Die CDU und die Nachhaltigkeit: rückwärts in die Zukunft 

Die Bundestagswahl ist entschieden. Bleibt Nachhaltigkeit unter einer neuen CDU-geführten Regierung nur ein Feigenblatt, so wie es Aldi Süd mit seiner Bio-Marke „Nur Nur Natur“ vormacht?
Fridays for Future Protest vor CDU Bundesvorstandsklausur in Hamburg
Die CDU und der Klimaschutz - eine komplizierte Beziehung. (© Imago )

Die Bundestagswahl ist entschieden, das politische Kräfteverhältnis in Deutschland hat sich verschoben. Einer der Verlierer ist, wie so oft in der Vergangenheit, die Nachhaltigkeit. Denn die “Gewinner-Parteien” haben ihren Erfolg vor allem mit Themen wie Migration, Wirtschaft und Sicherheit errungen.  

In TV-Duellen und öffentlichen Debatten wurde das Klima-Thema weitgehend ignoriert, und die Partei, die Klimapolitik priorisiert, musste große Verluste hinnehmen. 

Doch was bedeutet dieses Wahlergebnis für Deutschlands Kurs beim Klimaschutz? Wird der Green Deal in der EU ausgebremst? Gibt es weiterhin Investitionen in erneuerbare Energien, Klimaschutzgesetze und eine ambitionierte Verkehrswende? Oder droht eine Rückkehr zu fossilen Lösungen und eine Abkehr von klimapolitischen Verpflichtungen? 

Erneuerbare Energien: 16 Jahre Stillstand  

Die neue oder alte Siegerpartei, die CDU, hat für den Klimaschutz 16 Jahre lang vor allem eines gemacht: nichts. Die Photovoltaik-Förderung wurde zusammengestrichen, Windräder wurden durch absurde Abstandsregelungen oder durch falsche Argumente ausgebremst, und der Ausbau der erneuerbaren Energien wurde eher als notwendiges Übel betrachtet, denn als Chance. So kam es, dass der Ausbau stagnierte, während andere Länder uns längst überholten. 

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Ein Politikwechsel ohne weibliche Beteiligung: die CDU und CSU (© Screenshot / Instagram)

Nun könnte man meinen, dass die CDU aus diesen Fehlern gelernt hat. Schließlich ist die Klimakrise die größte Herausforderung unserer Zeit. Aber ein Blick ins aktuelle CDU-Programm offenbart wenig Einsicht. Statt klarer Maßnahmen für den Ausbau von Solar- und Windenergie, steht da: „Ideologiegetriebene Politik beenden“ und „Energie muss bezahlbar bleiben“. Was in der Praxis heißt: Alles bleibt, wie es ist. 

Ja, Klimaschutz muss wirtschaftlich tragfähig sein. Aber es ist eine groteske Vorstellung, dass die Union ausgerechnet jene Lösungen torpediert, die Deutschland langfristig wirtschaftlich absichern würden. Denn wer auf fossile Energien setzt, setzt auf die Vergangenheit und macht sich abhängig (von Fracking-Gas oder LNG-Terminals). Und wer heute nicht investiert, zahlt morgen doppelt und dreifach – mit steigenden Energiekosten, internationalen Wettbewerbsnachteilen und dem Erstarken der politischen Ränder. 

Bei Deutschen verliert Nachhaltigkeit an Bedeutung 

Und die Folgen dieser klimapolitischen Trägheit zeichnen sich bereits ab. Eine aktuelle Allensbach-Umfrage zeigt, dass zwar 60 Prozent der Deutschen den klimafreundlichen Umbau des Energiesystems für notwendig halten. Doch Sorgen um die zunehmende Erderwärmung machten sich nur 36 Prozent (2019 waren es noch 51 Prozent). Die inzwischen geringere Sorge führen die Meinungsforscher in hohem Maße darauf zurück, dass sich die Aufmerksamkeit infolge von Russlands Angriff auf die Ukraine auf andere Themen verschoben hat.  

Statt Chancen und Innovationspotenziale zu sehen, dominieren Ängste vor wirtschaftlichen Belastungen. Denn, obwohl die Energiewende mehrheitlich als notwendig betrachtet wird, nehmen viele der Befragten mit ihr verbundene Gefahren wahr: Aus Sicht von 35 Prozent birgt der Prozess für Deutschland mehr Risiken als Chancen, 26 Prozent sehen es umgekehrt. Dass deutsche Unternehmen führend im Bereich der erneuerbaren Energien sein werden, erwarten der Umfrage zufolge aktuell nur noch 22 Prozent, während es 2016 noch 47 Prozent waren.  

Während andere Länder längst in grüne Technologien investieren, debattieren wir hierzulande weiterhin darüber, ob wir uns den Klimaschutz überhaupt leisten können. Um die Bevölkerung mitzunehmen, bedarf es auch gutem Marketing. Denn die Energiewende bleibt alternativlos. Das weiß auch die CDU. 

Grünes Marketing: Aldi Süd mit neuem Werbegesicht 

Während sich die Wirtschaft fragt, ob sie sich nachhaltige Produktion leisten kann, dreht der Einzelhandel die Frage einfach um: Wie lässt sich Nachhaltigkeit gewinnbringend vermarkten? Das zeigt sich aktuell an „Nur Nur Natur“, der Bio-Eigenmarke von Aldi Süd, die mit Felix Neureuther als Testimonial beworben wird.  

„Nur die richtigen Zutaten“ brauche es, heißt es in der Kampagne. Doch was sind die „richtigen“ Zutaten? Sind es faire Löhne, regionale Produktion und konsequent umgesetzte Nachhaltigkeit? Oder reicht es, wenn ein Ex-Skistar das Bio-Siegel hochhält, während vieles beim Alten bleibt? 

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Die neue Kampagne von Aldi Süd mit Felix Neureuther (© Aldi)

Denn bei genauerem Hinsehen zeigt sich: „Nur Nur Natur“ ist weniger ein radikaler Wandel hin zu echter Nachhaltigkeit als ein cleverer Marketing-Coup. Kritiker bemängeln, dass die Eigenmarke vor allem auf Imagepflege setzt, während die großen strukturellen Herausforderungen der Lebensmittelindustrie unangetastet bleiben. So liegt ein Grundproblem darin, dass nur ein Teil der Bio-Eigenmarken der Discounter nach strengen Kriterien von Naturland, Demeter und Co. zertifiziert ist. Der Rest hingegen folgt den wesentlich laxeren gesetzlichen Bio-Richtlinien.  

Damit Nachhaltigkeit wirklich einen Unterschied macht, darf es kein bloßes Verkaufsargument sein – es muss echten Wandel bedeuten. Die Politik muss hierfür klare Leitplanken setzen. Wenn Unternehmen wissen, dass konsequente Nachhaltigkeitsstandards keine Option, sondern eine Notwendigkeit sind, werden sie sich danach richten. Und wenn Verbraucherinnen und Verbraucher darauf vertrauen können, dass Bio auch wirklich Bio bedeutet, dass faire Produktion wirklich fair ist, dann wird ihr Einkauf tatsächlich zu einer bewussten Entscheidung mit echtem Einfluss. 

Ob ausgerechnet eine Regierung unter Merz, Dobrindt, Söder und Co. den Mut aufbringt, diesen Wandel entschlossen voranzutreiben? Man darf berechtigte Zweifel haben. 

(amx, Jahrgang 1989) ist seit Juli 2022 Redakteur bei der absatzwirtschaft. Er ist weder Native noch Immigrant, doch auf jeden Fall Digital. Der Wahlberliner mit einem Faible für Nischenthemen verfügt über ein breites Interessenspektrum, was sich bei ihm auch beruflich niederschlägt: So hat er bereits beim Playboy, in der Agentur C3 sowie beim Branchendienst Meedia gearbeitet.