Firmen, die sich in diesem Umfeld erfolgreich bewähren, ändern meist ihr gesamtes Marketingmodell. Es sind im Wesentlichen fünf Maßnahmen, die sie sich vornehmen:
Restrukturierung des Kunden-Interaktionsmodells
Erfolgreiche Unternehmen managen die zunehmende Kundeninteraktionskomplexität, wie sie auch die Produktkomplexität gesteuert haben. Sie gestalten eine gemeinsame Low-Cost-Plattform, die allen Kunden dienen kann. Dort sind Module wie ein Low-Cost-Bestellsystem, eine Bestellungsverfolgung oder auch ein Verkaufsunterstützungssystem als Standard vorgesehen. Die spezifischen Bedürfnisse der wertvolleren Kundensegmente werden durch zusätzliche, weitgehend standardisierte, aber individuell wahrgenommene Module abgedeckt. Ein Beispiel dafür sind die Kundeninteraktionssysteme der American-Express-Karten.
Verringerung des Markenportfolios
Erfolgreiche Unternehmen kennen den Wert starker Marken für die Gewinnung und Bindung von Kunden genau. Gerade in Zeiten zunehmender Fragmentierung wird eine starke Marke oft zum zentralen Erfolgsfaktor im verschärften Wettbewerbsumfeld. Vor diesem Hintergrund nutzen erfolgreiche Unternehmen, wie z.B. P&G, ihre starken Marken als Umbrella Brands und stellen schwache Marken ein bzw. verkaufen sie.
Optimierung des Return-on-Investment im Marketing
Erfolgreiche Unternehmen messen quantitativ die Effektivität einzelner Marketinginstrumente über die Stufen des Kauftrichters und setzen sie dann gezielt ein zur Beeinflussung des Kauf- und Auswahlverhaltens (siehe auch Buch „Mega-Macht Marke“).
Einsatz moderner Multisegment-Preissysteme
Erfolgreiche Unternehmen schätzen den Wert, den einzelne Kundensegmente in bestimmten Regionen, zu bestimmten Zeiten und/oder in bestimmten Kanälen einem Angebot attestieren und setzen ihre Preise entsprechend. Sie kalkulieren die Preise nicht jedes Mal neu und individuell, sondern bilden Standardmodule, die je nach Situation kombiniert werden. Erfolgreiche Hotels und Reiseunternehmen zeigen heute schon, wie dies aussehen kann.
Erarbeitung eines detaillierten Kundenverständnisses
Basis für jeden Erfolg ist ein herausragendes Kundenverständnis. Die Gewinner im Spiel der Verzettelung verfügen über Instrumente, die jeden Interaktionspunkt des Kunden mit dem Angebot des Unternehmens erforschen. Sie kombinieren zum Beispiel Daten vom Point of Sale mit denen von Kundenkarten, Callcenter, Internetnutzung sowie Verbraucherpanel. Sie entwickeln ihre Datenbanken und nutzung permanent weiter und verfügen über die Fähigkeit, Einsichten aus diesen Daten zu generieren und unternehmensintern schnell an die Stellen weiterzuleiten, die daraus Angebote und Serviceelemente für den Kunden gestalten. Tesco in Großbritannien oder Amazon sind gute Beispiele für eine moderne, kundenzentrierte Organisation.
Alle diese Maßnahmen können Unternehmen Schritt für Schritt umsetzen, was aber nichts anderes bedeutet, als zunächst Kosten zu addieren ohne die positiven Effekte im Markt schon erzielen zu können. Daher bietet es sich an, innerhalb kürzerer Zeit einen vollständigen Marketing-Transformationsprozess zu durchlaufen, der an allen 4P gleichzeitig ansetzt, so dass die Effekte deutlich für den Kunden wahrnehmbar werden. Unternehmensintern bedeutet dies oft eine Revolution und enormes Change Management, aber nach dem Motto „No pain, no gain“ werden unternehmensinterne Veränderungen dann eher akzeptiert, wenn sie schnell positive Ergebnisse erzielen.
Über den Autor: Hajo Riesenbeck ist Director im Düsseldorfer Büro von McKinsey & Company und einer der Leiter der weltweiten Marketing & Sales Practice.