„Trotz der zunehmenden wirtschaftlichen Unsicherheiten durch den nahen Brexit und Probleme der EU, global aufgeflammter Handelskonflikte und manch deutschem Koalitionskrach war unsere Branche 2018 wieder sehr erfolgreich und hat das Wachstum gut vorbereitet gestemmt“, kommentiert Gero Furchheim, Präsident des Bundesverbandes E-Commerce und Versandhandel (bevh) sowie Sprecher des Vorstands der Cairo AG, die Entwicklung seiner Branche. Es sei in der glücklichen Lage, „Wohlfühlzahlen“ zu präsentieren. In der Tat: Mit einem Plus von 11,4 Prozent auf 65,10 Milliarden Euro ist der Brutto-Umsatz mit Waren im E-Commerce im Jahr 2018 wie gehabt weiterhin zweistellig gewachsen. Der reine E-Commerce-Umsatz steht somit für mehr als jeden siebten Euro im Einzelhandel.
Die Dynamik der Online-Marktplätze, hieß es auf der Pressekonferenz des bevh, sei einzig vom Multichannel-Handel und den Internet Pure Playern (IPP) übertrumpft worden. Laut den Daten der größten E-Commerce-Verbraucherstudie legten die reinen Onlinehändler um 14 Prozent beziehungsweise mehr als eine Milliarde Euro Umsatz zu. Insgesamt kommt dieses Segment nun auf 9,77 Milliarden Euro Umsatz. Die Multichannel-Händler wuchsen mit 12,9 Prozent zweistellig. Deren Umsatz hat sich in den vergangenen fünf Jahre auf 22,71 Milliarden Euro mehr als verdoppelt.
Den Umsatz-Löwenanteil im deutschen E-Commerce generieren allerdings nach wie vor die Onlinemarktplätze, also Amazon & Co. Das Wachstum ist zwar nur einstellig (+9,7 Prozent), allerdings stieg der Umsatz auf beachtliche 30,62 Milliarden Euro.
Für 2019 rechnet der bevh für den E-Commerce mit einem Zuwachs um 10,5 Prozent auf rund 71,94 Milliarden Euro. „Grenzen für das Wachstum“, so Furchheim, „erkennen wir nicht.“ Mittlerweile kaufen 80 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal im Jahr im Web. Unterschiede zwischen Altersgruppen und Geschlechtern fallen kaum noch ins Gewicht, denn das Internet werde duchgängig von allen genutzt.
Wetter und Bestellverhalten sorgten für Rekordquartal
Der gesamte interaktive Handel – dazu zählen Onlinehandel und der klassische Versandhandel – generierte im vierten Quartal 2018 erstmals mehr als 20 Milliarden Euro brutto in nur drei Monaten. Dies entspricht einem Plus von 10,2 Prozent für den gesamten, nicht ladengestützten Handel, in Deutschland. Davon macht der Online-Handel laut Studie allein 97,2 Prozent aus.
Mitgeholfen hätten dabei das Wetter und auch das Bestellverhalten der Kunden, so bevh-Hauptgeschäftsführer Christoph Wenk-Fischer, denn „sie hatten wie schon im Vorjahr mehr als zwei Drittel ihrer Weihnachts-Bestellungen bereits bis Ende November durchgeführt.“
Wenn überhaupt etwas den Siegeszug des E-Commerce auch nur ansatzweise stoppen kann, ist das der Arbeitskräftemangel auf Zustellerseite. Die Big 5 der Zustellerbranche – DHL, DPD, UPS, GLS und Hermes – haben zunehmend Probleme Fahrer zu finden. Sie sind das „Nadelöhr“ der Branche, so die E-Commerce-Experten. Um das Problem zu lösen, experimentieren Diensleister mit alternativen Konzepten wie Kofferraumzustellung oder autonomen Fahrzeugen.
Wachstumssieger unter den Warengruppen ist übrigens – wenn auch auf vergleichsweise niedrigem Niveau – der Online-Handel mit Lebensmitteln: Er kletterte im Jahr 2018 um 20,3 Prozent auf 1,36 Milliarden Euro Umsatz. Im Jahr 2023 werden es vier Milliarden Euro sein, prognostiziert der bevh. Generell legten alle Warengruppen zu.
Der bevh führte zum sechsten Mal in Folge die Verbraucherbefragung „Interaktiver Handel in Deutschland“ durch. In der Studie wurden von Januar bis Dezember 2018 40.000 Privatpersonen aus Deutschland im Alter ab 14 Jahren zu ihrem Ausgabeverhalten im Online- und Versandhandel und zu ihrem Konsum von digitalen Dienstleistungen (beispielsweise im Bereich Reisen oder Ticketing) befragt.
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