Pünktlich zum 50. Geburtstag von Lidl ist bei den Discountern der Preiskampf zurück. Ob bei Butter, Käse oder Nudeln: Die seit fünf Jahrzehnten währende Dauerkonkurrenz mit Aldi bekam durch jüngste Unterbietungsschlachten neues Feuer. Die große Preiswende angesichts der hohen Inflation sehen Experten zwar nicht. Für Verbraucher könnte sich der Vergleich von zeitlich begrenzten Angeboten künftig aber noch mehr lohnen. Und abseits der Preise sind die Karten unter den Discount-Platzhirschen inzwischen neu gemischt.
Eigentlich geht die Geschichte der Schwarz Gruppe mit Sitz in Neckarsulm, zu der heute Lidl und Kaufland gehören, ins Jahr 1930 zurück. Damals gründete Josef Schwarz den Lebensmittelgroßhändler Lidl & Schwarz KG. Sein Sohn Dieter Schwarz (83) stieg später in den väterlichen Betrieb ein und eröffnete 1973 einen ersten Discounter in Ludwigshafen. Das war der Grundstein für ein Imperium mit heute rund 12.000 Filialen in über 30 Ländern. Mit einem Umsatz von über 100 Milliarden Euro war Lidl 2021 der größte Discounter der Welt.
Dabei gehörte Lidl eigentlich eher zu den Spätzündern: Der erste Aldi-Markt öffnete bereits 1962 die Pforten und startete den Siegeszug des Discount-Konzepts mit engen, pallettenbestückten Gängen, begrenzter Artikelauswahl und niedrigen Preisen. Norma folgte zwei Jahre später. Penny trat dann wie Lidl 1973 auf den Plan.
Lidl hebt sich früh von Wettbewerbern ab
„Das Erfolgsrezept von Lidl war, dass sie wie Aldi von Anfang an mit einem begrenzten Sortiment gearbeitet haben. Sie haben sich aber auch gleich zu Beginn unterscheidbar gemacht, indem sie auch Markenartikel geführt haben“, sagt der Handelsexperte Thomas Roeb von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Lidl habe dieses Konzept stringent und aggressiv durchgehalten, auf Expansion gesetzt und gleichzeitig seine Kosten im Griff gehabt. Auch Martin Fassnacht von der Düsseldorfer Wirtschaftshochschule WHU sagt: „Das sind Effizienzmaschinen.“ Das Discountprinzip sei zwar mit der Zeit gegangen – inzwischen seien die Filialen schöner gestaltet, die Artikelauswahl habe sich vergrößert. „Aber letztlich geht es immer um den niedrigeren Preis.“
Hier haben Verbraucher im traditionell preissensiblen Deutschland angesichts der gestiegenen Energie- und Beschaffungskosten zuletzt einiges schlucken müssen. Vor allem bei den sonst so günstigen Eigenmarken der Discounter zogen die Preise stark an, wie Fassnacht beobachtet. Die jüngsten Senkungen auf Butter, Käse oder Nudeln seien da ein Signal, dass es auch wieder in die andere Richtung gehen kann.
Man kann hoffen, dass jetzt das Schlimmste durch ist. Aber wir müssen uns von der Vorstellung verabschieden, dass die Preise kurz- und mittelfristig wieder auf ihr Ursprungsniveau zurückkehren“, sagt der Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung (IFH) in Köln, Kai Hudetz. Energie werde erstmal teuer bleiben, auch Personal sei schwieriger zu bekommen und daher nicht mehr so günstig wie früher. Zudem wollten weder Händler noch Hersteller das Preisniveau aufgeben. Für die nächsten Jahre sei daher eher zu erwarten, dass Lidl, Aldi, Penny und Co verstärkt mit zeitlich begrenzten Sonderaktionen und Angebotspreisen um Konsumentinnen und Konsumenten werben – Angebote zu vergleichen könne sich also lohnen.
Im Digitalen trumpft Lidl
Im direkten Vergleich zu Aldi sehen Experten Lidl derzeit in einer Position der Stärke: „Aldi ist in einer Dauerkrise“, sagt Roeb. Bei Aldi Nord etwa sei zu lange nicht in Filialen und ins Kundennetz investiert worden. Und Aldi Süd habe seine Konzeptführerschaft verloren. Das Ergebnis sei langsameres Wachstum. Dazu komme, dass die Doppelstruktur das Thema Digitalisierung verschleppe, sagt Fassnacht. „Lidl ist da schlagkräftiger, schneller und agiler unterwegs.“
So hat Lidl nicht nur eine digitale Kundenkarte unters Volk gebracht und sammelt fleißig Daten. Laut dem Kölner Handelsforschungsinstitut EHI gehört Lidl auch zu den Top Ten der deutschen E-Commerce-Händler – und das, obwohl Lidl online kaum Lebensmittel anbietet. Aldi schafft demnach nicht einmal den Sprung in die Top 100. Die Schwarz Gruppe stellt sich derzeit auch als Digitaldienstleister auf und gehört heute etwa schon zu den größten deutschen Cloud-Anbietern.
Lidl-Gründer beharrt auf Verschwiegenheit
Zudem sind rund um den Firmensitz in Neckarsulm finanziert durch die Stiftung des zurückgezogen lebenden Dieter Schwarz zuletzt nicht nur Bildungseinrichtungen oder eine Programmierschule aus dem Boden geschossen. Das Geld des Mäzens, der das operative Geschäft bereits 1999 aus der Hand gab und laut dem Wirtschaftsmagazin Forbes der reichste Mensch Deutschlands ist, fließt demnächst auch in ein großes Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz im nahen Heilbronn.
Aber auch Debatten und Skandale begleiteten die Geschichte von Lidl. Wegen der Bespitzelung von Mitarbeitern etwa wurde der Discounter im Jahr 2008 zu Bußgeldern von insgesamt 1,5 Millionen Euro verdonnert. Und aktuell erhält das Unternehmen für eine Werbekampagne mit Moderator Günther Jauch zu einer aus Lidls Sicht ökologischen Einwegflasche – der „Kreislaufflasche“ – heftigen Gegenwind von der Deutschen Umwelthilfe. Das Unternehmen verschweige etwa unangenehme Ergebnisse und ziehe veraltete Daten heran, so der Vorwurf. Lidl hält mit Pressemitteilungen und etlichen Interviews offensiv dagegen.
Dass sich solche Debatten negativ aufs Geschäft auswirken, sei aber nicht erkennbar, sagt Fassnacht. „Der Konsument vergisst schnell.“ Zudem unterstreiche die Diskussion um die „Kreislaufflasche“ auch, dass Lidl einen Imagewechsel vollzogen habe: Weg vom verschwiegenen Unternehmen, hin zu einer aktiven Kommunikation und Positionierung in der Öffentlichkeit. Doch bei aller neuen Offenheit – eine eiserne Regel bleibt bestehen: Interviews oder offizielle Fotos mit Gründer Dieter Schwarz wird es auch zum 50. Jubiläum nicht geben.
Von David Hutzler, dpa