Die Ausgangslange:
- Der am vergangenen Mittwoch beendete Bieterwettbewerb war die längste Auktion von deutschen Mobilfunkfrequenzen überhaupt. Es brauchte 497 Runden in mehr als 12 Wochen. Der bisherige Höchstwert stammt aus dem Jahr 2010, als die Versteigerung nach knapp sechs Wochen und 224 Runden vorbei war.
- Die vier Provider – Deutsche Telekom, Drillisch, Telefónica und Vodafone – bezahlen für die 5G-Frequenzblöcke insgesamt 6,55 Milliarden Euro.
- Von den insgesamt 41 Frequenzblöcken entfallen die meisten auf die Deutsche Telekom. Der Bonner Konzern konnte sich 13 Blöcke sichern (Spektrum: 130 Megahertz) und zahlt dafür 2,17 Milliarden Euro. Auf Vodafone (130 Megahertz) entfallen zwölf Blöcke für 1,88 Milliarden Euro und auf Telefónica neun Blöcke (90 Megahertz) im Wert von 1,42 Milliarden Euro. Drillisch konnte sich sieben Blöcke (70 Megahertz) für 1,07 Milliarden Euro sichern.
Welche Rolle hat Netzbetreiber-Neuling Drillisch?
Bisher nutzt Drillisch Antennen und Netze der Wettbewerber, künftig hat das Unternehmen auch eigene Anlagen. Drillisch gab im Ringen um einen Block erst ganz am Ende klein bei, darf den Aufstieg zum Netzbetreiber aber dennoch als Erfolg verbuchen. Auch für Verbraucher dürfte die gesteigerte Präsenz von Drillisch als vierte Kraft eine gute Nachricht sein. Denn durch einen zusätzlichen Netzbetreiber ist davon auszugehen, dass sich der Wettbewerb verschärfen wird und die Preise für Handy-Verträge tendenziell fallen könnten.
Drillisch ist eine Marke der 1&1 Drillisch AG mit Sitz in Maintal. Das Unternehmen gehört seit 2017 mehrheitlich zu United Internet und bietet Mobilfunk-, Festnetz- und IPTV-Dienste an. Der Jahresumsatz von 1&1 Drillisch lag 2018 bei 3,66 Milliarden Euro, das Unternehmen zählt rund 3150 Mitarbeiter. Drillisch ist damit der kleinste der vier Frequenzkäufer. Wettbewerber Telefónica Deutschland erwirtschaftete 2018 einen Umsatz von 7,32 Milliarden Euro. Vodafone Deutschland kam im Geschäftsjahr 2018/19 auf einen Umsatz von 10,3 Milliarden Euro, die Deutsche Telekom erzielte 2018 im Heimatmarkt einen Umsatz von 21,7 Milliarden Euro.
Was geschieht mit den 6,55 Milliarden Euro?
Die von der Bundesnetzagentur erzielten 6,55 Milliarden Euro sollen in ein Sondervermögen des Bundes mit dem Titel „Digitale Infrastruktur“ gehen. Mit 70 Prozent dieses Vermögens, also knapp 4,6 Milliarden Euro, soll der Festnetz-Breitband-Ausbau gefördert werden. Die restlichen 30 Prozent (rund zwei Milliarden Euro) sollen in die technische Modernisierung deutscher Schulen fließen. Die Provider selbst sehen die Investitionshöhe naturgemäß sehr kritisch. Denn die Milliardensummen, die sie für die Frequenzen ausgegeben haben, fehle ihnen nun beim Netzausbau. Die Folge: Privatnutzer müssen entsprechend länger auf 5G warten. Vodafone-Deutschlandchef Hannes Ametsreiter sprach in diesem Zusammenhang bereits von einem „Desaster für Deutschland“.
Welche Bedeutung hat 5G für die Industrie und den Endverbraucher?
Deutschlands Industrie will dank des ultraschnellen 5G-Standards global wettbewerbsfähig bleiben. Der Download ist im Vergleich zu 4G/LTE etwa 100 Mal schneller, die Reaktionszeit erfolgt nahezu in Echtzeit. Das „Informationszentrum Mobilfunk“ hat diverse 5G-Einsatzgebiete zusammengetragen – eine Auswahl:
- Mobilität, Logistik, Handel: Eine der Anwendungen für 5G soll das vernetzte Fahren werden. Mit dem automatisierten und vernetzen Fahren soll die Sicherheit im Straßenverkehr erhöht und der Verkehrsfluss verbessert werden, so dass Ressourcen geschont und schädliche Emissionen verringert werden. Entsprechend ausgerüstete Fahrzeuge müssen sich zwar auch ohne Netzverbindung sicher bewegen können, aber durch die Kommunikation der Fahrzeuge untereinander („Car to Car“-Kommunikation) sowie der Einbindung von Verkehrsdaten und Fahrzeugsensoren entstehen weitere Vorteile wie assistiertes Überholen oder die Bildung von Rettungsgassen.
- Industrie 4.0 und Internet of Things (IoT): Noch steht die Vernetzung von Maschinen und Geräten erst am Anfang, dürfte aber mit 5G deutlich an Fahrt gewinnen, da einige technische Grundsteine gelegt werden, die für IoT von Bedeutung sind. Insbesondere sind hier ultrakurze Latenzzeiten zu nennen, also Reaktionszeiten im Bereich von einer Millisekunde. In der industriellen Fertigung wird der durchgängige Datenaustausch zwischen Maschinen, Anlagen, Mensch und Robotern zunehmend an Bedeutung gewinnen. Industrieroboter können auf Basis von 5G-Technik in Echtzeit gesteuert werden.
- Landwirtschaft: Mit 5G kann das „Smart Farming“ umgesetzt werden: Bodenbeschaffenheit, Düngezyklen, aktuelle und präzise Wetterdaten – diese und weitere Informationen laufen im Display von selbstfahrenden Traktoren zusammen und unterstützen den Landwirt bei der effizienten Bewirtschaftung von Flächen.
- Gesundheitswesen: Hier stehen telemedizinische Anwendungen im Fokus – genauso die Vernetzung von Rettungswagen zur Übertragung von Vital-Daten an das Krankenhaus und Möglichkeiten der Fernbehandlung.
- Nahverkehr: 5G kann für eine höhere Vernetzung im öffentlichen Nahverkehr sorgen, sodass schneller reagiert werden kann, wenn es beispielsweise eine erhöhte Nachfrage zur Personenbeförderung gibt.
- Endverbraucher: Die 5G-Technologie ist zum Beispiel für Virtual-Reality-Anwendungen oder für datenintensive Online-Spiele relevant. Zudem wird die Datenübertragung bei Großveranstaltungen wie Musik- und Sportevents, Weihnachtsmärkten oder zu Silvester verbessert, wenn zehn- bis hunderttausende Kunden auf engstem Raum gleichzeitig bedient werden müssen.
Wie sieht der weitere Zeitplan aus?
Vor allem Endverbraucher müssen sich bis zur Nutzung der 5G-Technologie noch gedulden. Zum einen gibt es bislang kaum 5G-fähige Smartphones auf dem Markt. Immerhin soll in Deutschland noch im Juni das erste und bisher einzige 5G-fähige Smartphone erscheinen, das „Samsung Galaxy S10 5G“.
Bevor 5G-fähige Handys auch mit der verbesserten Qualität massenhaft genutzt werden können, müssen aber zunächst entsprechende Anlagen installiert werden – und das dauert mindestens noch ein Jahr. „In der zweiten Jahreshälfte 2020 dürfte 5G massenmarktfähig sein, wenn dann auch ausreichend Smartphones zur Verfügung stehen“, sagt Telekom-Deutschlandchef Dirk Wössner. Vodafone-Chef Ametsreiter will „bis Ende 2021 bis zu 20 Millionen Menschen in Deutschland mit 5G erreichen“.
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