Ob Spanplatten, Metallscharniere, Polsterschäume oder Bezugsstoffe: Vieles von dem, was die Möbelbauer brauchen, ist knapp. Und das ist nicht das einzige Problem, mit dem die deutsche Möbelindustrie im zweiten Corona-Jahr zu kämpfen hat. Der Blick in die Zukunft fällt deshalb auch nicht gerade überschwänglich aus. Erst Mitte 2023 werde die Branche das Vorkrisenniveau wohl wieder erreichen, sagte der Geschäftsführer der Verbände der deutschen Möbelindustrie (VDM/VHK), Jan Kurth, am Montag in Köln. Für das laufende Jahr rechnet die Branche lediglich mit Umsätzen auf dem Niveau des ersten Krisenjahres.
Lieferengpässe bei wichtigen Materialien
Dabei könnte es eigentlich jetzt schon wieder kräftig aufwärts gehen für die Möbelhersteller. Schließlich haben die Menschen in Deutschland in der Pandemie viel Geld auf die hohe Kante gelegt und gleichzeitig den Wert der eigenen vier Wände schätzen gelernt. Doch ausgerechnet jetzt machen der Branche Lieferengpässe bei vielen wichtigen Vormaterialien zu schaffen. Nach einer Branchenumfrage des Verbandes haben sich die Probleme bei der Materialversorgung bei vielen Herstellern im Juli sogar noch weiter verschärft. Etliche Unternehmen mussten bereits ihre Produktion tagelang unterbrechen. Für die Verbraucher bedeutet das oft längere Lieferzeiten.
Doch sind die Vormaterialien nicht nur knapp, sondern auch teuer. Teilweise hätten sich die Einkaufspreise verdoppelt, berichtete Branchenkenner Kurth. Das dürfte am Ende auch Folgen für die Verbraucher haben. „Es ist davon auszugehen, dass die höheren Produktionskosten in der Wertschöpfungskette weitergegeben werden müssen“, warnte Kurth. Im Klartext: Etliche Möbel dürften teurer werden. Noch seien die Preissteigerungen bei den Rohmaterialien nur in geringem Umfang eingepreist. Doch werde sich dies wohl spätestens im vierten Quartal oder Anfang 2022 ändern.
Deutsches Möbel-Exportgeschäft wächst deutlich
In den ersten sechs Monaten dieses Jahres lagen die Umsätze der Möbelindustrie mit 8,4 Milliarden Euro um rund 4,3 Prozent über dem coronabedingt sehr niedrigen Vorjahresniveau.
Vor allem das Exportgeschäft florierte. Es profitierte davon, dass wichtige europäische Exportmärkte die Lockdown-Maßnahmen früher aufgehoben hatten als die Bundesrepublik, und legte um 10,6 Prozent zu.
Chinas Möbel-Exporte steigen um 45 Prozent
In Deutschland lag das Plus wegen des langen zweiten Lockdowns dagegen lediglich bei 1,5 Prozent. Auffällig: Damit schlugen sich die deutschen Hersteller auf dem Heimatmarkt deutlich schlechter als etwa die Konkurrenz aus China. Die Hersteller aus dem Reich der Mitte konnten ihre Exporte in die Bundesrepublik um 45 Prozent auf knapp 1,5 Milliarden Euro steigern und lösten damit Polen als bisher wichtigstes Möbelherkunftsland ab. Fast jedes dritte nach Deutschland importiere Möbelstück stammt inzwischen aus China. Weitere 27 Prozent der Importe sind Made in Polen.
Lockdown sorgt für hohe E-Commerce-Umsätze
Den enormen Erfolg der chinesischen Konkurrenz führte Kurth allerdings zu einem guten Teil auch auf die Sondersituation im Lockdown zurück. Wer im ersten Halbjahr relativ schnell einen Schreibtisch, einen Bürostuhl oder ein Regal fürs Homeoffice anschaffen musste, habe dies angesichts der lange Zeit geschlossenen Möbelhäuser häufig im Internet getan und dabei auch stark auf den Preis geachtet. Von beidem hätten die chinesischen Produzenten profitiert.
Die Umsätze mit Möbeln, Lampen und Dekoration im Internet stiegen nach Angaben des E-Commerce-Verbandes Bevh allein im zweiten Quartal um 27,4 Prozent. Bei Bürobedarf lag das Plus bei 22,9 Prozent.
Hier sollten die deutschen Möbelhersteller ihr Standbein wohl noch verstärken. Denn der neue Einkaufsweg für Möbel scheint bei den Kunden gut anzukommen. Der Online-Möbelhändler Home24 jedenfalls berichtete erst vor zwei Wochen, dass die Wachstumsdynamik im Internet-Möbelhandel auch nach der Wiedereröffnung des stationären Handels auf einem anhaltend hohen Niveau geblieben sei. Für den Home24-Chef Marc Appelhoff steht damit fest, dass „die Bereitschaft, Möbel online zu kaufen, spürbar zugenommen hat“.
Von Erich Reimann, dpa