abo-Modellen. Unterm Strich hat man innerhalb der Digitalkampagnen die Umsätze um satte 40 Prozent steigern können, hat die Kauffrequenz bei Mehrfachkäufern um 18,5 Prozent erhöht und erzielt inzwischen eine viermal so hohe Konversionsrate bei den E-Mail-Kampagnen. „Die größte Herausforderung im Projekt war tatsächlich der globale Rollout“, sagt Kohlberg. „Wir glauben fest daran, dass es trotz der effizienten Zentralisierung immer einer lokalen Komponente bedarf. Die Märkte und Kunden sind zu unterschiedlich. Bei manchen Branchen geht das bis zur Zuspitzung auf einzelne Händler“.
Timo Kohlberg spricht am 8. Februar auf dem Kongress OnlineHandel in Berlin. Weitere Speaker sind Andreas Bartmann (Globetrotter), Fabian Stich (MyDays) oder Jürgen Bock (OTTO). Wenn Sie selbst am Kongress teilnehmen wollen, nutzen Sie den Rabattcode: M-ONH17-M5, und sparen Sie als Absatzwirtschaft-Leser 20 Prozent vom Ticketpreis. Das Angebot gilt freilich nicht für Teilnehmer, die bereits gebucht haben.