Die Erotikindustrie macht es gestandenen Markenartiklern vor

Die Erotikbranche operiert seit jeher nah am Konsumenten, das liegt in der Natur der Sache. Damit könnten die Erotik-Profis vielen Markenartiklern ein Beispiel geben. Sie schafften es als erste Industrie, ein tragfähiges, erfolgreiches Geschäftsmodell im Netz zu etablieren. Dieses Jahr erwartet die Branche weltweit einen Umsatz von rund 7 Milliarden US-Dollar. Das hätten die klassischen Vertriebskanäle allein nicht leisten können.

Die Erotikindustrie kommt schnell zur Sache – ohne Mätzchen. So werden nicht die technisch aufwändigsten, sondern die schnellsten Lösungen entwickelt. Andererseits werden technische Innovationen dort vorangetrieben, wo sie für Umsatz und Erfolg entscheidend sind. Zahlungs- und Bestellsysteme, Digital Right Management und Ad-Stream-Technik hätten sich ohne Zutun der Erotikbranche nie so schnell durchgesetzt.

Hinzu kommt: Kaum eine andere Branche ist so kompromisslos kundenorientiert. Die Erotikindustrie schafft durch Clubs, Chats und Partnerbörsen ein nahezu allgegenwärtiges Angebot, das permanent Begehrlichkeiten und Neugierde weckt. Video-Botschaften per Mail, Ad-Streams und Dating-Proposals sind heute Standard. Gleichzeitig entstehen durch personalisierte Angebote neue Kundenkreise, vom weiblichen Panik-Single über den männlichen Frust-Single bis zum ungebremst Flirt-Begeisterten.

Und die Erotikindustrie verschwendet keine Zeit, Organisationen aufzubauen. Sie agiert weltumspannend in kleinen operativen Einheiten. Was wir daraus lernen sollten: Das Internet erfordert kluge, businessorientierte, kreative und kommunikationsversierte Köpfe, die Technik konsumentenorientiert verstehen. Nur ganz wenige Markenartikler spielen diese Klaviatur schon professionell.

Aus den Erfolgsfaktoren der Erotikindustrie lassen sich fünf Regeln für das digitale Marketing ableiten:

 

  • Regel 1: Den Kunden richtig verstehen
    Marken müssen deshalb die wahren Consumer Insights auf Instinktebene und somit die emotionalen Kaufmotivatoren berücksichtigen. Marken sind keine „Heiligen Kühe“. Sie müssen den Konsumenten einen individuellen, emotionalen Spielraum in der Deutung lassen. Manche Brands verlieren gerade im Netz wegen ihres kühlen Web-Auftritts erheblich an Markenkraft – oftmals im krassen Widerspruch zu ihrem emotional, gelernten Claim. Ebay macht’s an dieser Stelle besser: „Drei, Zwei, Eins, Meins“ ist die perfekte Übersetzung des orgastischen Empfindens, der Schnellere und Clevere gewesen zu sein. Motivationsgesteuerte Marken wie Ebay punkten im Online-Marketing, weil sie instinktiv verstanden werden.

 

 

  • Regel 2: Maßgeschneiderte Angebote entwickeln
    Im Internet können Nutzer interaktiv und in Echtzeit miteinander kommunizieren. Klassische Angebotsformen im Netz missachten das. Dagegen kann, ja muss gerade digitales One-to-One-Marketing personalisierte Angebote schaffen. Beispiel Amazon: Persönliche Begrüßung, lernende Costumer Profiles, personifizierte Hit-, Angebots- und Neuerscheinungslisten vermitteln das Gefühl, als Kunde ernst genommen und individuell bedient zu werden.

 

 

  • Regel 3: Wertschöpfungskette maximieren
    Online-Marketing ist keine Frage des Wollens – es wird zum Muss. Manager der Musikbranche haben das schmerzlich erfahren. Sie haben sorglos ihr Core-Business verwaltet und wurden von der Verbreitung von Downloads, Klingeltönen, DVD-Video-Streams im Netz überrascht.

 

 

  • Regel 4: Vermarktungsketten knüpfen
    Moderne Marketing-Konzepte verknüpfen klassische und neue Medien. Daran orientiert sich Apple: Hier werden die jeweils richtigen Produkte für Teile der Vermarktungskette konzipiert. Beispiele: Zur Hardware (Apple I-pod, I-Book, I-Mac etc.) gesellen sich Netzapplikationen wie Apple I-tunes und Cross-Marketing-Medien wie das I-Tunes Musikhandy, das Apple zusammen mit Motorola entwickelt hat.

 

 

  • Regel 5: Technische Innovationen nutzen
    Vieles im Online-Marketing scheitert noch immer an zwei hohen Hürden. Auf der einen Seite behindern Spezialisten durch ihre Technikverliebtheit eine rasche, konsumentengerechte Entwicklung von Produkten. Auf der anderen Seite fehlt den Entscheidern in Unternehmen zu oft die nötige Fantasie, um aus technischen Innovationen schnell marktgerechte, ökonomisch erfolgreiche Angebote zu machen. Von der Erotikindustrie lernen, heißt auch hier verkaufen lernen.

 

Über den Autor: Aleksander Ruzicka ist CEO Aegis Media Central Europe, Wiesbaden.