Die Geschichte hinter dem Markennamen Pritt 

Was der erfolgreichste Klebestift der Welt mit Lippenkosmetik und Lieblingsbonbons zu tun hat, erklärt unser Kolumnist Bernd M. Samland in seiner neuesten Markengeschichte.
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Erfolg schreibt man bei Henkel nicht mit "E", sondern mit "P". (© Henkel, Montage: Olaf Heß)

Dass Henkel überhaupt Klebstoffe herstellt, hat das Unternehmen einer Notsituation zu verdanken. Als es nach dem Ersten Weltkrieg aufgrund fehlenden Klebers Lieferprobleme bei Verpackungsmaterial für andere Henkel-Produkte gibt, beginnt man in Düsseldorf, selbst Klebstoffe zu entwickeln. Daraus entsteht in der Folge ein eigener Geschäftsbereich mit sehr erfolgreichen Produkten wie dem Metylan-Tapetenkleister, dem Ceresit-Fliesenkleber und nicht zuletzt dem Pattex-Sekundenkleber. 

Geburtsstunde des Pritt Stifts

Im Bastelunterricht der 60er Jahre, als die Babyboomer-Generation die Schulbank drückt, hat der Tubenkleber Uhu beinahe ein Monopol. Danach gehen die Kinder allerdings oft mit Klebstoff an den Händen und manchmal auch an der Kleidung nach Hause. Henkel stellt seinen Entwicklern daher eine Aufgabe: Sie sollen den eigenen Kleber für Papier und Pappe sauberer und einfacher machen.  

Das Ergebnis ist revolutionär, wenngleich das technische Prinzip von einer anderen Branche kopiert wird, nämlich vom Lippenstift: So kommt es 1969 zur Geburt des weltweit ersten herausdrehbaren Klebestifts, der nur noch einen passenden Namen braucht. Eine sympathische Anekdote besagt, dass ein Entwicklungsingenieur in der Erprobungsphase einen Klebestift mit nach Hause nimmt und ihn von seinem neunjährigen Sohn testen lässt. Der findet den Stift prima und fragt nach dessen Namen. Als er erfährt, dass es noch keinen gibt, soll er gesagt haben: „Dann müsst ihr euch noch einen ausdenken. Der muss aber so gut sein wie Prickel Pit, nur vielleicht kürzer.“ „Prickel Pit“ heißen nämlich seine Lieblingsbonbons.  

Ob der Name wirklich so entstanden ist, wissen wir nicht, aber wie dem auch sei: Pritt ist ein hervorragender Name für einen schnell anwendbaren Kleber. Er passt zudem zu Henkel, wo schon viele erfolgreiche Produkte einen „P-Namen“ tragen: Persil war das erste, es folgten Perwoll, Pril und Pattex.  

Dabei ist es von Vorteil, dass Pritt genau wie Pattex keinerlei semantische Bedeutung hat, bevor es zur Marke wird. Pritt wirkt phonetisch-assoziativ, symbolisiert Stärke und Unkompliziertheit und ist sprachunabhängig international einsetzbar. Das macht den Namen dann auch schnell zum Synonym für alle Arten von Klebestiften, einschließlich derer von anderen Marken. Das kann zwar markenrechtliche Konflikte zur Folge haben, ist aber letztendlich ein Luxusproblem. 

Neue Rezeptur

Der Klebstoff im Pritt-Stift enthält seit dem Jahr 2011 im Wesentlichen Kartoffelstärke, Zucker, Wasser und Seife. Die davor verwendeten erdölbasierten Bestandteile ersetzt Henkel weitgehend durch natürliche Inhaltsstoffe. Daher ist der auch lösungsmittel- und PVC-freie Klebestoff mittlerweile noch besser für Kinder geeignet. Er entspricht der Europäischen Spielzeugrichtlinie und Klebstoffreste auf Textilien lassen sich leicht auswaschen. 

Weltweit verkauft Henkel mehr als 100 Millionen Pritt-Klebestifte pro Jahr. Inzwischen gibt es unter der Marke Pritt unter anderem auch Alleskleber, Korrekturroller und Klebepads. Trotzdem wird der Name weiterhin in erster Linie als Synonym für den drehbaren Klebestift stehen. 

Dr. Bernd M. Samland ist Gründungsgeschäftsführer von Endmark und verantwortet seit 30 Jahren die Entwicklung von mehr als 2000 Markennamen. Er ist Fachbuchautor sowie Lehrbeauftragter und Gastdozent an mehreren deutschen und österreichischen Hochschulen. Sein Buch zur Kolumne titelt „Warum heißt die Marke so“ und ist mit einhundert der besten Storys zu bekannten Markennamen bei Heel / dfv erschienen.