Von Johannes Steger
Die Festlegung einer Zielgruppe hat auch immer etwas Ausschließendes an sich. Ob nachhaltige LOHAS oder Early Adopters, legt eine Marke ihren bevorzugten Konsumententypen fest, bleiben andere dabei meist außen vor. Besonders deutliche Worte für die gewünschte Zielgruppe findet der Abercrombie & Fitch-Chef Mike Jeffries: „Wir richten uns an das attraktive ´all-American Kid´ mit positiver Einstellung und vielen Freunden. Viele Leute gehören nicht in unsere Kleidung und können das auch nicht. Sind wir ausgrenzend? Absolut!“.
Auch sonst ist der Chef des Lifestyle-Konzerns nicht gerade für seine egalitären Vorstellungen bekannt. Denn bei Abercrombie & Fitch lächeln die Models nicht nur von Anzeigen und Imagekampagnen auf den Kunden herab, hier haben auch die Angestellten Traummaße. Zumindest die, die in einem der schummrigen, mit Clubmusik beschallten Stores arbeiten und somit für den Kunden sichtbar sind. Hier stehen, besonders bei der Ladeneröffnung, junge Männer in kunstvoll abgewetzten Jeans mit freiem Oberkörper und posieren mit Waschbrettbauch für die Kundschaft. Wer hier T-Shirts und Jeans anbietet, hat keine Durchschnittsmaße. Das ist Teil der Strategie laut Jeffries: „Wir beschäftigen gutaussehende Leute in unseren Geschäfte. Denn attraktive Menschen ziehen andere attraktive Menschen an, und wir wollen die coolen, gutaussehenden Menschen als Kunden.“ Wer dann doch keinen Modelkörper vorweisen kann, darf sich zumindest darüber sicher sein, dass er mit einem Kleidungsstück des Labels ein kleines Stück dieser Attraktivität am Körper tragen kann.
Multisensorisches Markenerlebnis
Nicht nur visuell setzt Abercrombie & Fitch auf eingängige Markenidentität: Alle Shops durchwabert der süßliche Geruch des hauseigenen Dufts „Fierce“, den die Mitarbeiter auf Kleidung und Schaufensterpuppen sprühen. Das Einkaufen wird zum multisensorischen Erlebnis – eines auf das die Kudnen teilweise lange warten muss. Politik des Hauses ist nämlich, nur eine gewisse Anzahl von Kunden in den Laden zu lassen. Vor dem Shop bilden sich so mitunter lange Schlangen. Wie sonst könnte das Image eines exklusiven Clubs noch besser gepflegt werden? An diesem Markenimage hält der Konzern eisern fest. In den USA zahlte man aus Angst vor Imageschäden den Teilnehmer eines Trash-TV-Formats hohe Summen, nur damit die nicht weiter vor Kameras mit Teilen des Labels posierten.
An Kritik gewöhnt
Auch abseits von Kundenkontakt besteht Chef Jeffries auf das Einhalten seines ästhetischen Codes. 2012 meldete Bloomberg, dass auch an Bord des Firmenjets diese strikt umgesetzt würden. Das Bordpersonal kommt nicht von der Flugbegleiterschule, sondern aus einer Modelagentur. Dienstkleidung: Boxershorts, Polohemd, Flipflops und einen Hauch des Markendufts „Fierce“. Den bereitgestellten Mantel bitte erst ab 10 Grad. Merken sollten sich die Flugbegleiter den Sitzplan der Hunde und die Standardantwort: „No problem“. Diese Informationen wurden aufgrund eines Kündigungsverfahrens öffentlich. Ein ehemaliger Pilot des Abercrombie & Fitch-Jets klagte, weil der Konzern ihn durch einen Jüngeren ersetzt haben sollte.
Mit Klagen und medialer Kritik ist der Konzern indes bestens vertraut: 2003 klagten US-Bürgerrechtsgruppen im Namen von abgelehnten Stellenbewerbern, weil Abercrombie & Fitch nur Weiße einstelle. Man einigte sich gütlich und das Label zahlte Entschädigungssummen. In die Kritik geriet Abercrombie & Fitch auch wegen ihrer Slogans auf Kleidungsstücken. 2002 beschwerten sich Elternverbände, weil auf Unterwäsche für Kinder das Wort „Eye Candy“ gedruckt wurde. Auch T-Shirts mit Sprüchen wie „Who needs brains when you have these“ oder „Do I make you look fat“ führten zu Protesten. Nachhaltig verärgert scheint das keinen zu haben: Seit 2009 nimmt der Umsatz kontinuierlich zu. 2012 erwirtschaftete das 1892 als Campingladen gegründete Unternehmens einen Umsatz von rund 4,5 Milliarden US-Dollar. Die Marke erfreut sich großer Beliebtheit und gilt gerade unter Schulkindern als hip.
#FitchTheHomeless wird zum viralen Hit
Nun aber könnte sich daran etwas ändern. Mit seinen Äußerungen über die coolen all-American Kids verärgerte Mike Jeffries viele Kunden. Dabei ist die Aussage alt. Das entsprechende Interview gab er bereits 2006 dem Internet-Magazin Salon. Jetzt wurde die Aussage wiederentdeckt und die Gemüter sind erhitzt. Es folgte das Video „Abercrombie & Fitch Gets a Brand Readjustment #FitchTheHomeless“, in dem ein Filmemacher dazu auffordert, Kleidungsstücke an Obdachlose zu verschenken. Wie jeder Einzelne die Aktion selbst beurteil, bleibt ihm überlassen, der YouTube-Film verbreitete sich jedenfalls rasant.
FitchTheHomeless
Bei Twitter und in Blogs folgten Boykottaufrufe gegen die Marke. Und auch auf Facebook hat es das Label derzeit nicht einfach. Unter jedem Beitrag finden sich dutzende wütende Kommentare. Kaum einer scheint sich noch für die neue Bademode der Marke zu interessieren, die dort eigentlich präsentiert wird. Ein Shitstorm, der das Markenimage in Gefahr bringen könnte. Deshalb reagierte auch Mike Jeffries via Facebook auf die Vorwürfe und bekundete, dass das Zitat aus dem Kontext genommen worden sei und er und die Marke Diskriminierung und Schikane aufgrund von Rasse, Geschlecht oder Körpertyp ablehne. Viele überzeugt das nicht und die durchgestylte Schönheit wird für die Marke zum Problem.
Jede Modemarke pflegt ihr Image
Genauso viel oder wenig wie bei jeder anderen Modemarke – denn fast alle arbeiten mit einer durchorganisierten Scheinwelt, bestehend aus passenden Modeltypen, Shopdesign und Preispolitik. Eine Markenidentität, die ausschließt und dadurch Begehrlichkeiten wecken will. Darüber schweigen sich die meisten Marken jedoch aus. Kaum ein Markenverantwortlicher würde sich wie Jeffries über das eigene Label äußern. Das geht ja auch viel subtiler: Türsteher vor den imposanten Ladentüren, kunstvolle Schaufenster-Dekoration und stattliche Preise. So formiert sich die Zielgruppe von selbst. Auch Jeffries wäre vermutlich mit dem berühmten goldenen Schweigen besser beraten gewesen. Ob sich auch weiterhin lange Schlangen vor seinen Läden bilden werden, bleibt erst einmal abzuwarten.