Es begann 1906, als der Ingenieur August Eberstein – inspiriert durch einen Aufenthalt in den USA – anfing, in Berlin Füllfederhalter zu produzieren. Man muss dabei bedenken, dass Füllfederhalter zu jener Zeit noch selten waren, oft tropften und schmierten. Obwohl die ersten Patente bereits Mitte des 19. Jahrhunderts erteilt wurden, waren viele Produkte nicht ausgereift. Die einfache Bevölkerung schrieb mit Bleistift; Kaufleute, Beamte und alle anderen benutzten Schreibgriffel zum Eintauchen in ein Tintenfass.
Eberstein wollte schnell wachsen, dafür brauchte er Partner und Finanziers. Ihm gelang es, den Hamburger Unternehmer Johannes Voß und dessen Nachbarn Max Koch mit ins Boot zu holen. Voß überredete Eberstein, nach Hamburg zu übersiedeln, einer Stadt mit vielen Kontoren, daher mit viel Schreibbedarf und nicht zuletzt ein guter Ausgangspunkt für den Export. 1907 gründeten sie gemeinsam in der Hansestadt die Firma „Simplo Filler Pen Co. Max Koch“. Der Name „Simplo“ stammt von Eberstein, der damit das Thema „Einfachheit“ in den Mittelpunkt stellte.
Montblanc überzeugte mit klugem Design
1909 war ein Jahr des Umbruchs: Eberstein und Koch schieden nach Unstimmigkeiten aus. Dem verbliebenen Johannes Voß gelang es schnell, neue Mitarbeiter und Geldgeber zu finden, und er beschloss 1910, ein Premiumprodukt unter dem – wahrscheinlich von ihm selbst gewählten – Namen „Montblanc“ mit einem weißen Kopf auf der Verschlusskappe auf den Markt zu bringen. Dieser Füllhalter wurde zum Renner, sodass es bald Nachahmer gab; denn in Deutschland ließ sich die weiß bekopfte Verschlusskappe nicht schützen.
Daher entwickelten kluge Designer bei Montblanc den „weißen Stern“, dessen sechs runde Ausbuchtungen die sechs Täler des Mont-Blanc-Massivs symbolisieren sollen. Dieser Stern wurde 1913 erfolgreich als Schutzmarke eingetragen. 1924 startete unter der Submarke „Meisterstück“ die hochwertigste Produktlinie der Marke Montblanc. Diese machte Montblanc in der ganzen Welt bekannt und war so erfolgreich, dass das Unternehmen zehn Jahre später in „Montblanc-Simplo GmbH“ umbenannt wurde. Diese Firma besteht bis heute und hält die meisten Markenrechte.
Nach dem Zweiten Weltkrieg ging die weltweite Expansion weiter, bei der vor allem eine damals erfolgreiche Marketingstrategie zur Anwendung kam, die heute so nicht mehr funktionieren würde: In der „Vor-Compliance-Zeit“ wurden Montblanc-Federhalter gerne an Prominente verschenkt, ähnlich wie es auch Rolex mit Uhren tat. So kam es, dass beispielsweise Politiker wie John F. Kennedy und Charles de Gaulle damit auch vor laufenden Kameras wichtige Verträge unterzeichneten. Auch war es bei Staatsbesuchen üblich, Gastgeschenke mitzubringen. Dafür eigneten sich die noblen und durch Gravuren leicht individualisierbaren Füllfederhalter hervorragend.
Viele halten Montblanc für eine französische, italienische oder Schweizer Marke, also aus den Anrainerstaaten des Mont-Blanc-Massivs. Das ist der deutschen Marke – die 1977 von der britischen Dunhill-Gruppe erworben wurde und seit 1993 tatsächlich zum Schweizer Luxusgüterkonzern Richemont gehört – gar nicht so unrecht. Zwar verschleiert die originär Hamburger Marke ihre Herkunft nicht, aber ihre Vertreter sollen zum Beispiel schon mal eine Einladung der deutsch-japanischen Handelskammer in Tokio bewusst nicht angenommen haben, um in Japan nicht als deutsche Marke wahrgenommen zu werden. Das ist eine leichte Form des „Kuckucksmarketings“.
Damit beschreibt man Marken, die sich eine andere kulturelle Identität zulegen als die ihrer tatsächlichen Herkunft. Das kennen wir von Marken wie Häagen-Dazs (US-amerikanisch > dänisch) oder Bruno Banani (deutsch > italienisch). Zwar gibt es auch in Hamburg eine Montblanc Boutique, aber der schönste Store hat die Adresse: 152 Avenue des Champs-Élysées, Paris 75008.
Montblanc erweitert die Produktlinie
Natürlich ging der Siegeszug des Kugelschreibers auch nicht spurlos an der Marke vorbei. Dafür bietet Montblanc seit den 1990er-Jahren auch weitere Luxusartikel wie Lederwaren und Uhren sowie in Lizenz Parfüm und Sonnenbrillen an. Obwohl der Name Montblanc schon 1910 als Wortmarke in Deutschland für Schreibwaren registriert wurde, ist er nicht auf allen Märkten und für alle aktuellen Produkte uneingeschränkt schutzfähig, und der Begriff „Meisterstück“ ist gar nicht monopolisierbar. Dafür werden die Bildmarke des weißen Rundeckensterns und sogar die auf die Schreibfeder eingravierte Zahl 4810 als Wortmarke strikt überwacht. Ähnlich wie der Erfolg der Marke schwankt auch die exakte Höhe des Mont Blanc (abhängig von der Dicke der Firnschicht) auf hohem Niveau, beim Berg konkret zwischen 4808 und 4811 Metern.