Marktforschung kann mit einfachen Worten am ehesten als die (mehr und minder regelmäßige) Sammlung von Informationen beschrieben werden. Nach einer Definition von Weis und Steinmetz (2005)*) versteht man unter Marktforschung „die systematische Erhebung, Analyse und Interpretation von Informationen über Gegebenheiten und Entwicklungen auf Märkten, um relevante Informationen für Marketing-Entscheidungen bereitzustellen“. Bei dieser Art der Informationssammlung unterscheidet man zwischen der eher objektbezogenen Marktforschung (Erfassung physischer Gegebenheiten: Mengen, Preise, Kosten etc.) und der psychologischen Marktforschung (im subjektiven Bereich liegende Verhaltensweisen, die ihren Niederschlag auf dem Markt finden, wie z.B. Motive, Einstellungen, Meinungen etc.). Für das forscherische „Zusammentragen“ der relevanten Informationen kann man dabei auf primäre, aber auch auf sekundäre Datenquellen zurückgreifen.
Primär- vs. Sekundärforschung
Bei der Primärforschung wird für die Lösung eines Informationsproblems das erforderliche Datenmaterial eigens für dieses Problem erhoben. Die Primärerhebung kann durch Befragung, Beobachtung oder durch ein Experiment durchgeführt werden. Unternehmen beauftragen für ihre Primärforschungen in der Regel (spezialisierte) Marktforschungsinstitute. In der Sekundärforschung werden dagegen erneut Daten analysiert, die primär für andere Zwecke erhoben wurden und ursprünglich im Rahmen früherer Untersuchungen aufbereitet und ausgewertet wurden. Sekundäranalysen werden sowohl zur Überprüfung von ursprünglich aufgestellten Hypothesen als auch zur Bearbeitung vollkommen neuer Fragestellungen durchgeführt. Dafür stehen einem Unternehmen interne Daten (z.B. Daten aus der eigenen Buchhaltung, Kostenrechnung, Kundendatei) aber auch externe Daten (z.B. Daten vom Statistischen Bundesamt) zur Verfügung.
Qualitative vs. Quantitative Verfahren
Für die Informationsbeschaffung im Rahmen der Primärforschung kann ein Marktforscher auf ein breites Spektrum an Methoden zurückgreifen. Grob wird dabei zwischen den eher qualitativen und den eher quantitativen Methoden unterschieden. In der quantitativen Marktforschung erfasst man in größeren Stichproben (Repräsentativität!) konkrete Zahlenwerte, die dann mittels mathematisch-statistischer Verfahren analysiert werden. Qualitative Forschung kann auch im Anschluss an quantitative Erhebung durchgeführt werden, um quantitative Ergebnisse zu vertiefen und zu veranschaulichen. Im Vorfeld einer quantitativen Untersuchung kann sie dazu verwendet werden, eine Art „Stoffsammlung“ (z.B. Gewinnen neuer Erkenntnisse, Abdeckung aller relevanten Dimensionen eines Themas) für die Konzipierung des quantitativen Fragebogens zu erstellen.
Der Marktforschungsprozess
Der klassische Marktforschungsprozess umfasst 5 Phasen, die so genannten 5 „D’s“ der Marktforschung:
- Definition und Klärung des Problems
- Design
- Datengewinnung
- Datenanalyse
- Dokumentation, Interpretation und Anwendung
Im Folgenden wird dieser Prozess für einen quantitativen Forschungsablauf näher beschrieben.
Definition des Problems
Marktforschungsprojekte werden mit dem Ziel durchgeführt, Fragestellungen des Marketings zu beantworten. Das Marketingproblem muss dabei in eine mit Marktforschungsinstrumenten lösbare Fragestellung umformuliert bzw. operationalisiert werden. Marktforschungsfragestellungen betreffen dabei meistens Verbraucher/Konsumenten, aber auch Unternehmen. Typische Themen von Marktforschungsfragestellungen können z.B. sein:
- Kunden-) Zufriedenheitsanalyse
- Produktoptimierung
- Preisoptimierung
- Neu-Produkentwicklung / -einführung
- Marken- / Unternehmensimage
- Werbebekanntheit / -erinnerung
- Marktsegmentierung / Zielgruppenanalyse
- Potentialanalysen
- Positionierungsanalysen
- Marktstrukturanalysen
Design
Nach erfolgter Definition der zu lösenden Marketingfragestellung muss das Studiendesign festgelegt werden. Dazu zählen unter anderem
- Definition/Auswahl der zu befragenden Zielpersonen
- Festlegung der Stichprobe / des Auswahlverfahrens
- Festlegung von Untersuchungsansatz, Erhebungsform und –verfahren
- Fragebogenentwicklung / Themensammlung
- Auswahl der Auswertungsmethoden
- Zeitplan für das Projekt
- Weitere vorbereitende Maßnahmen (qualitative Vorstudie, zusätzliche Informationssammlung (sekundäre Daten)
- Organisation der Datenaufbereitung (z.B. Editieren, Coding) / Qualitätssicherung, begleitet Datengewinnung und -auswertung
Datengewinnung
Die Datenerhebung selbst kann auf verschiedenen Wegen erfolgen. Mögliche Erhebungsformen sind
- Schriftlich(PAPI =Paper and Pencil Interview)
- Telefonisch (CATI = Computer assistiertes Telefon-Interview)
- Face to Face (CAPI (= Computer assistiertes persönliches Interview) oder PAPI)
- Internetbasiert (CAWI = Computer assistiertes Web-Interview)
Derzeit ist ein eindeutiger Trend in Richtung Online-Befragungen zu erkennen: Sie sind schneller durchführbar, kostengünstiger und Multimedia-Elemente können dort eingebunden werden. Allerdings ist die Repräsentativität auf Bevölkerungsebene in Online-Befragungen nicht gesichert und da die Befragung ohne Interviewer abläuft, kann auch nicht mit Sicherheit gesagt werden, wer den Fragebogen wirklich ausgefüllt hat.
Befragungen können als Einmalbefragung (Ad Hoc-Befragung); fortlaufende Befragung (Trackings) oder als Panelbefragung durchgeführt werden. Unter einem Panel versteht man dabei eine Erhebung bei einem bestimmten gleich bleibenden Kreis von Personen über einen längeren Zeitraum bzw. in regelmäßigen zeitlichen Abständen über im Prinzip einen gleichbleibenden Untersuchungsgegenstand. Mit einem Panel lassen sich Trends und Auswirkungen bestimmter Ereignisse feststellen und analysieren. Gerade im Internetzeitalter gewinnen (Online)-Access-Panels immer mehr an Bedeutung. Access-Panels bestehen aus einem Pool von Personen, die sich bereit erklärt haben, an Befragungen teilzunehmen. Meistens werden diese Befragungen online durchgeführt. In der Regel werden mit den Namen und Adressen einmalig verschiedene soziodemografische Grundstrukturen und bei Bedarf weitere interessierende Merkmale dieser Personen erhoben. Aus dem Gesamtpool dieser Panelisten werden mittels verschiedener Auswahlverfahren – abhängig vom Ziel einer Marktforschungsstudie – spezielle Untergruppen ausgewählt und zur Teilnahme an einer bestimmten (Online)-Befragung eingeladen.
Datenanalyse (quantitative Marktforschung)
Die in den letzten Jahren immer komplexer gewordenen Marketingprobleme erfordern in der Marktforschung für die erhobenen Daten – neben den Basisanalysen, wie Häufigkeitsauswertungen oder Hypothesentests, – auch komplexere statistische Analyseverfahren. Da sich beispielsweise die Entscheidung für ein bestimmtes Produkt meist nur durch eine Vielzahl gleichzeitig wirkender, untereinander abhängiger Variablen erklären lässt, bedient man sich zur Datenanalyse der so genannten multivariaten Auswertungsverfahren. Erst durch diese Verdichtung eines umfangreichen Datenmaterials erreicht man für das Marketing-Management eine deutliche Verbesserung der Entscheidungsgrundlagen. Die häufig in der Marktforschung verwendeten, „klassischen“ multivariaten Methoden sind
- Regressionsanalyse
- Kausalanalysen/Strukturgleichungsmodelle
- Diskriminanzanalyse
- Faktorenanalyse
- Clusteranalyse
- Multidimensionale Skalierung
- Logistische Regression (Logit-Modell)
- Conjoint-Analyse
- Multiple Regression
Die verwendeten Verfahren können dabei in struktur-prüfende Verfahren (Überprüfung eines hypothetisch angenommen Zusammenhangs) und struktur-entdeckende Verfahren (Aufdeckung von bisher unbekannten Zusammenhängen zwischen Variablen) eingeteilt werden. Eine hier hinterlegte Übersicht verdeutlicht, für welche Fragestellungen die einzelnen Verfahren unter anderem eingesetzt werden können.
Im Bereich der Produkt- und Preisoptimierung werden die klassischen Verfahren der Conjoint Analyse zunehmend durch die so genannten Discrete Choice Modelle ersetzt. Discrete Choice Modelle können als Sonderform der Conjoint Analyse betrachtet werden, wobei hier nicht nach Präferenzurteilen oder Kaufwahrscheinlichkeiten, sondern nach diskreten Wahlentscheidungen gefragt wird.
Neue Impulse gibt es in der Marktforschung derzeit durch die Nutzung von klassischen Data Mining-Methoden, die normalerweise verwendet werden, um große Datenmengen (z.B. Kundendatenbanken, Scannerdaten) auf unbekannte Strukturen hin zu analysieren. Diese Methoden sind zu den „neueren“ multivariaten Verfahren zu zählen und eröffnen für die „klassische“ Marktforschung ein neues Analysegebiet: das Zusammenführen von internen Daten (liegen einem Unternehmen bereits vor, meistens in Kundendatenbanken) und von Marktforschungsdaten. Im Zuge eines so genannten Database Enrichments können z.B. einstellungsbezogene Daten (z.B. Zufriedenheiten, Interesse) oder auch Marktstrukturdaten (z.B. Geschäftsbeziehungen zur Konkurrenz) die bestehende Datenbasis des Kunden „bereichern“. Bei der kombinierten Nutzung von Marktforschungsdaten und internen Datenquellen muss allerdings berücksichtig werden, dass interne Kundendaten personenbezogen vorliegen, Marktforschungsdaten aufgrund datenschutzrechtlicher Bestimmungen aber anonym erhoben werden. Für ein Database Enrichment werden deshalb so genannte Data Fusion Modelle verwendet, die mittels modernster Schätzverfahren eine Brücke zwischen diesen Datenquellen schlagen können. Eine erfolgreiche „Fusion“ von internen Datenquellen und Marktforschungsdaten liefert wertvolle neue Erkenntnisse über die Kunden eines Unternehmens; die durch das Database Enrichment zusammengeführten verschiedenen Informationsdimensionen fördern somit eine „ganzheitliche“ (holistische) Sicht von Marketing und Vertrieb auf die Kunden.
Dokumentation der Ergebnisse
Die Ergebnisinterpretation der durchgeführten Datenanalysen bildet die Brücke zwischen dem ursprünglichen Forschungsproblem und den gewonnen Erkenntnissen. Üblicherweise wird zum Projektabschluss neben dem Tabellenband mit den Häufigkeitsauswertungen über die gestellten Fragen auch ein Forschungsbericht (mittlerweile meist in Form eines Chartberichts) für die relevanten Entscheidungsträger erstellt. Der Bericht enthält eine Darstellung des entsprechenden Marketingproblems, Beschreibungen bezüglich des methodischen Vorgehens sowie eine umfassende Darstellung der Ergebnisse der Datenauswertungen. Heutzutage werden diese End- (aber auch schon Zwischen-) ergebnisse in elektronischem Dateiformat versendet, können aber z.B. auch schon über ein Extranet oder über ein speziell eingerichtetes Online Reporting Portal eines Marktforschungsinstituts abgerufen werden.
Dr. Stefan Tuschl ist Director Modelle und Methoden bei TNS Infratest Forschung in München.