„Wir müssen nicht an Standorten investieren, wo die Chancen negativ sind.” Der Satz des Telekom-Vorstandsvorsitzenden Tim Höttges saß. Nicht, weil er an sich besonders kraftvoll wäre. Er ist eigentlich eine Binsenweisheit: Natürlich kann man es vor Anteilseignern nicht rechtfertigen, dort zu investieren, wo der Ausblick negativ ist. Der Satz saß vor allem, weil Höttges ihn erkennbar mit Blick auf den deutschen und europäischen Markt formulierte. Auch im weiteren Verlauf der Präsentation der Halbjahreszahlen der Telekom machte Höttges deutlich, dass der hiesige Markt nicht gerade attraktiv für Innovationen sei. Und machte zumindest indirekt klar, dass eine Abkehr der Telekom vom deutschen Markt denkbar sei.
Dass es so weit kommen wird, ist unwahrscheinlich. Dass die Telekom zukünftig allerdings zurückhaltender investieren könnte, ist ein durchaus naheliegendes Szenario. Und dieses Szenario hat für Menschen in Kommunikation, Werbung oder Kreativwirtschaft durchaus bedrohliche Signalwirkung. Höttges spricht bei der Präsentation insbesondere über bürokratische Hemmnisse in den Bereichen Glasfaser und 5G-Ausbau. Im schlechtesten Fall könnte der ohnehin zäh ablaufende Ausbau der schnellen Netze noch weiter ins Stocken geraten.
Sollte dieser Fall eintreten, steht der europäische Markt an wenigstens zwei Stellen vor einem erheblichen Problem. Denn erstens dürften diese Rahmenbedingungen eklatante Folgeeffekte mit sich bringen. Insbesondere die Abwanderung von Unternehmen liegt nahe. Die Standortfaktoren des hiesigen Marktes wären schlicht deutlich schlechter als die in den USA oder anderen großen Märkten. Als Folge dessen droht dann auch die Abwanderung kluger Köpfe. Ein Effekt, der selbst über die beste Fachkräftestrategie kaum aufzufangen ist.
Innovativ kommunizieren? Lieber woanders
Aber auch abseits der Personallage ist das Digitalisierungsproblem zugleich ein Innovationsproblem: Wo Glasfaser und 5G nicht funktionieren, mag man mit mittelschnellen DSL-Leitungen oder LTE heute noch zum Ziel kommen. Doch spätestens wenn der Einsatz von Künstlicher Intelligenz, Augmented Reality, dem Metaverse oder künftigen innovativen Technologien noch etablierter ist, werden immer höhere Datenübertragungsraten nötig. Wer regelmäßig seinen Google Lighthouse Index überprüft, weiß um die Rolle von Performance digitaler Inhalte für die Suchoptimierung. Für zufriedene Nutzende ist eine gute Performance sogar noch wichtiger. Wenn digitale Kommunikationsmaßnahmen mit mieser Performance rechnen können, warum sollten Marken innovative Kommunikationsmaßnahmen dann ausgerechnet auf dem deutschen Markt aussteuern?
Nun will Höttges mit seinen Aussagen fraglos auch PR in eigener Sache machen: Beim Ausbau von 5G und Glasfaser werde über Dinge wie eine Dienste-Anbieter-Verpflichtung diskutiert, klagt er beispielsweise. Und klingt dabei so, als seien die Forderungen zum Netzausbau generell völlig maßlos. Zur Wahrheit gehört aber eben auch: Die Anbieter in Deutschland sind jetzt schon weit hinter dem zurück, was sie versprochen haben. Da ist der von Höttges kritisierte Extremfall 1&1. Ende 2022 waren von 1&1 statt 1.000 versprochenen gerade einmal 5 Masten für die 5G-Technologie in Betrieb genommen. Aber auch die Telekom hat ihr Ziel laut Zeit Online gerissen. Doch nur weil die Telekom selbst Teil des von ihr benannten Problems ist, ist das Problem leider noch lange nicht gelöst. Höttges hat also durchaus recht. Müsste aber eigentlich kleinere Innovations-Brötchen backen.
Schon gehört: Wird der Ad-Betrug bei Google noch größer?
Wer programmatische Kampagnen fährt, brauchte schon immer ein Stück weit Vertrauen, dass die auch wirklich so ausgespielt werden, wie es das Dashboard verrät. Ad-Betrug ist hier an der Tagesordnung. Die Kolleg*innen bei The Drum haben jetzt berichtet, dass bei Google Performance Max-Kampagnen (über Details zu Performance Max allgemein hat mein Kollege Klaus Janke gestern berichtet) im Extremfall bis zur Hälfte aller vermeintlichen Conversions betrügerisch waren. Zwar ist dieser Betrug von Google nicht beabsichtigt, wird aber scheinbar durch die eingesetzten KI-Systeme verstärkt. Die – durchaus komplexen – Details gibt es hier.
Und dann hat der Online-Vermarkterkreis im BVDW (OVK) diese Woche noch einen Ansatz zum Contextual Targeting geliefert, um die Tür zum Post-Cookie-Zeitalter weiter aufzustoßen. Und zwar ohne proprietäre Standards, also unabhängig vom Werbevermarkter. Die Ausspielung basiert ausschließlich auf Kontext von nicht-werblichen Inhalten von Digitalangeboten. Laut BVDW ist in dem Fall keine Zustimmung durch die Nutzenden nötig. Ob Datenschützer*innen und Gerichte das genau so sehen muss sich noch zeigen. Jedenfalls wollen alle OVK-Vermarkter den Standard bis Ende 2023 etablieren. Wie genau das aussieht, erklärt der BVDW hier.
Ab nächster Woche lesen Sie den Tech Tuesday wieder von meinem Kollegen Karsten Zunke. Bis dahin: Tappen Sie nicht in die 5G-Falle und bleiben Sie inspiriert!