Die Geschichte hinter dem Markennamen Condor 

Über eine Marke mit großer Spannweite und Wiederauferstehungspotenzial – und was Dr. Oetker mit ihr zu tun hat.
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Die Fluggesellschaft Condor konnte durch alle Krisen ihren Bekanntheitsgrad aufrechterhalten. (© Condor, Montage Olaf Heß)

Nach heutigen Cancel-Culture-Gesichtspunkten war es ganz schön mutig, 1957 einer deutschen Fluggesellschaft den Namen des nach Spannweite größten Vogels der Welt zu geben und damit auch nach Spanien zu fliegen. War es doch erst 20 Jahre her, dass Hitlers „Legion Condor“ Guernica in Schutt und Asche legte. Allerdings hatte der Name auch schon vor seinem militärischen Missbrauch Tradition in der deutschen Luftfahrt. Bereits 1927 gab es eine brasilianische Tochtergesellschaft der Lufthansa mit dem Namen „Syndicato Condor Ltda.“. Von daher war es nicht abwegig, dass der Oetker-Konzern seiner kleinen Luftflotte den Namen „Condor Luftreederei“ gab. 

Ein Jahr zuvor, kurz nachdem Deutschland wieder eigene Fluggesellschaften erlaubt waren, gründeten die Deutsche Lufthansa, der Norddeutsche Lloyd, die Hamburg-Amerika-Line und die Deutsche Bundesbahn gemeinsam die „Deutsche Flugdienst GmbH“. Das war die erste maßgebliche deutsche Charterfluggesellschaft, die bereits 1956 Ferienflüge nach Teneriffa durchführte. Der erste Charterflug war übrigens eine Pilgerreise ins Heilige Land. 1959 übernahm die Lufthansa 95,5 Prozent des Kapitals der Gesellschaft. Zwei Jahre später, 1961, kaufte die Deutsche Flugdienst GmbH Oetker die Condor Luftreederei ab, nicht zuletzt auch, um an die Namensrechte der alten Lufthansa-Marke „Condor“ zu gelangen, und nannte sich ab dem 1. November 1961 „Condor Flugdienst GmbH“. 

Aufstieg in den Wirtschaftswunderjahren 

Mit der Reiselust der Deutschen in den Wirtschaftswunderjahren begann auch die Ferienfliegerei zu boomen. Der Condor Flugdienst stieg schnell zur Nummer Eins auf, erweiterte ständig seine Flotte und seine Flugziele und akquirierte eine Reihe weiterer Chartergesellschaften. Auf vielen Feldern war Condor Vorreiter. Er war der erste Ferienflieger, der eine Boeing 747 erwarb (1971), der erste mit einer eigenen Business Class (1991) und einer der ersten, der Flugzeuge als Kunstwerke bemalen ließ; in dem Fall durch den amerikanischen Künstler James Rizzi. Der gestaltete anlässlich des 40-jährigen Firmenjubiläums (1996) eine Boeing 757-200 zum „Rizzi Bird“ um. Nach der Wende gab es auch kurzfristig Pläne, den Condor Flugdienst mit der ehemaligen DDR-Fluggesellschaft Interflug zur „InterCondor“ zu verschmelzen, was dann aber mangels Interflug-Substanz verworfen wurde. 

Ab Ende der 90er Jahre begannen vielfältige Gesellschafter-Planspiele, tatsächliche Gesellschafterwechsel und Übernahmen, deren Detaildarstellung den Rahmen dieses Artikels sprengen würden. Die Player waren unter anderem Karstadt, Öger Tours, Kreutzer Touristik, Sunexpress, Air Berlin und nicht zuletzt Thomas Cook. 2002 schaffte Thomas Cook die Marke Condor faktisch ab und überführte sie in die eigene Marke. Die mehr als 50 Flugzeuge wurden umlackiert und mit dem Schriftzug sowie dem Logo von Thomas Cook versehen.  

Vorübergehend sollte die Marke „Thomas Cook powered by Condor“ heißen. Dieses Re-Naming war ein fataler markenstrategischer Fehler. Die Kunden in Deutschland nahmen den neuen Namen einfach nicht an. Die Nachfrage brach dermaßen ein, dass Thomas Cook sich gezwungen sah, nach zwei Jahren den Namen „Condor Flugdienst“ wiederzubeleben. Beim Design wurde eine Mixstrategie praktiziert: Der Schriftzug auf den Flugzeugen hieß wieder Condor, aber auf dem Leitwerk blieb zunächst das Thomas-Cook-Logo. Auch die Farbgebung blieb bei Blau-Weiß gegenüber dem früheren Gelb-Weiß. 

Corona lässt Condor-Flugzahlen einbrechen 

Alles änderte sich, als Thomas Cook 2019 Insolvenz anmelden musste. Davon war der – an sich profitable – Condor Flugdienst auch betroffen. Condor erhielt Staatshilfe in Form eines KfW-Darlehens von 380 Millionen Euro. Eine Übernahme bereitete die Polska Grupa Lotnicza (PLG) zwar vor, sie kam aber aufgrund der Flugzahlen-Einbrüche während der Coronazeit nicht zustande. 

Im April 2020 erhielt Condor von der Bundesrepublik Deutschland einen Staatskredit für zwei Darlehen über rund 550 Millionen Euro, der auf dem Schutzschild-Programm der Bundesregierung gegen die Covid-19-Pandemie basiert. Dies ermöglichte die Rückzahlung sowohl des unbekannten Kaufpreises an PGL als auch des im Herbst 2019 gewährten Hilfskredits an den Bund und das Land Hessen. 2021 stieg der britische Finanzinvestor Attestor als Mehrheitsgesellschafter (zunächst 51 Prozent) mit frischem Kapital in das Unternehmen ein. Attestor hat die Option, auch die übrigen Anteile, die die SG Luftfahrtgesellschaft im Auftrag von Bund und dem Land Hessen hält, zu erwerben. 

Buntes Ringe-Design am neuen Airbus 

Seit Dezember 2022 erhält Condor sechs neue Airbus A330-900neo, die alle in dem seit Mitte 2022 neu eingeführten, außergewöhnlichen Ringe-Design in verschiedenen Farben zu sehen sind. Dazu kommt eine der modernsten Business-Class-Ausstattungen für Langstreckenflüge überhaupt. 

Durch alle Krisen konnte die Marke Condor ihren hohen Bekanntheitsgrad halten, wenn nicht gar ausbauen. Würde man heute eine ungestützte Studie zu der Frage „Was fällt Ihnen zum Namen ‚Condor‘ ein?“ durchführen, stünde mit großer Wahrscheinlichkeit die Fluggesellschaft an erster Stelle. Und das weit vor dem gleichnamigen Vogel oder dem ihn besingenden Lied „El Condor pasa“, das vor Jahren die Fußgängerzonen mit Panflöten-Sound malträtierte. 

Dr. Bernd M. Samland ist Gründungsgeschäftsführer von Endmark und verantwortet seit 30 Jahren die Entwicklung von mehr als 2000 Markennamen. Er ist Fachbuchautor sowie Lehrbeauftragter und Gastdozent an mehreren deutschen und österreichischen Hochschulen. Sein Buch zur Kolumne titelt „Warum heißt die Marke so“ und ist mit einhundert der besten Storys zu bekannten Markennamen bei Heel / dfv erschienen.