Klaus E. Grote ist Geschäftsführer bei HTV Halbleiter-Test & Vertriebs-GmbH
Das Phänomen des geplanten Verschleißes ist mittlerweile fest in unserem Wirtschafts- und Gesellschaftssystem verinnerlicht
Firmen, die absichtlich Sollbruchstellen in ihre Produkte einbauen, damit die Lebensdauer begrenzt wird, halte ich für Betrüger. Nicht nur, dass wir Käufer betrogen werden, auch die Umwelt wird unnötigerweise ausgebeutet und durch die „frühe“ Wegwerfmentalität nochmals geschädigt. Die Lebensdauer eines Elektrogerätes können wir bei einer bestimmten Laufzeit fast auf den Tag genau bei HTV berechnen. Jeder Entwickler eines Elektrogerätes kann dies und muss dies sogar auch. Wegen der zweijährigen Garantie muss es zumindest mal diese Zeit überstehen. Die Meinung verschiedener „Fachleute“ ist, dass kein Hersteller hier in Deutschland die Lebensdauer seines Produktes absichtlich verkürzt. Dies sei im Gegenteil so, dass ein Produkt für eine „gewisse Lebensdauer“ entwickelt wird. Was haben diese Fachleute für so eine, meiner Ansicht nach, schwachsinnige Aussage von der Industrie bekommen?
Seit vergangenem Jahr greift man in Frankreich bezüglich dieses Themas hart durch und verbietet die geplante Obsoleszenz. Jeder der die Lebensdauer von Geräten bei der Produktion absichtlich verkürzt, wird mit einer Geldstrafe von 300.000 Euro und zwei Jahren Haft bestraft. So steht es, seit neuestem, im französischen Energiewendegesetz. Die Geldstrafe kann sogar bis zu 5 Prozent des Jahresumsatzes eines Unternehmens betragen. In Deutschland haben Lobbyisten leider einen sehr großen Einfluss auf unsere Politiker. Könnte dies der Grund sein, warum hier das Problem der absichtlichen Lebensdauerverkürzung heruntergespielt oder sogar ignoriert wird. Das Phänomen des geplanten Verschleißes ist mittlerweile fest in unserem Wirtschafts- und Gesellschaftssystem verinnerlicht. Die Konzerne schaffen sich eine Gewinnmaximierung auf Kosten der Verbraucher. Besonders aufgefallen wegen zu frühen Verschleißes sind in der Vergangenheit zum Beispiel Drucker, Smartphones, Geräte mit fest eingebauten Akkus, LCD-Bildschirme und viele andere.
Wir bieten bei HTV den Herstellern das HTV-Life-Prüfzeichen an, mit dem sie dokumentieren können, dass ihr Produkt keine absichtliche Lebensdauerbegrenzung hat. Die Geräte überprüfen wir bei uns im Hause auf Herz und Nieren und errechnen die voraussichtliche Lebensdauer. Wir tun dies für unsere Umwelt und führen deshalb alle Untersuchungen zu unserem niedrigsten Selbstkostenpreis für die Auftraggeber durch. Die übergroße Mehrzahl der Hersteller hat jedoch leider kein Interesse an diesem Prüfzeichen. Wir sind begeistert von der Vorreiterrolle, die die Franzosen bei diesem Thema spielen. Ein solches hartes Durchgreifen wünsche ich mir auch von unseren Politikern in Deutschland.
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Sepp Eisenriegler ist Lobbyist für Nachhaltigkeit in Brüssel auf und ist Mitinitiator des EU-Dachverbands RReuse. 1998 gründete er das R.U.S.Z. als sozialökonomischen Betrieb. Das Unternehmen repariert Elektroaltgeräte und verkauft Second-Hand-Geräte
Oft landen unsere Abfälle dann dort, wo die Rohstoffe herkommen
Seit den Siebzigerjahren hat sich der globale Ressourcenverbrauch verdreifacht, die Elektroschrottmengen haben sich vervierfacht. Allein die jährlich in der EU gekauften Haushaltsgroßgeräte (Weiße Ware) ergäben aneinandergereiht eine Strecke, die einmal um den Erdball reicht. Der Kapitalismus vernichtet sich selbst die Grundlage zum Wirtschaften – es liegt eindeutig Marktversagen wegen negativer externer Effekte vor: Die Preise für Neuprodukte sprechen weder die ökologische noch die soziale Wahrheit. Es kann doch nicht sein, dass profitorientierte, internationale Konsortien Rohstoffe in den Ländern des Südens ausbeuten, die dann unter Ausbeutung von Arbeitskräften in den Schwellenländern zu immer kurzlebigeren Produkten verarbeitet werden, die wir dann im Norden billig kaufen, entsprechend wenig wertschätzen und schnell wegschmeißen! Oft landen unsere Abfälle dann dort, wo die Rohstoffe herkommen (E-Schrott in Ghana) und schaffen weitere Probleme. Eine der Folgen davon ist, dass kritische Rohstoffe immer knapper, aber nicht teurer werden. Gerade Europa, das zum größten Teil von Rohstoffimporten abhängig ist, kann es sich nicht leisten, seine Sekundärrohstoffe nicht zu nutzen. Dafür brauchen wir die Kreislaufwirtschaft: Sie bietet die richtigen Anreize Produkte so zu designen, dass sie länger genutzt, leicht repariert und, wenn das einmal nicht mehr geht, die unterschiedlichen Materialien wieder leicht voneinander getrennt und wiederverwertet werden können. Natürlich ist die Kreislaufwirtschaft nicht der Weisheit letzter Schluss, aber die Postwachstums-Ökonomie ist politisch noch nicht anschlussfähig. Noch ziehen die meisten Statussymbole einem guten Leben vor und wollen nicht aus dem Hamsterrad der materiellen Bedürfnisbefriedigung aussteigen.
Nachdem nach vielen Jahrzehnten des Lobbyings für Ressourcenschonung jetzt mit dem Circular Economy Action Plan endlich ernstzunehmende, ordnungspolitische Maßnahmen gesetzt wurden, muss für einen Bewusstseinswandel bei den KonsumentInnen gesorgt werden. Ein Tipp ist „Nutzen statt besitzen“. Wir nehmen immer alles in Besitz, zum Beispiel eine Waschmaschine, obwohl wir eigentlich nur saubere Wäsche wollen. Sobald das Gerät kaputt ist, kaufen wir dann aus demselben Impuls heraus gleich ein neues. Darauf verlassen sich die Hersteller und bauen sie zuverlässig so, dass sie nach einer gewissen Zeit kaputt werden und nicht mehr wirtschaftlich zu reparieren sind. Wenn wir stattdessen die Waschmaschine vom Hersteller mieten würden, hätte der einen Anreiz, sie von Anfang an so zu bauen, dass sie wie früher 50 Jahre läuft, leicht und günstig zu reparieren ist und damit der Materialverbrauch pro Nutzungseinheit maßgeblich gesenkt wird. Wir probieren das derzeit mit der Produktdienstleistung „Saubere Wäsche“ aus, müssen allerdings feststellen, dass die Mehrzahl der Konsumenten aufgrund der 5.000 empfangenen, subtilen Werbebotschaften pro Tag nicht wie der sogenannte homo oeconomicus agiert, sondern sich zum Konsumtrottel (ISBN 978-3-99001-183-6) degradieren lässt.
Beres Seelbach, Co-Gründer und Ideengeber vom Cargo-E-Bike Ono. Seelbach war zuvor als Gründer, Gesellschafter und CEO der „Lautlos durch Deutschland GmbH“ tätig
Eigentum als Statussymbol verliert gleichzeitig immer mehr an Bedeutung
Auch wenn Wirtschaftsprozesse derzeit teils auf Obsoleszenz ausgerichtet sind, kann das gesellschaftlich letztlich nicht erwünscht sein, denn die Ressourcen für die Produkte sind endlich. Es ist deshalb keine Frage ob, sondern wann das altmodische Modell des “Verkaufens und Vergessens” von Vermietungs- und Leasing-Angeboten abgelöst wird, innerhalb derer Interessen von Anbietern und Kunden parallel verlaufen. Voran geht beispielsweise Rolls Royce: Das Unternehmen verleast bereits Flugzeugturbinen, inklusive aller Instandhaltungsaufwendungen und zugesagter Maschinenlaufzeit. Geschäftskunden wollen Sicherheit, und für Endkunden stehen Nutzung und Erlebnis im Vordergrund. Eigentum als Statussymbol verliert gleichzeitig immer mehr an Bedeutung. Die Wirtschaft adaptiert diesen Trend zunehmend. Tretbox etwa wird das in Entwicklung befindliche E-Cargo-Bike, das auf der Straße einen LKW ersetzen soll, an Lieferdienste genau wie perspektivisch an Endkunden vermieten und sich so selbst für Qualität und Nachhaltigkeit der eigenen Produkte in die Pflicht nehmen. Denn saubere Energie allein macht noch keine Nachhaltigkeit, sie entsteht erst, wenn Produkt-Langlebigkeit mit Gewinn einhergeht.
Christian Kreiß studierte Volkswirtschaftslehre und promovierte in München über die Große Depression 1929 bis 1932. Er unterrichtet seit 2002 als Professor an der Hochschule Aalen Finanzierung und Wirtschaftspolitik
Drei Wochen im Jahr arbeiten wir nur für Unsinn, zum Beispiel für schnell kaputt gehende Drucker
Und es wäre gut so. Geplanter Verschleiß ist natürlich nur EIN Element unserer Wachstumsgesellschaft. Aber in dem Umfang, in dem das gezielte vorzeitige Kaputtgehen von Produkten eingestellt würde, in dem Umfang würde die Wachstumsgesellschaft zu Ende gehen. Gott sei Dank. Denn: Was bringt es uns denn, schlechte Produkte herzustellen? Das ist ja gesamtgesellschaftlich gesehen vollkommener Unsinn. Wie Löcher ausheben und wieder zuschütten. Stattdessen könnten wir uns mehr Urlaub leisten. Jeder Beschäftigte in Deutschland könnte ungefähr drei Wochen mehr bezahlten Urlaub pro Jahr haben, ohne ein einziges Produkt oder Dienstleistung zu missen. Drei Wochen im Jahr arbeiten wir nur für Unsinn, zum Beispiel für schnell kaputt gehende Drucker, Rasierer, Glühlampen, Waschmaschinen usw. David Graeber würde das Bullshit Jobs nennen, mit Recht. Das sind vollkommen sinnlose Tätigkeiten. Schlimmer: sie richten aktiv Schaden an, indem sie sinnlos Lebenszeit zerstören, sinnlose Energie verbrauchen, sinnlosen Abfall schaffen. Wenn wir aufwachen würden und uns diesen Teil der Wachstumsgesellschaft schenken könnten: das wäre ein Segen für uns alle, für die betroffenen Beschäftigten und für die übervorteilten Konsumenten. Also: lieber drei Wochen mehr bezahlten Urlaub jedes Jahr statt geplanter Obsoleszenz und sinnloses Wachstum.
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