Die Deutschen in Ost und West schätzen den Mauerfall mehrheitlich als positives Ereignis ein. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung des Marktforschungsunternehmens Ipsos und des Zukunftsforschers Horst Opaschowski.
Von den 57 Prozent im Osten und 54 Prozent im Westen sind sogar 29 (Ost) beziehungsweise 24 Prozentpunkte (West), die den Mauerfall „sehr positiv“ sehen. Nur etwa jeder siebte Bundesbürger (Ost: 14 Prozent, West: 15 Prozent) zählt sich zu den Kritikern, die den Mauerfall negativ beurteilen. Knapp ein weiteres Drittel der Bevölkerung in Deutschland (Ost: 29 Prozent, West: 32 Prozent) verhält sich bei der Einschätzung neutral, kann sich nicht zwischen positiver oder negativer Bewertung entscheiden.
Nur wenige Jüngere urteilen negativ
Ein Blick auf die Altersgruppen zeigt, dass auch jüngeren Menschen unter 34 Jahren, die die Zeit vor dem Mauerfall nicht oder zumindest nicht bewusst miterlebt haben, das Ereignis überwiegend positiv beurteilen (50 Prozent). Allerdings liegt bei dieser Gruppe der Anteil der neutralen Einstufung mit 39 Prozent – gegenüber 32 Prozent im Bundesdurchschnitt – relativ hoch. Die Bilanz ist aber eindeutig: Auf fünf Befürworter der Wiedervereinigung kommt bei den Jüngeren nur circa ein Gegner.
Bessergebildete und Einkommensstärkere urteilen positiver
Insbesondere in Ostdeutschland hängt die Beurteilung stark von der formalen Schulbildung und noch stärker vom Einkommen der Bürger ab. Personen, die in Haushalten mit einem Nettoeinkommen von unter 1500 Euro im Monat leben, sehen den Mauerfall deutlich kritischer als der Durchschnitt, 28 Prozent haben eine negative Meinung, gegenüber 27 Prozent die positiv über den Mauerfall denken.
Was zusammengehört: Warum der Mauerfall positiv bewertet wird
Für Befragte, die den Mauerfall positiv beurteilen, gibt es zwei Hauptgründe: Ein gemeinsames Deutschland und Freiheit. Vier von zehn ostdeutschen Mauerfall-Befürwortern nennen den Freiheitsaspekt (41 Prozent) und meinen damit eher die Freiheit, sich frei bewegen zu können und Reisefreiheit, als Meinungsfreiheit. Im Westen steht der Einheitsaspekt im Mittelpunkt der Begründungen. Jeder zweite (52 Prozent) der Mauerfall-Befürworter äußert sich bei der offenen Frage in diese Richtung (Deutschland gehört zusammen, die Grenze ist weg, Wiedervereingung etc.). Im Osten begründen 38 Prozent ihre positive Bewertung mit diesem Argument.
Mauerfallgegner beklagen Kosten und Ungerechtigkeit
Bei den Gegnern des Mauerfalls unterscheiden sich die Begründungen deutlich stärker zwischen Ost- und Westdeutschen. Diejenigen, die den Mauerfall negativ beurteilen, beklagen in Westdeutschland vor allem die mit der Vereinigung verbundenen hohen Kosten und Steuern (33 Prozent) mit Aussagen wie „hat Milliarden gekostet“, „wir zahlen immer noch“ etc. Jeder fünfte (20 Prozent) im Westen hadert mit der vermeintlichen Mentalität der Ostdeutschen („haben nichts dazugelernt“, „sind nie zufrieden“ etc.). Dem schließen sich allerdings auch 15 Prozent der Ostdeutschen selbst an.
Ansonsten sehen ostdeutsche Mauerfallgegner vor allem die immer noch bestehenden Unterschiede zwischen Ost und West hinsichtlich Einkommen und Renten kritisch. Jeder Vierte (25 Prozent) macht den Wegfall der Mauer auch für die Arbeitslosigkeit in seiner Region verantwortlich. In geringem Ausmaß werden im Osten auch die hohe Kriminalitätsrate sowie die hohe Zahl der Ausländer beklagt. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung in Ost und West liegen die Anteile dieser negativen Begründungen allerdings auf einem niedrigen Niveau.
Ergebnisse stimmen Studienmacher optimistisch
Ipsos Projektleiter Hans-Peter Drews zu diesem Ergebnis: „Insgesamt zeigt unsere Umfrage, dass die Meinungen zum Mauerfall zwischen Ost- und Westdeutschen gar nicht so weit auseinanderliegen. Wir messen damit einhergehend auch in unserem Nationalen WohlstandsIndex für Deutschland eine starke Annäherung des subjektiv empfundenen Wohlergehens im Osten an das hohe Niveau des Westens.“
Die Bilanz von Zukunftsforscher Professor Horst Opaschowski: „Der Mauerfall ist ein Glücksfall. Ost- wie Westdeutsche genießen die neuen Freiheiten der deutschen Vereinigung – von der Familienzusammenführung über erweiterte Reisemöglichkeiten bis zu neuen Möglichkeiten beruflicher Mobilität.“
Methodik: Für die Studie wurden im Zeitraum vom 2. bis 15. September 2019 ihm Rahmen einer repräsentativen Face-to-face-Mehrthemenumfrage 2000 Personen ab 14 Jahren in Deutschland befragt.