Beispiele für dieses Phänomen finden sich zahlreiche. Ossis knabbern lieber Knusperflocken statt Schokocrossies. Sie salben sich mit Florena, der „Nivea des Ostens“. Man trinkt Vita statt Coca-Cola und feiert lieber mit Rotkäppchen als mit Mumm. Die Raucher schwören auf F6 und wollen von den Marlboro-Cowboys nichts wissen. Sie vertrauen der Waschkraft des guten Spee eher als Persil. Kaffeetanten trinken nicht nur Jacobs, sondern Rondo und gibt man seinen Senf dazu, soll es bitteschön Bautz’ner, nicht Löwensenf sein.
Eigentlich kein Wunder: Unterschiedliche Kulturkreise haben die beiden Teile Deutschlands geprägt, über ein halbes Jahrhundert lang. Eine völlige Angleichung von Wertvorstellungen, Kommunikations- und Konsumgewohnheiten ist nicht in Sicht, eher eine Annäherung. Die neue Generation bekommt die Einstellungen und Ansichten ihrer Eltern „vererbt”. Trotz der Tatsache, dass junge Ostdeutsche die DDR-Zeit nur aus Erzählungen ihrer Eltern kennen, wachsen sie in einem davon beeinflussten Wertekosmos auf. Und der reproduziert sich auf ihren Alltag. Die kulturell begründeten Differenzen zwischen Ost und West werden zwar mit jeder jüngeren Generation ein wenig mehr „verschliffen”, sie bestehen aber fort. So werden junge Ostdeutsche stärker mit Lehrstellen- und Ausbildungsmangel oder mit Arbeitslosigkeit im engeren Familienkreis konfrontiert als Gleichaltrige im Westen. Zu akzeptieren, dass es diese Unterschiede gibt und noch längere Zeit geben wird, ist die Voraussetzung für wirkungsvolle Kommunikation und Werbung in den neuen Bundesländern. Und das heißt ja nicht automatisch, dass sich Werbung für den Osten ostalgischer Themenwelten bedienen muss.
Es herrscht Markensympathie statt Markenwahn. Ostdeutsche sind Markensympathisanten. Für sie ist die Marke ein Wertbegriff, der sie erhöhte Aufmerksamkeit und Vertrauen entgegen bringen. Aber man hinterfragt kritisch, wo Marken Sinn machen und wo nicht. Man verfällt nicht blind dem Markenwahn. Der Status-Effekt besitzt geringere Bedeutung. Deshalb sollte sich Werbung in Ostdeutschland nie mit elitärem Lifestyle kleiden, sondern immer mit „offenem Hemdkragen” daherkommen. Authentizität und Natürlichkeit ist gefragt. Realitätsfremde Glitzerwelten finden keine Beachtung. Wenn eine weiß gekleidete Hochglanzschönheit gekühlte Schokokügelchen auf eine Karibikinsel einfliegen lässt, hält sich die Euphorie der Ostdeutschen in Grenzen. Mit dieser aufgesetzten, heilen Welt können sie sich nicht identifizieren.
Was beim Konsumenten wirkt, ist Nachvollziehbarkeit und Glaubwürdigkeit, denn der Ostdeutsche nimmt Werbung gern beim Wort. Das wiederum sollte kein Superlativ sein. Unrealistische, überzogene Werbeversprechen werden nämlich schnell enttarnt und mit Desinteresse bestraft. Trotzdem: Anstelle von Ignoranz bringt der Ostdeutsche der Werbung Akzeptanz entgegen. Anstelle von Manipulation erwartet er Orientierung. Werbung wird ernst genommen – was im übrigen Humor nicht ausschließt. Man schätzt Werbung mit verständlichem Inhalt, einem zwar emotional verpackten, aber erkennbaren Produktnutzen und konkrete Informationen.
Über den Autor: Jörg G. Fieback ist Mitinhaber der Zebra Werbeagentur GmbH.