Es war dennoch eine Party mit Stil und Atmosphäre. Ulrich Dahlmann, der Pep Guardiola unter den Fashion-Caterern, lieferte kulinarische Höhepunkte, Jess Glynne musikalische. Der englische Popstar, aktuelles Bench-Testimonial, machte aus der Feier eine Show. Mittendrin: Bruno Sälzer. Der wohl bekannteste deutsche Modemanager ist seit Ende letzten Jahres Chef und Miteigentümer von Bench. Einer Marke, die bei jungen Leuten mal richtig in war. Und es nun wieder werden soll. Sälzer, dem Ex-Chef von Boss und Escada, traut man die Wende zu. Allerdings begibt er sich auf ziemlich unbekanntes Terrain: Das Sortiment ist lässiger, die Zielgruppe jünger, ihr Verhalten digitaler als alles, womit er bisher zu tun hatte. Was der erfahrene Manager daran reizvoll findet, warum er sich nun auch in Kapuzenpullis wohlfühlt und warum das Internet den Modegeschmack prägt, verrät Bruno Sälzer im absatzwirtschaft-Interview.
Herr Sälzer, wie gut kannten Sie Bench vor Ihrem Wechsel hierher?
Bruno Sälzer: Ehrlich gesagt, hatte ich die Marke nicht auf dem Schirm.
Konnten Ihre 12- bis 20-jährigen Söhne zur Aufklärung beitragen?
Ja, durchaus. Bei jungen Leuten ist Bench sehr bekannt und angesagt.
Obwohl die besten Jahre hinter ihr liegen: Bench war mal richtig hip, dann verlor die Marke an Attraktivität und Umsatz. Müssen Sie sich zunächst als Krisenmanager beweisen?
Richtig ist, dass Bench als Marke in den letzten Jahren etwas vernachlässigt wurde und zu wenig sichtbar war. Richtig ist aber auch, dass Bench auf einem starken Fundament steht. Die Firma ist profitabel, weltweit eingeführt und hat ein riesiges Potenzial. Im Handel selbst war Bench bislang immer präsent genug: Allein im letzten Jahr wurden mehr als fünf Millionen Teile verkauft. Das ist eine wichtige Zahl, denn ab etwa drei Millionen Teilen pro Jahr findet man auch sehr innovative Lieferanten.
Trotzdem: Ist die Marke durch den Abwärtstrend der vergangenen Jahre nicht beschädigt?
Beschädigt? Gar nicht. Selbst wenn der Umsatz sank oder stagnierte, der Marke hat das nicht geschadet. Das haben auch Befragungen in Fokusgruppen bestätigt, wonach Name, Logo, Bildsprache von Bench sehr gemocht werden. Und das, obwohl den Probanden vielfach nicht klar war, dass Bench eine Modemarke ist.
Befremdet Sie das nicht, wenn Sie erst mal erklären müssen, für welche Produkte Bench steht?
Es bestätigt uns eher in der Erkenntnis, dass sich aus einer bekannten, sympathischen, positiv strahlenden Marke noch viel machen lässt. Das ist jetzt unsere Aufgabe.
Sie sind nicht nur CEO, sondern haben sich mit 15 Prozent am Unternehmen beteiligt. Wieso sind Sie so zuversichtlich, Bench neu beleben zu können?
Wir bewegen uns mit Bench in einem hoch spannenden und wachstumsstarken Segment. Das wurde weder von den Medien noch in der Modewelt bislang richtig wahrgenommen. Der Modemarkt für die Zielgruppe der Digital Natives entwickelt sich erst noch. Er wird sich dauerhaft etablieren.
Mag ja sein, aber es gibt längst
führende Anbieter für Urban und Streetware, den Kernmarkt von Bench. Hinkt Bench da nicht hoffnungslos hinterher?
Es sind einige große Player unterwegs wie Adidas Originals mit einem Umsatz von rund drei Milliarden Euro, dahinter G-Star mit etwa 800 Millionen und Superdry mit mehr als 500 Millionen. Das sind zwar ordentliche Größen, aber dieser Markt ist nicht auf ewig zementiert. Im Gegenteil: Da schießen plötzlich Marken hoch, die vorher kaum einer kannte. Auch deshalb, weil viel experimentiert wird und die Zielgruppe sehr offen für Trends und Neues ist. Da muss man als Marke extrem beweglich sein und stets schauen, wer geht und wer kommt, was angesagt ist. Und das in kürzesten Zyklen.
Also ganz anders, als Sie das von Hugo Boss und Escada kennen?
Was Tempo und Veränderung des Wettbewerb angeht, ja. Unser Markt ist fragiler, schneller, unberechenbarer. Das zu erkennen und entsprechend zu agieren, wird mit entscheidend für den Erfolg sein. In der Luxusmode ist das wirklich anders. Da konkurriert Hugo Boss mit Marken wie Armani und Zegna, Escada liegt neben Valentino und Max Mara – und das schon seit Jahrzehnten.
Was reizt Sie daran, als Macher und Miteigentümer in einen Markt einzusteigen, der sich so rasant verändert und von einer Zielgruppe bestimmt wird, die ganz anders tickt als Ihre bisherige Kundschaft?
Genau das, was Sie sagen, ist es, was mich reizt. Durch das Internet werden der Modemarkt und seine Marken revolutioniert. Bezogen auf die Zielgruppe, vollzieht sich ein eklatanter Bruch zwischen den Digital Natives und der Vorgänger-Generation. Junge Menschen orientieren sich heute an erfolgreichen, großen Internetfirmen wie Apple, Google, Facebook. Wie man sich kleidet, nicht nur in der Freizeit, sondern auch im Beruf, wird von der Kultur der großen Internetfirmen wesentlich beeinflusst. Wenn sie jahrelang einen Hoodie getragen haben, hüpfen sie nicht in einen klassischen Anzug, nur weil sie plötzlich 31 Jahre alt geworden sind.
Bench wird als Teenie-Marke bezeichnet, Sie selbst adressieren die 20- bis 30-Jährigen, aber auch Ältere
tragen das Label. Wie stark und sinnvoll ist eine Segmentierung der Zielgruppe nach Lebensjahren?
Eine Altersspanne für eine Modemarke zu nennen, vermeide ich möglichst. Wenn wir die jungen Erwachsenen im Fokus haben, spielt weniger das Alter an sich die entscheidende Rolle als vielmehr ihre Zugehörigkeit zu den Digital Natives. Und die sind nun mal zwischen 20 und 30. Es geht darum, das Lebensgefühl junger Menschen, die mit Internet und sozialen Medien aufwachsen oder aufgewachsen sind, einzufangen und daran teilzuhaben. Für diesen Lifestyle steht die Mode von Bench.
Verändert demzufolge das Internet den Modegeschmack der Menschen?
Davon sind wir total überzeugt. Wir haben es mit den sogenannten „Social Butterflys“ zu tun: jungen Leuten, die ihr Handy immer dabei haben, fortwährend online und stark vernetzt sind, Inhalte teilen und empfehlen, aber auch mittendrin stehen im echten Leben, unterwegs sind und sich mit anderen treffen. Da entsteht schon ein stabiler Modegeschmack, der aber enorm beeinflusst wird durch ihre Kommunikation im Netz. Präferenzen und Trends werden heute nicht mehr auf der Maximilianstraße in München bestimmt, sondern online. Da tummeln sich auch die besten Designer. Die wissen, was dort abgeht. Sie erspüren die wichtigen Entwicklungen im Internet.
Bench wurde 1989 in Manchester gegründet. Dort haben die angesagten Skater als Erste Klamotten von Bench getragen. Wie viel von dieser Ursprungsstimmung und Tradition steckt heute noch in Bench?
Das ist die DNA der Marke. Ohne diese Historie ist sie nicht denk- und begreifbar. Bench war schon immer umgeben von der Skater-Szene, von coolen, sportlichen Leuten, von Musik und Festivals. Robbie Williams, die Band Oasis, Lady Gaga – sie trugen Bench, aber eben noch ehe sie Superstars wurden. All das prägt die Marke bis heute.
Was sind ihre kennzeichnenden Attribute?
Bench steht für: eine schöne Zeit haben, jung und cool sein, für Events, Party und Musik. Wer Bench trägt, ist individuell, lässig, mit Gefühl für den eigenen Stil.
Bench ist sehr sportlich. Wollen Sie das Sortiment dahin gehend weiter- entwickeln?
Wir werden ganz bestimmt keine reine Sportfunktionskleidung machen. Bench ist zwar in der Skater-Szene entstanden, aber die jungen Leute haben unsere Kleider nicht getragen, damit sie schneller fahren, sondern damit sie besser aussehen. Daher ist es nur logisch, dass die Marke modisch noch relevanter wird. Darauf legen wir gesteigerten Wert, das ist ein wichtiger strategischer Ansatz.
Sie selbst haben früher edle Anzüge getragen, heute sieht man Sie öfter in verwaschenen Jeans, mit Kapuzenpulli, das Hemd hängt über die Hose. Fiel es Ihnen schwer, sich an dieses Outfit zu gewöhnen?
Hatte ich vorher auch schon. Ich musste mich deshalb gar nicht dazu zwingen. Ich passe schon auf, dass ich mich wohlfühlend kleide – und nicht verkleide (lacht).
Der Kapuzenpulli ist so etwas wie ein Erkennungszeichen für Bench. Hilft oder stört das?
Der Hoodie ist das Ur- und bleibt das Kernprodukt der Marke. Jedes Bild in der Mode baut sich vom Kopf her auf – da ist der Hoodie natürlich ideal. Und der Kapuzenpulli ist ein sehr beliebtes Kleidungsstück bei jungen Leuten, damit lässt sich fantastisch kreativ spielen, wie man zum Beispiel an Damenkleidern mit Kapuze sieht. Da werden wir im Sortiment noch weitere Akzente setzen.
Wollen Sie die Produktpalette ausbauen?
Die Kollektion ist noch nicht fertig. Bei Jeans, Sakkos, Jacken und Hemden können wir noch mehr tun, außerdem soll das Angebot etwas weiblicher werden. Auch die Qualität wollen wir ein Stück nach oben schrauben.
Wenn sich eine Marke so konsequent in der digitalen Generation verwurzelt, folgt daraus auch ein total digitales Marketing?
Der Trend geht eindeutig in diese Richtung. Es ist ja logisch, dass wir dort sind, wo sich unsere Kunden aufhalten.
Der Mediamix besteht also zu 100 Prozent aus digitalen Kanälen?
In unseren wichtigsten Märkten Deutschland, Großbritannien und USA werben wir auch in Printmedien, zum Beispiel in Titeln wie „GQ“ und „Instyle“. Bei Out-of-Home sind wir dabei, Fernsehen spielt dagegen keine Rolle, das ist für uns viel zu breit. Die Frage lautet: Wo treffen wir unsere Social Butterflys? Die Antwort: Im Netz, auf Partys, auf Musikfestivals.
Wie lassen sich das digitale und das echte Leben verknüpfen?
Indem wir immer eine Verbindung schaffen zwischen Ereignis und Social Media. Das heißt: Alles, was wir tun, wird auch in die digitale Welt transportiert. Bei Events und Aktionen sind stets Videokameras dabei, sodass wir über Social Media zeigen können, was in der Realität passiert. Zwischen Marke und Publikum soll ein Dialog entstehen.
Zum Beispiel?
Wir haben eine Daunenjacke in einen Eisblock geschmolzen, um die Widerstandsfähigkeit des Stoffes zu belegen, und ihn in unserem Berliner Store ausgestellt. Die Aktion hat erhebliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen – und das haben wir natürlich im Netz auf allen wichtigen Plattformen gezeigt. Dort wird über solche Aktionen geredet, werden Inhalte geteilt, kommentiert.
Sie verzichten auf Fernsehen, aber nicht auf bewegte Bilder?
TV als Werbeträger rechnet sich für uns nicht, da schießen wir am Ziel vorbei. Aber ja, Videos und auch Fotos sind elementar wichtig in unserer Zielgruppe. Die aktuelle Bench-Kampagne #Lovemyhood spielt mit den Begriffen „Hoodie“ und „Neighbourhood“, also Nachbarschaft. In Verbindung mit einem Gewinnspiel werden unsere Fans aufgefordert, uns ihre Hood-Storys zu erzählen, indem sie Lieblingsplätze und Lieblingsstyles auf Plattformen wie Instagram und Youtube zeigen. Die Resonanz ist riesig.
Ihr Onlineshop sieht dagegen sehr bedächtig aus.
Noch. Auch da wollen wir künftig nicht nur verkaufen, sondern Erlebnis schaffen. Bislang wird der Shop von einem Zweimannteam in Manchester gesteuert und er bringt ordentlichen Umsatz. Aber den eigenen E-Commerce anzukurbeln, steht im Pflichtenheft. Denn alles, was wir in Marketing und Vertrieb tun, steht unter der Prämisse, Bench modisch aufzuwerten und die Marke erlebbar zu machen.
Diese Idee steht wohl auch hinter der Verpflichtung der englischen Popsängerin Jess Glynne als Testimonial. Wird sie einen Schub für die Marke bringen?
Sie passt ideal zu Bench, wie wir erst kürzlich bei unserer Eröffnungsparty in München erleben konnten. Jess hat fast eine Stunde lang gesungen, war richtig gut drauf und hat den Spaß vermittelt, für den Bench stehen will. Sie wird in unserer Herbst-Winter-Kollektion prominent zu sehen sein und vielleicht gelingt ihr mit ihrer aktuellen Single „Hold my hand“ der Sommerhit des Jahres. Es gibt Mitarbeiter bei uns, die wetten darauf.
Ist ein solcher Star für eine Marke wie Bench nicht zu teuer?
Auch große Stars haben ein Interesse daran, im Umfeld von jungen Marken zu sein. Bei Jess Glynne war es genauso. Sie findet Bench einfach gut. Natürlich war es ein Glücksfall, dass sie wenige Tage nach der Bekanntgabe unserer Zusammenarbeit mit dem Grammy ausgezeichnet wurde: Danach hätten wir sie uns vielleicht gar nicht mehr leisten können.