Bis vor wenigen Jahren waren in der Branche Best Ager ein Thema – jetzt sprechen alle über die Z’ler, also die Generation der 16- bis 22-Jährigen. Warum eigentlich?
XENIA ABROSIMOWA: Sie kommen jetzt als Arbeitskräfte auf den Markt, beginnen eigenes Geld zu verdienen und gewinnen dadurch als Kunden Relevanz. Viele von ihnen sind digital aufgewachsen, aber hatten bisher keine Kreditkarte, konnten also nur begrenzt online einkaufen. Sobald sie die haben, geht’s los.
VANESSA HASSE: Sie lösen die ältere Generation ab, weil sie viel mehr Reichweite haben. Dadurch, dass sie Digital Natives sind und digital der Weg ist, wie sich Content verbreitet, lösen sie in der Meinungsbildung die ältere Generation ab. Eltern vertrauen darauf, dass sich ihre Kinder in dieser neuen Welt besser zurecht finden, und überlassen ihnen häufig Kaufentscheidungen. Die ältere Generation lernt von der Jungen.
Viele Marketer fragen sich, wie sie die Generation Z am besten erreichen?
HASSE: Es gibt bereits sehr gute Beispiele. Etwa die Memes-Kampagne, die Gucci dieses Jahr ausgerollt hat: coole Bilder mit witzig-sarkastischen Sprüchen.
ABROSIMOWA: Um präsent zu sein, Markenbotschaften rüberzubringen und Content viral werden zu lassen, werden Apps und digitale Kommunikationskanäle noch viel wichtiger. Die Generation Z ist stark auf Kanäle fokussiert, auch wenn die schnell wechseln können. Wenn Snapchat in ist, sind sie auf Snapchat. Und wenn ein Unternehmen nicht auch dort ist, erreicht es sie schlichtweg nicht. Das betrifft nicht nur Markenkommunikation, sondern auch Employer Branding.
Die Vorlieben der Z’ler prägen auch die Produktentwicklung. Ein Detail: Vintage ist plötzlich angesagt.
ABROSIMOWA: Ja! Gebrauchte Uhren etwa sind total in. Auch Taschen müssen Patina haben. Besonders cool ist das Verbinden von digitalen Features im Look des Analogen, zum Beispiel die neuen Polaroid-Kameras. Man hat das Gefühl, wie früher Bilder zu machen, kann sie aber auf Instagram posten.
HASSE: Das bezieht sich allerdings nicht auf alle Produkte und Marken – einige sind vintage-cool und andere nicht. Dabei spielen Influencer eine große Rolle.
Spielen noch andere Trends eine Rolle?
ABROSIMOWA: Individualisierung. Die Möglichkeit, Produkte nach eigenen Vorstellungen zu gestalten, und das möglichst einfach. Es geht um Optionen, die das Gefühl vermitteln: Ich bin im Driver Seat, ich kann bestimmen.
HASSE: Gefakte Individualität haben wir das mal genannt. Es sind in Wahrheit eine etwas größere Auswahl und Gestaltungsmöglichkeiten des gleichen Produkts. Und für das Unternehmen sind diese in der Herstellung immer noch skalierbar und umsetzbar.
ABROSIMOWA: Ein weiterer Trend sind smarte Produkte. Wie schaffe ich es, klassische Produkte aus dem täglichen Bereich digital zu inszenieren? Ein tolles Beispiel ist Augmented Paper von Mont Blanc: Man schreibt auf einem Block oder Notizbuch, das wird gleichzeitig digitalisiert. Das wird vielen das Leben erleichtern.
HASSE: Der Z’tler schätzt seine freie Zeit. Produkte, die ihm mehr davon verschaffen, sind relevant und attraktiv.
Ihre Studie hat ergeben, dass Z’ler tendenziell konservativ sind, Sicherheit und klare Hierarchien lieben. Weil viele von ihnen schon mal in ein chaotisches Start-up hineingeschnuppert haben?
HASSE: Die Z’ler verfolgen in der Tat genau, was in der Gründerszene passiert. Sie finden Start-ups cool, wollen aber nicht zwingend dort tätig sein. Weil sie wissen, dass sie dann sehr viel arbeiten müssen, obwohl ihnen das Unternehmen nicht gehört und sie zudem das unternehmerische Risiko tragen.
ABROSIMOWA: Neo-Biedermeier wird der Trend auch genannt. Das hat sicher etwas mit der Aufgeklärtheit und dem Realismus dieser Generation zu tun. Sie ist gut informiert und träumt nicht von der Weltverbesserung wie die Generation Y. Das macht sie bodenständiger.
Was sollen Unternehmen tun? Sie haben gerade erst gelernt, wie wichtig Nachhaltigkeit ist, jetzt müssen sie auf den Egoismus der Gen Z Bezug nehmen?
HASSE: Ich würde es als Selbstbestimmtheit bezeichnen. Darauf müssen Unternehmen vor allem aus der Arbeitsgeberperspektive eingehen. Der Z’ler möchte die Vorteile des Gründertums – Gestaltungsfreiheiten und Entscheidungsmacht –, aber das Risiko eher nicht. Er weiß, dass Unternehmen bankrott gehen können und der Wettbewerbsdruck gerade bei Konsumgütern immens ist.
ABROSIMOWA: Nachhaltigkeit ist nicht irrelevant. Das hat auch Verbindung zur Selbstzentrierung: Es muss mir guttun. Ich möchte wissen, was in meinem Essen, in meiner Kosmetik und in meiner Kleidung drin ist. Gerade im Luxusbereich werden Merkmale wie Schadstofffreiheit und eine faire Produktion einfach vorausgesetzt.
Mit der Markenwelt ihrer Eltern können Z’ler und Millenials nicht viel anfangen. Was ist die Konsequenz für Unternehmen – die Marke verjüngen? Sub-Marken gründen?
HASSE: Beides möglich, aber sie müssen aufpassen, dass die Images nicht verwässern, denn wir sprechen hier auch über unterschiedliche Preisklassen. Wer sich eine teure Marke leisten kann, ist nicht unbedingt begeistert, wenn sich über eine gleichnamige Sub-Marke plötzlich Leute in dem Segment tummeln, die da aus seiner Sicht nicht hingehören.
ABROSIMOWA: Auch Kooperationen können eine vorteilhafte Strategie sein, wie Lagerfeld und H&M. Aber auch da muss man aufpassen…
… die Verbindung von Jette Joop und Aldi ist in der Branche eher kritisch beäugt worden.
ABROSIMOWA: Es gibt auch Ausnahmen von der Regel, dass die Produktwelt der Eltern nicht cool ist. Birkenstock zum Beispiel ist heute ein angesagter Blogger-Schuh. Das zeigt, dass selbst die Renaissance einer scheinbar altbackenen Marke möglich ist. An dem Schuh hat sich kaum etwas geändert, bis auf eine glitzernde Schnalle. Aber die Influencer haben ihn trotzdem entdeckt.