Herr Dr. Schotthöfer, Sie haben sich bereits 1987 in Ihrer Dissertation mit dem ADAC beschäftigt und festgestellt, dass der Betrieb eines Wirtschaftsunternehmens in der Form eines eingetragenen Vereins nicht zulässig sein kann. Was waren und sind Ihre Argumente?
PETER SCHOTTHÖFER: Eingetragene Vereine sollen nach dem Willen des Gesetzgebers in erster Linie ideellen Zwecken dienen. Solange sie einen Geschäftsbetrieb nur als Nebenzweck betreiben, beispielsweise eine kleine Gastwirtschaft für die Mitglieder des Tennis- oder Schrebergärtenvereins, also der Geschäftsbetrieb nicht zum Hauptzweck wird, ist das nicht zu beanstanden.
War denn zum Zeitpunkt der Eintragung die Welt noch in Ordnung?
SCHOTTHÖFER: Zum Zeitpunkt der Eintragung des ADAC in das Vereinsregister bestanden diese Bedenken wohl noch nicht. Es haben sich einfach einige Autofahrer wie die Tennisspieler, die Kleingärtner oder andere zum Meinungsaustausch oder gemeinsame Interessenverfolgung zusammengeschlossen. Auch das war nicht zu beanstanden. Aber auch wenn sich die wirtschaftliche Tätigkeit erst im Laufe der Zeit entwickelt, der Verein also zunächst zu Recht als Idealverein eingetragen wurde, ist er zu löschen, wenn er diese Voraussetzung nicht mehr erfüllt.
Auch dann, wenn die wirtschaftliche Tätigkeit in Tochtergesellschaften ausgelagert wird?
SCHOTTHÖFER: Die Ausgliederung löst aus meiner Sicht für den ADAC das Problem nicht. In der Literatur wurde die Meinung vertreten, dass die Beteiligung eines eingetragenen Vereins an einer handelsrechtlichen Gesellschaft einen zurechenbaren, wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb begründet, wenn sich der Verein nicht auf die Verwaltung, auf seine kapitalmäßige Beteiligung als Kommanditist oder auf seine Rolle als von der Geschäftsführung ausgeschlossener Gesellschafter beschränkt. Andere rechnen jede wirtschaftliche Aktivität eines eingetragenen Vereines bei einer Tochtergesellschaft dem Verein als unerlaubte wirtschaftliche Geschäftstätigkeit zu. Manche stellen darauf ab, ob der Idealverein an einer Kapitalgesellschaft beteiligt ist und seine Gesellschaftsrechte ausübt, insbesondere geschäftsleitende Funktionen.
Aber der Bundesgerichtshof hat im Fall des ADAC sogar bereits 1983 entschieden, dass auf einen in solcher Weise missbräuchlich verwandten Idealverein auf Basis wettbewerblicher Vorschriften vorgegangen werden kann. Warum blieb das so folgenlos?
SCHOTTHÖFER: Der BGH hat 1983 zwar entschieden, dass eine falsche Rechtsformwahl von Konkurrenten als Wettbewerbsverstoß verfolgt werden kann. Er hat aber aus meiner Sicht unzutreffend die damals möglicherweise noch nicht so umfangreiche wirtschaftliche Tätigkeit des ADAC und seine Beteiligungen an den Tochtergesellschaften nicht als Hauptzweck gewertet.
Das heißt im Grunde aber: spätestens heute stünden gesellschaftsrechtliche Vorschriften gegen die Rechtsform, in der der ADAC betrieben wird und es ist im Grunde bekannt. Warum interessiert das keinen so richtig?
SCHOTTHÖFER: Es gibt in Deutschland keine Stelle, die dies von sich aus prüfen müsste. Konkurrenten haben von einer Klage wohl abgesehen, weil der ADAC eine zu bedeutende, positive Rolle spielte. Das zuständige Amtsgericht überprüft nur auf Antrag, den bisher niemand gestellt hat. Das ist aber jetzt wohl geschehen.
Wo wäre jetzt hier ein Ansatz?
SCHOTTHÖFER: Nach heutigem Wettbewerbsrecht liegt ein Verstoß unter dem Begriff „Vorsprung durch Rechtsbruch“ vor. Wenn also der ADAC zu Unrecht sich der Rechtsform des eingetragenen Vereins bedienen würde, könnte gegen ihn auch auf wettbewerbsrechtlicher Basis vorgegangen werden, weil er sich durch die unzutreffende Rechtsformwahl gegenüber seinen Konkurrenten, also den Versicherungen et cetera, einen Vorteil verschaffen würde.
Haben Sie Ihre Doktorarbeit auch dem ADAC zur Verfügung gestellt?
SCHOTTHÖFER: Nein. Meine Arbeit befasste sich auch nicht nur mit diesem Thema. Aber sie wurde selbstverständlich veröffentlicht und erschien auch als Buch.
Sind andere Marktteilnehmer jemals aufmerksam auf Ihre Ausführungen geworden?
SCHOTTHÖFER: Bei mir jedenfalls hat sich niemand gemeldet. Übrigens haben sich auch zahlreiche andere Autoren mit dieser Problematik beschäftigt.
Die Fragen stellte Christian Thunig.
Eingetragene Vereine und ihre Geschäftstätigkeit
Kurz zusammengefasst stellt sich die Problematik wie folgt dar: Die Rechtsform des eingetragenen Vereins bietet eine ganze Reihe von steuerlichen und haftungsrechtlichen Vorteilen gegenüber den anderen Rechtsformen und ist deswegen an ganz bestimmte Voraussetzungen gebunden. So wird unterschieden zwischen Vereinen mit wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb als Hauptzweck und Idealvereinen.
Beim ADAC handelt es sich um einen Idealverein. Beim Idealverein wird davon ausgegangen, dass seine wirtschaftliche Tätigkeit nicht der Hauptzweck ist. Ein Verein, der die Rechtsfähigkeit durch Eintragung in das Vereinsregister erlangen will, darf keinen wirtschaftlichen Zweck mit den Mitteln eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes erstreben (BayObLG NJW 1983, 459). In der Gesetzesbegründung heißt es dazu, dass diese Rechtsform „gemeinnützigen, geselligen, wissenschaftlichen, künstlerischen oder anderen nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichteten Zwecken“ dienen soll (und muss). Nur ein Idealverein, der diese Bedingungen erfüllt, darf auch in das Register der Idealvereine beim jeweiligen Amtsgericht eingetragen werden.
Das Gericht und hier der Rechtspfleger muss von Amts wegen die vorgelegte Satzung überprüfen, ob sich der wirtschaftliche Charakter vielleicht daraus ergibt. Aber auch auf tatsächlich beabsichtigte oder bereits ausgeübte Vereinstätigkeit ist in diesem Zusammenhang abzustellen. Liegt ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vor, muss der Antrag auf Eintragung abgelehnt werden.