Die wenigen geplanten fraktalen Marken (wie etwa 1995 das Getränk Fit for Fun als erste „floatende“ Getränkemarke der Welt) endeten als Flops und die Theorie der fraktalen Marke verschwand so schnell (vielleicht sogar schneller?) wie sie gekommen war. Nur während die Theorie verschwand, werden zurzeit immer mehr Marken schleichend zu fraktalen Marken und so im Laufe der Zeit immer schwächer und schwächer und schwächer.
Zu viele Produkte, zu viele Botschaften
Nehmen Sie etwa Dove! Wofür steht die Marke Dove heute? Dove wurde mit der Idee „mit ¼ Feuchtigkeitscreme“ zum Markenshootingstar. Wofür steht die Marke aber heute? Oder anders gefragt: Wofür tritt die Marke Dove heute ein? Keine Ahnung! Jedes Produkt, jede Produktlinie unter der Marke Dove hat anscheinend eine eigene Werbebotschaft, fast schon einen eigenen Claim wie etwa aktuell das Dove-Deo für Männer. Immer andere Produkte, immer andere Botschaften, immer andere Zielgruppen; einmal ältere Menschen, einmal junge Menschen, einmal Frauen, einmal Männer. Dove wird immer mehr zur fraktalen Marke. Immer anders. Immer neu. Immer unberechenbarer.
Oder nehmen Sie Blend-a-med! Früher war Blend-a-med die Zahnpasta gegen Zahnausfall mit dem Langzeitclaim „Damit Sie auch morgen noch kraftvoll zubeißen können“. Dazu passte perfekt auch das Schlüsselbild vom Apfel einmal mit Blut und dann ohne Blut. Heute wirbt Blend-a-med einmal mit der Complete, dann mit der Pro Expert und dann mit der 3D-White. Immer ein anderes Produkt, immer eine andere Botschaft. Und was kommt morgen?
Schleichender Prozess
Dieser Prozess passiert natürlich nicht über Nacht. Eine Marke wird mit einer Idee groß und erfolgreich. Dann will man den guten Ruf der Marke nutzen, um neue Produkte einzuführen. Auch diese Produkte entwickeln im Laufe der Zeit ihr Eigenleben, einige verschwinden wieder, einige werden weiterentwickelt, andere werden um neue Varianten ergänzt. Zusätzlich spiegelt die Werbung diese Entwicklung wider. Alles ist immer neu und aufregend und irgendwann steht die Marke für nichts mehr.
Oft gibt es dann nur mehr drei gemeinsame Klammern. Klammer 1: Der Markenname, Klammer 2: Das Markendesign und Klammer 3: Der Slogan. Nur dann muss es natürlich ein Slogan sein, unter den alle Produkte passen. Wobei schon viele Unternehmen anfangen, auf die Klammer Nr. 3 komplett zu verzichten. Sie haben erkannt, dass ein breiter, nichts sagender Slogan für die Marke wertlos ist. Nur leider ist das aus Markensicht genau die falsche Reaktion. Viel besser wäre es, diese Marken wieder zu refokussieren und zu repositionieren, um dann wieder einen schlagkräftigen Slogan zu entwickeln.
Welchen Weg geht Ihre Marke?
Das Konzept der fraktalen Marke ist tot. Nur anscheinend ist zurzeit vielen nicht bewusst, dass man unabsichtlich(!) auf dem besten Weg ist, aus klar positionierten Marken im Laufe der Zeit fraktale Markengebilde zu schaffen, weil man unter den immer breiteren Markendächern viel zu viele Produkte mit viel zu vielen unterschiedlichen Botschaften hat.
Kurzfristig funktioniert dies, weil die Wahrnehmung der Kunden sich über Nacht nicht ändert. Viele, die wie ich über 40 Jahre alt sind, können sich noch heute an den Slogan „Damit Sie auch morgen noch kraftvoll zubeißen können“ und das Schlüsselbild vom Apfel mit und ohne Blut erinnern. Was aber ist mit der nachwachsenden Generation? Wofür steht Blend-a-med bei dieser? Genau das ist langfristig die Gefahr, wenn aus einer klar positionierten Marke im Laufe der Zeit (unabsichtlich) eine fraktale wird. Welchen Weg geht Ihrer Marke? Wird sie (unabsichtlich) immer fraktaler oder ist sie auch noch klar für die Zukunft positioniert? Es ist Ihr Geld und Ihre Entscheidung.
Über den Autor: Markenstratege Michael Brandtner ist der Spezialist für strategische Marken- und Unternehmenspositionierung in Rohrbach, OÖ und Associate im Beraternetzwerk von Al Ries. Er ist Autor des Buches „Brandtner on Branding“ und auch unter seinem Markenblog erreichbar.