Ein Markenexperte schrieb vor kurzem über Christian Lindner und seine Partei: „Die FDP um Frontmann Lindner wird dagegen gestärkt aus den scheinbar unzumutbaren und am Ende gescheiterten Koalitionsverhandlungen hervorgehen: Das Markenprofil bei den FDP-Wählern ist geschärft, am rechten Rand der Union sowie bei gemäßigten AFD-Wählern dürften neue Sympathien hinzugewonnen werden. Damit dürfte die Marke FDP als der große Gewinner aus dem jüngsten Politik-Geschacher hervorgehen.“ Nur leider – aus Sicht der FDP – wird mit Sicherheit nicht morgen gewählt.
Der große Unterschied im Politikmarketing
Damit sind wir bei einem wesentlichen Punkt aus Marken- und Marketingsicht: Denn es gibt einen großen Unterschied zwischen herkömmlichem Marketing und dem Politikmarketing. Das ist der Faktor Zeit. Marken wie iPhone, Samsung Galaxy, Mercedes-Benz, BMW, Audi, Google, Parship, Flixbus oder Alpecin stehen jeden Tag im Wettbewerb um Marktanteile.
In der Politik ist das anders. Denn hier werden an einem Stichtag, nämlich dem Wahltag die Marktanteile oder besser die Sitze für eine gesamte Legislaturperiode vergeben. So gesehen nutzt es Christian Lindner wenig bis gar nichts, dass er gerade jetzt aus Markensicht alles richtig gemacht haben könnte. Entscheidend wird sein, wenn nächstes Jahr Deutschland wirklich wieder wählen sollte, wie genau dann die Stimmungslage ist.
Merkel und Schulz im Vorteil
Genau hier könnte dann vor allem Angela Merkel punkten, denn eines dürfte klar sein: Die deutschen Wähler und Wählerinnen möchten wahrscheinlich nach der nächsten Wahl wieder klare Verhältnisse oder Mehrheiten haben. Nur mit dem Abbruch der Sondierungsgespräche liefert Christian Lindner ein starkes Wahlkampfthema, das Angela Merkel sehr entgegenkommt, nämlich Stabilität statt Veränderung.
Aber auch Martin Schulz und damit auch die SPD könnten massiv von einer Neuaustragung der Wahl profitieren, denn Menschen lieben Entweder-oder-Entscheidungen. Nur dazu müsste es der SPD gelingen, ein konkretes Thema zu finden, mit dem man wirklich wieder als die Alternative zu CDU und CSU gesehen wird. Gerechtigkeit als Thema wird dafür nicht reichen.
Die Macht der Medien
Ganz wesentlich mitentscheidend dafür, ob Christian Lindner zu hoch gepokert hat, werden vor allem auch die Medien sein. Denn sollten die Medien die Wahl zu einer Schicksalswahl hochstilisieren, in der es kein zweites Jamaika-Debakel geben darf, könnte das zum echten Problem für die kleineren Parteien werden. Denn dann könnte Wahltaktik Wahlüberzeugung schlagen. Diese Erfahrung mussten gerade in Österreich die Grünen machen, die zu viele taktische Wähler und Wählerinnen an die SPÖ verloren. Denn von einem taktischen Wahlverhalten würden vor allem CDU/CSU und SPD profitieren. Gleichzeitig könnte so aber auch die Wahlbeteiligung wieder steigen.