Social-Media-Auftritt der Deutschen Bahn: „Scheiß‘ auf Follower-Wachstum“

Julian Reichelt auf den Arm nehmen? Bundesliga-Fans zum Lachen bringen? Quer durch alle Altersschichten die User*innen mit smarten Kampagnen erreichen? Das alles bringt die Deutsche Bahn in ihrem Social-Media-Auftritt zusammen. Dieser steht damit im Kontrast zu dem verstaubten Image, das die DB für viele hat.
Frau sitzt im Zug, Deutsche Bahn
Der Social-Media-Auftritt der Deutschen Bahn kümmert sich auch um Servicefragen. (© Deutsche Bahn AG / Oliver Lang)

Die Deutsche Bahn weckt bei vielen Zugreisende eher unangenehme Erinnerungen. Unpünktlichkeit und Zugausfälle sorgen im Personenverkehr immer wieder für Kritik an dem Unternehmen. Vor allem während der Laufzeit des 9-Euro-Tickets hatte die DB mit einigen Herausforderungen zu kämpfen. Nach Häme in den sozialen Medien musste man diesen Sommer nicht lange suchen. 

Doch eben dort findet man auch sehr gelungene Kampagnen und Kanäle der Deutschen Bahn, die ihrem oftmals schlechten Ruf auf den Schienen einen deutlich positiveren Eindruck entgegensetzen. 

Insbesondere der Twitter-Auftritt @DB_Bahn des Unternehmens, der für servicerelevante Fragen der Kund*innen zum Personenverkehr gedacht ist, hat mit diversen Tweets Bekanntheit erlangt. 

DB-Tweet: „Herr Reichelt lernt das Prinzip ‚Grenze‘ kennen“ 

Ein prominentes Beispiel ist die von den User*innen gefeierte Reaktion der Bahn auf einen Tweet des ehemaligen Bild-Chefredakteurs Julian Reichelt im Januar 2022, der verdeutlichte, dass das Social-Media-Team des Konzerns Haltung zeigen und schlagfertig reagieren kann. 

Kai Strehle, Head of Social Media der Deutschen Bahn, erklärte anhand dieses Beispiels im Podcast „The Art of Marketing“, was den Tweet so besonders machte: die perfekte und vor allem schnelle Zusammenarbeit zwischen internen Teams und externer Agentur – und dass es keine Hürden durch eine lange Freigabeschleife gab: „Man lässt uns machen, das ist ein Vertrauensding.“ Schnelligkeit ist in den sozialen Medien ein wichtiger Faktor. 

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Begeisterung löste dieser Thread im August 2022 zum Start der Fußball-Bundesligasaison aus. 

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Auch auf Tiktok positioniert sich das Unternehmen und spricht dabei vor allem ein jüngeres Publikum an. Bekannte Probleme wie die oft kritisierte Unpünktlichkeit der Züge werden hier selbstironisch auf die Zielgruppe abgestimmt aufbereitet: 

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von www.tiktok.com zu laden.

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Interne Teams arbeiten mit externen Agenturen zusammen 

Die Basis des Erfolgs bilden Grafik, Video, Redaktion und Texter*innen. Interne Teams arbeiten zudem mit externen Agenturen zusammen. Die Inhouse-Teams kümmern sich wie bei Twitter um die Momente, in denen schnell und angemessen auf Servicefragen oder aktuelle Ereignisse reagiert werden muss. 

Andere Bereiche werden an externe Agenturen vergeben. Die Kreativagentur Buddybrand aus Berlin ist die Social-Media-Agentur der Deutschen Bahn. Sie zeichnet verantwortlich für „humorvolles Community Management im Meme-Format“, die Beantragung von Lokführer*innen-Emojis oder die Kampagne „Kein Stress. Was machen. Bei der Bahn.”  

Die Agentur Thjnk Hamburg lieferte 2021 mehrere digitale Kampagnen im Bereich Employer Branding, die Schüler*innen wie auch Expert*innen ansprachen und in den sozialen Medien gestreut wurden. 

Verschiedene Social-Media-Kanäle für verschiedene Themen 

Der Fokus liegt beim Social-Media-Auftritt der DB laut Kai Strehler im Jahr 2022 auf kurzen Videos. Er sieht die größte Relevanz der DB-Kanäle daher bei Instagram und Tiktok, Twitter und Facebook weisen eher einen Servicecharakter und eine große Basis an Nutzer*innen auf. 

Follower-Zahlen sind allerdings nicht der Faktor, an dem die DB ihren Erfolg in den Sozialen Medien misst: „Scheiß‘ auf Follower-Wachstum“, so Strehle. „Du kannst auf Tiktok mit 1.000 Followern trotzdem das Millionen-Video machen.“ Klar ist Reichweite wichtig, doch dafür setzt man auf Interaktion. 

Was macht die Social-Media-Auftritte der Deutschen Bahn also aus? Vielfalt, Schnelligkeit, Humor, Streuung auf vielen Kanälen und die erfolgreiche Zusammenarbeit mit externen Agenturen. Die Deutsche Bahn mag vielen verstaubt und behäbig erscheinen. Von den Social-Media-Auftritten des Unternehmens kann man das nicht behaupten. 

Shitstorms & Co.: „Angst hilft ja auch“ 

Bei so viel Engagement in den sozialen Medien bleibt es nicht aus, dass ein Tweet nicht die erhoffte positive Wirkung erzielt, sondern ein Shitstorm losbricht. Doch die Angst davor nutzt Strehler: „Angst hilft ja auch. Weil sie sehr vorsichtig macht, weil man sich bewusst ist, was man auf Social Media anrichten kann.” 

Ein prominentes Beispiel für einen Tweet, der etwas „anrichtete“, ist #GretaGate. Klimaaktivistin Greta Thunberg twitterte im Dezember 2019: 

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Das Twitter-Team von DB_Bahn nutzte die Aufmerksamkeit, um Werbung zu machen: 

„Liebe #Greta, danke, dass Du uns Eisenbahner im Kampf gegen den Klimawandel unterstützt! Wir haben uns gefreut, dass Du am Samstag mit uns im ICE 74 unterwegs warst. Und das mit 100 Prozent Ökostrom. Noch schöner wäre es gewesen, wenn Du zusätzlich auch berichtet hättest, wie freundlich und kompetent Du von unserem Team an Deinem Sitzplatz in der Ersten Klasse betreut worden bist.“ 

Das kam nicht besonders gut an: Die Nennung der Reisedaten der prominenten und damals minderjährigen Aktivistin rief gar die Berliner Datenschutzbeauftragte auf den Plan. Ein Sprecher von Maja Smoltczyk sagte damals dem „Spiegel“: „Wir nehmen den Einzelfall zum Anlass, um mit der Bahn über den Umgang mit persönlichen Reisedaten zu sprechen.“ Eine Beschwerde von Greta Thunberg gab es nicht. Die Deutsche Bahn wies die Kritik zurück: Es habe ein „berechtigtes Unternehmensinteresse“ vorgelegen, was die Datenverarbeitung laut DSGVO rechtfertigte.