So wie sich unsere Präferenzen als Konsumenten in den letzten Jahren entscheidend verändert haben, so hat sich auch die Customer Journey im Handel an die veränderten Bedürfnisse angepasst und entwickelt sich im Spannungsfeld zwischen Web, Mobile und dem stationären Handel stetig weiter.
Mood Media hat zusammen mit Retail- und Marketing-Experten der Universität Angers, Frankreich acht prägende Zeitabschnitte von 1800 bis 2050 in Hinblick auf die Ladenstruktur, die Atmosphäre, die angebotenen Dienstleistungen, das Schaufenster und die Zahlungsmethoden analysiert – vom Aufkommen der ersten großen Kaufhäuser über die Entstehung von Selbstbedienungsläden und Pop-up-Stores bis zur Cross-Channel-Strategie zwischen On-und Offline.
Emotionen sind das Herzstück des Kundenerlebnisses
Das Einkaufen, wie wir es heute kennen, wurde maßgeblich geprägt durch das Aufkommen der ersten kommerziellen Galerien und Kaufhäuser in Frankreich, Italien und Großbritannien im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert. Mit ihrer Größe, ihrer breiten Produktauswahl und den technologischen Innovation der Zeit, vor allem der Elektrizität, revolutionierten die Warenhäusern das Einkaufen und schufen die Grundlagen des modernen Einzelhandels. Das sensorische Marketing hatte seine Anfänge in den 1920er Jahren mit der Einführung der aufgezeichneten Hintergrundmusik. In den 1970er Jahren erlebten wir vor allem die Inszenierung des Schaufensters. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts wurde der Kunde durch Preisschilder und Umkleideräume immer autonomer am Point of Sale. Infolgedessen entwickelte der Lebensmitteleinzelhandel Strategien rund um den Kundenstrom im Geschäft. Einzelhändler und Kaufhäuser wiederum konzentrierten sich auf das Erlebnis, so zum Beispiel Selfridges in London
Der Trend geht heute in Richtung individueller Kommunikation mit dem einzelnen Kunden. Der Trend der Personalisierung umfasst alle Bereiche des Kundenerlebnisses, von der Ladenstruktur über die angebotenen Dienstleistungen und Produkte bis hin zur Kundenbeziehung. Mit der Weiterentwicklung von GPS, dem Aufkommen des 3D-Drucks und auch mit Augemented Reality wird sich der Trend intensivieren. Personalisierte Preise werden bald folgen – das Ende der einheitlichen Preise könnte schneller kommen als erwartet.
Geschäfte als Lebensräume
Warum sollte es in Zukunft weiterhin Geschäfte geben, wenn die Kunden doch die gewünschten Produkte über Augmented Reality-Anwendungen ansehen können und sie dann am 3D-Drucker selbst zu Hause produzieren? Warum lohnt es sich, den stationären Handel am Leben zu halten? Weil, und die Entwicklung des Kundenerlebnisses lehrt uns dies, Geschäfte ein Teil unseres Lebens geworden sind. Sie sind Orte, die wir zur Entdeckung, Inspiration, Sozialisierung nutzen. Selbst wenn die Produkte per Drohne geliefert oder zu Hause gedruckt werden können, geht nichts schneller als das Testen und Auswählen eines Produkts im Geschäft.
Ein genauerer Blick auf die analysierten Zeitabschnitte von 1800 bis 2050 zeigt uns die Meilensteine in der Entwicklung des Kundenerlebnisses auf und erlaubt einen Prognose für das Geschäft der Zukunft.
Das Einkaufserlebnis von 1800 bis 2050 im Überblick
1800 – 1899
Seit Ende des 18. Jahrhunderts stellen Galerien und erste Basare zunehmend eine Verbindung zwischen Kunst und Handel her. Im 19. Jahrhundert verändern Kaufhäuser das Einkaufserlebnis entscheidend. Kunden können nun weitestgehend autonom im Geschäft agieren. Sie können Kleidung und Gegenstände, die erstmals genormt sind, anfassen. Preisschilder machen sie unabhängig von der Hilfe durch Verkäuferinnen und Umkleideräume ermöglichen es ihnen, die Kleidung selbst anzuprobieren, anstatt sie nur an anderen Leuten zu sehen. Die Verbraucher werden durch Werbung über neue Produkte informiert. Mit dem Aufstieg der Kaufhäuser wird Shopping zur Freizeitbeschäftigung. Der moderne Kunde ist geboren.
1900-1919
Die Lebensmittelhändler machen die Kunden immer unabhängiger im Geschäft. In dieser Zeit wird in den USA der erste Selbstbedienungsladen eröffnet. Durch Logistik-Management sind Einzelhändler nun in der Lage, mehr und schneller zu verkaufen. Gleichzeitig schaffen sie eine Beziehung zwischen Kunst, Freizeit und Shopping. Ein Geschäft in Paris im frühen 20. Jahrhundert beispielsweise beinhaltete einen Friseur, Kochkurse und einen Musiksalon – ein Store-Konzept, das auch beim Kunden von heute Anklang findet, z.B. im Londoner Flagship Store von Topshop. Zur selben Zeit entwickelt sich auch die Werbung und testet ihre Grenzen aus: 1908 installiert die Marke Mitsukoshi eine Werbetafel auf dem Gipfel des Mount Fuji und erklärt sich damit zum Kaufhaus Nummer Eins in Japan.
1920-1939
Die 20er Jahre kennzeichnen die „Explosion der Sinne“. Seien es Weihnachtslieder in Schaufenstern oder die Verbreitung von Musik in den Geschäften, der Einzelhandel schlägt nun den Weg der emotionalen Kundenansprache ein. In Frankreich nutzen verschiedene Kaffeehersteller erstmals das Radio, um ihre Geschäfte zu beschallen. 1927 wird Monoprix dort die erste Filialkette, die aufgezeichnete Musik überträgt. Das Aufkommen der ersten Supermärkte bringt Flow-Management-Strategien mit sich, und Sonderangeboten und Niedrigpreisen gilt fortan die Aufmerksamkeit. Die ersten Einkaufswagen wurden 1936 eingeführt.
1940-1969
Es ist die Zeit des Massenkonsums. Das Kundenerlebnis besteht vor allem aus Größe und Auswahl. Mit zunehmender Verbreitung der Elektrizität werden die ersten Großmärkte und Shopping Malls in den USA und auch in Frankreich errichtet. Auch das Niedrigpreis-Segment entwickelt sich mit die Entstehung der ersten Discounter.
1970-1999
Geschäfte sehen sich mit einer wachsenden Anzahl anspruchsvoller Kunden konfrontiert. Die Zeit ab 1970 markiert die Renaissance des multisensorischen Marketings, perfekt vorgeführt von Marken wie Abercrombie & Fitch, die mittels Duft, Screens und Musik eine unverkennbare Atmosphäre schaffen. IBM erfindet 1972 den Touchscreen, der aber erst deutlich später, in den frühen 2000er Jahren, in die Store-Konzepte Einzug hält. In den 1990er Jahren startet Nike ein Konzept, das die Erwartungshaltung des Kunden deutlich verändert: „Nike ID“ bezeichnet die Möglichkeit, Schuhe und Accessoires zu personalisieren. Amazon und eBay werden in diesem Zeitraum gegründet, während Musik und Bildschirme mehr und mehr im Handel eingesetzt werden… die Zukunft ist da!
2000-2010
Um weiterhin Kunden anzusprechen, die das Online- und Mobile-Shopping für sich entdeckt haben, stehen Service und Erlebnis im Mittelpunkt des Kundenerlebnisses. Die Marke Comme des Garçons eröffnet 2004 ihren ersten temporären „Guerilla-Store“ in Berlin, bevor das Pop-up-Konzept in ganz Europa Trend wird. Wachsende Kundenloyalität ist eines der zentralen Ziele der Händlerstrategien.
2011-2016
Die Grenzen zwischen Handel und E-Commerce verschwimmen. Marken entwickeln Cross-Channel-Strategien zwischen On-und Offline, während reine Online-Player wie Google oder Amazon erste eigene Läden eröffnen. Marken und Geschäfte kommunizieren mit ihren Kunden zunehmend über Social Media. Roboter erscheinen auf der Verkaufsfläche, sowohl On- als auch Offline.
Und das Geschäft der Zukunft?
Im Jahr 2050 werden weitere drei Milliarden Menschen den Planeten bewohnen, zwei Drittel von ihnen in städtischen Gebieten. Die Innovationen im Handel müssen sich vielen neuen Herausforderungen stellen, zum Beispiel den Umweltauswirkungen der aktuellen Produktions- und Vertriebsmodelle, Ressourcenknappheit und neuen Technologien. Dies führt zu zwei grundlegenden Trends:
– die Re-Lokalisierung der Produktion
– Kleinserienfertigung, insbesondere durch 3D-Druck
Die Zielsetzung des Einzelhandels lautet nun: Produktion „on demand“ statt Lagerung, mieten statt kaufen und reparieren statt erneuern.