Von Gastautor Alexander Neuhausen, Principal Analyst und Business Consultant bei diva-e Digital Value Enterprise GmbH
Immer mehr B2B-Unternehmen setzen den Punkt „Internationalisierung“ auf ihre strategische Agenda. Doch auf Unternehmen warten eine ganze Reihe von Stolpersteinen. Unternehmen sind daher gut beraten, die folgenden Aspekte ausführlich zu beleuchten, bevor sie erste konkrete Schritte in Auslandsmärkte machen.
1. Strategie und Zieldefinition
Wie bei jedem Geschäftsvorhaben ist die strategische Planung im Vorfeld erfolgsentscheidend. Hierfür ist es unerlässlich, genau zu definieren, welche Ziele erreicht werden sollen, welche Handlungsalternativen existieren und wie operative Umsetzungsoptionen aussehen können.
Die Erfahrung zeigt, dass ein grundlegender Schritt im Vorfeld eines Internationalisierungsprojekts oft nicht gemacht wird: die Festlegung konkreter Ziele. Sollen größere Marktanteile oder neue Zielgruppen gewonnen werden? Oder geht es in erster Linie um Umsatzsteigerung? Bei der Festlegung der Ziele ist es hilfreich, nach dem bekannten „SMART“-Prinzip zu verfahren – ein Ziel sollte demzufolge Spezifisch, Messbar, Attraktiv, Realistisch und Terminiert sein. Auch der Einsatz einer Balanced Scorecard kann hilfreich sein. Im nächsten Schritt müssen die Kennzahlen für den Erfolg (KPI) festgelegt werden, etwa Höhe des Umsatzes, Anzahl der Neukunden, Anteil des Marktgeschäfts in Prozent o.ä. Sind Ziele und Kennzahlen klar definiert, werden Unternehmen feststellen, dass sie die passenden Maßnahmen für die Zielerreichung einfacher bestimmen und diese angemessen priorisieren können. Ebenso ist es unumgänglich, im Vorfeld umfassende Länder-, Wettbewerbs- und Konkurrenzanalysen durchzuführen. Wesentliche Fragen, die Unternehmen an diesem Punkt stellen und beantworten sollten, sind: Benötige ich einen lokalen Partner oder gar eine lokale Gesellschaft? Ist eine Kooperation mit einem lokalen Unternehmen eine Option? Oder ist der Verkauf über einen lokalen Online-Marktplatz der ideale erste Schritt?
2. Rechtliche Rahmenbedingungen
Zu den größten Barrieren im internationalen Handel zählen die länderspezifischen rechtlichen Rahmenbedingungen, Richtlinien, Gesetze, Vorschriften, Kennzeichnungsverordnungen und Regularien. Um das Risiko von Rechtsstreitigkeiten, Sanktionen und Strafzahlungen bei Verstößen zu minimieren, ist eine genaue Analyse und Planung sämtlicher Schritte vor dem Hintergrund lokaler rechtlicher Gegebenheiten ein Muss. Durch die Gründung einer lokalen Gesellschaft vor Ort lassen sich bereits viele Probleme umgehen – allerdings bringt dies in aller Regel neue organisatorische, rechtliche und steuerliche Herausforderungen mit sich. Eine Rechtsberatung vor Ort durch einen qualifizierten Partner mit internationaler Erfahrung ist daher in jedem Fall unerlässlich.
3. Shop-Design und Lokalisierung
Ein Onlineshop stellt für viele Unternehmen eine gute Möglichkeit dar, schnell und ohne allzu großen Aufwand neue Märkte im Ausland zu bedienen. Damit der Shop auch erfolgreich ist, genügt es allerdings nicht, einfach nur die Website-Texte zu übersetzen. Vielmehr müssen Unternehmen beachten, dass sich kulturelle und lokale Normen, Werte und Vorlieben häufig schon bei direkten Nachbarländern deutlich unterscheiden.
Die Bedeutung von Farben und Bildwelten etwa wird in vielen Regionen anders wahrgenommen als in Deutschland. Auch die Auffassung von gutem Design unterscheidet sich international stark: So ist in Europa eher eine effiziente Schlichtheit beliebt, während in Asien ein – für unsere Begriffe – überladenes Design für Onlineshops präferiert wird. Echte Lokalisierung ist jedoch mehr als bloß eine zusätzliche Sprache im Onlineshop: Es gilt, nicht nur die Texte für einzelne Webseiten, Produktinformationen und Formulare anzupassen, sondern auch SEO-/SEM-Maßnahmen, Domains und (sprechende) URLs für jedes Zielland zu lokalisieren.
4. Technologie und IT-Infrastruktur
Ein Internationalisierungsprojekt bringt immer auch umfassende Anforderungen an die Unternehmens-IT mit sich. Verlangt werden u.a. die Unterstützung verschiedener Formate, Einheiten, Währungen, Steuersätze, Zeitzonen und Prozesskonfigurationen, sowie die Anbindung unterschiedlicher Backendsysteme und externer Services in diversen Regionen. Wer hier auf Beibehaltung bestehender Infrastrukturen beharrt – etwa weil das Unternehmen in der Vergangenheit bereits umfassend in die Einführung bestimmter Lösungen und IT-Systeme investiert hat – gefährdet möglicherweise den Erfolg des Projekts. Es gilt daher zu überprüfen, ob die vorhandenen Systeme neue Prozesse überhaupt effizient abbilden und unterstützen können. Wer international erfolgreich sein will, benötigt agile und kundenzentrische Prozesse.
Unternehmen sollten sich zudem folgende Fragen stellen: Welche Märkte wollen wir erreichen? Wo stehen die Webserver, wo die Backendsysteme? Welche Latenzzeiten oder technische Beschränkungen sind zu bedenken? Ist der Einsatz eines Content Delivery Netzwerks (CDN) möglich? Lassen sich Applikationen ganz oder teilweise in der Cloud betreiben?
5. Zahlungsarten und Bonitätsprüfung
Ebenso wie sich die Vorstellung von gutem Shop-Design von Region zu Region unterscheidet, gibt es auch von Land zu Land unterschiedliche Vorlieben, was die Bezahlung angeht. Während Kreditkarten, Debitkarten, Lastschrift oder Rechnungskauf in vielen Ländern gängige Zahlungsmethoden darstellen, gibt es dennoch etliche länderspezifische Besonderheiten, die Unternehmen beachten müssen, wenn ihr Shop erfolgreich konvertieren soll. Onlinezahlsysteme wie Paypal etwa haben weltweit gesehen eine hohe Bedeutung – in einzelnen Ländern dürfen hingegen verschiedene lokale Anbieter nicht unterschätzt werden. Um nicht wegen unpassender Zahlungsmöglichkeiten auf Umsätze verzichten zu müssen, sollten Unternehmen auch hier die Beratung durch einen erfahrenen Anbieter in Anspruch nehmen. Zudem sollte immer eine geeignete Daten- und Bonitätsprüfung an den Checkout-Prozess angebunden werden.
6. Export-, Zoll- und Steuerbestimmungen
Die Anforderungen an Export-, Zoll- und Steuer-Prozesse unterscheiden sich je nach Vertragspartner und Zielland. Der Export aus Deutschland erfordert naturgemäß die Einhaltung anderer Regularien als etwa die Abwicklung über eine lokale Niederlassung in Hongkong oder New York. Zusätzlich ist bei der Auswahl von Lieferanten, Dienstleistern und bei der Belieferung ausländischer Kunden die Prüfung globaler Sanktionslisten verpflichtend. Unternehmen sollten sich zudem darüber bewusst sein, dass Zoll-, Einfuhrsteuer- und Importregularien außerordentlich komplex sind und sich oft und innerhalb kurzer Zeiträume ändern können. Daher ist auch IT-seitig Flexibilität gefragt, wenn Regularien in ERP- und sonstigen Systemen entsprechend abgebildet und angepasst werden müssen.
Fazit
Internationalisierung ist ein breites Themenfeld, das weit mehr umfasst als ökonomische Faktoren. Wer im globalen Wettstreit bestehen will, muss sich ein möglichst vollständiges Bild über den Markt der Zielregion machen. Neben der Marktreife und dem Investitionsbedarf sollten auch Faktoren wie die die vorhandene Infrastruktur oder legale Aspekte unbedingt berücksichtigt werden. Unternehmen, die sich im Vorfeld umfassend informieren und interne Kompetenzen sinnvoll durch externes Know-how ergänzen, können die größten Stolpersteine umgehen. Sie sind in der Lage, sich strategisch, personell, logistisch und IT-seitig so aufzustellen, dass der Weg frei ist für ein erfolgreiches internationales Business.
Zum Autor: Alexander Neuhausen ist seit 15 Jahren im B2B E-Commerce tätig. Bei dem E-Business-Dienstleister diva-e Digital Value Enterprise GmbH verantwortet er als Principal Analyst und Business Consultant die Bereiche Entwicklung und Transformation digitaler Geschäftsmodelle. Er unterstützt Unternehmen bei der Umsetzung ihrer E-Commerce-Initiativen.