Von Verena Schmitt-Roschmann und Teresa Dapp, dpa
Die deutsche Wirtschaft läuft Sturm gegen die in der Europäischen Union geplante Plastikabgabe. „Diese Steuererhöhung ist Gift für Wohlstand und Beschäftigung und gerade jetzt kontraproduktiv“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Joachim Lang. Bundesumweltministerin Svenja Schulze zeigt sich hingegen offen für die Pläne. Die Umweltorganisation Greenpeace begrüßte sie ebenfalls.
Die Abgabe auf nicht recycelten Plastikabfall ist Teil des milliardenschweren EU-Finanzpakets, über das seit vergangenem Freitag beim EU-Gipfel in Brüssel verhandelt wird. Nach Einschätzung von Diplomaten ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie beschlossen wird. Sie soll helfen, die Kosten für das Programm zur wirtschaftlichen Erholung nach der Corona-Krise zu decken.
Abgabe könnte Deutschland 1,3 Milliarden Euro kosten
Geplant ist, bereits zum 1. Januar 2021 eine Abgabe von 80 Cent je Kilogramm nicht recyceltem Plastik-Verpackungs-Müll von den EU-Staaten zu erheben. Es wird erwartet, dass die Regierungen sich dieses Geld von der Verpackungsbranche zurückholen. Nach Berechnungen des Portals „Politico“ wäre Deutschland mit gut 1,3 Milliarden Euro pro Jahr unter den größten Zahlern der Abgabe. Insgesamt läge das Volumen nach dieser Rechnung bei etwa 5,9 Milliarden Euro jährlich.
BDI-Vertreter Lang kritisiert: „Die Abgabe würde Unternehmen und den Standort über Gebühr belasten und das dringend notwendige Wachstum in der EU bremsen.“ Kunststoffe seien zum Beispiel in der Medizin unersetzlich, die Steuer würde bestimmte Materialien diskriminieren, aber nicht das Problem der Plastikberge beheben. „Die Wirkungsziele der Kreislaufwirtschaft und das gewünschte Mittelaufkommen einer Plastiksteuer zur Haushaltsfinanzierung passen nicht zusammen“, moniert Lang. „Denn mehr Recycling würde die Einnahmen reduzieren. Das ist keine solide Haushaltspolitik.“
Umweltministerin Schulze sagt hingegen: „Ich verschließe mich nicht gegen eine EU-weite Plastiksteuer.“ Es komme auf die Ausgestaltung an. „Diese sollte möglichst unbürokratisch sein“, betonte die SPD-Politikerin. „Am Ende muss sie zu deutlich weniger Einwegplastik führen und auf den Green Deal einzahlen.“
Das Umweltbundesamt (UBA) begrüßt es grundsätzlich, dass die EU auf der Suche nach neuen Geldquellen auch Umweltsteuern in den Blick nimmt. Ökonomische Anreize zum Umweltschutz seien nach wie vor zu schwach, sagt UBA-Expertin Franziska Krüger. Die Behörde halte aber den Vorschlag, erst am Abfall von Kunststoffverpackungen anzusetzen, für problematisch. Die Lenkungswirkung hänge wesentlich von der Ausgestaltung ab, und um das einschätzen zu können, fehlten bisher noch Informationen.
Steuer auf alle Verpackungen als Alternative
„Angesichts der großen Zahl an Akteuren, welche Kunststoffverpackungen in Verkehr bringen, wird es eine große Herausforderung sein, diese mit der Steuer zu adressieren“, sagt Krüger. Bei der nationalen Umsetzung müsse man an der Recyclingfähigkeit von Verpackungen ansetzen, etwa durch eine Differenzierung des Abgabesatzes. Das Umweltbundesamt hält es zudem für sinnvoll, mit einer Steuer nicht nur auf Verpackungen aus Kunststoffen, sondern auf alle Materialien abzuzielen, damit Hersteller nicht einfach auf anderes Material ausweichen, das der Umwelt noch mehr schaden könnte.
Greenpeace erklärt: „Geldstrafen für Verpackungsmüll sind ein erster, wenn auch zaghafter Schritt in die richtige Richtung.“ Menschen und Umwelt litten unter den Folgen der Plastik-Wegwerf-Wirtschaft. „Wer nicht recyclefähige Verpackungen herstellt, muss künftig für die daraus entstehenden Umweltschäden zur Kasse gebeten werden – mittelfristig gehören sie komplett vom Markt“, betont Greenpeace-Expertin Viola Wohlgemuth.
In Deutschland fällt nach ihren Angaben pro Jahr eine Menge von etwa 220 Kilogramm Verpackungsmüll pro Kopf an, im europäischen Durchschnitt etwa 170 Kilogramm.