Von Christian Schimmelpfennig und Svend Hollensen
Zahlreiche spezialisierte Agenturen und Marktforschungsinstitute bieten ihren Kunden Hilfestellung und Services rund um den Selektionsprozess von Testimonials. Promi-Ratings bestimmen beispielsweise den Bekanntheitsgrad, die Beliebtheit und die wahrgenommenen Persönlichkeitsmerkmale von öffentlichen Personen innerhalb einer definierten Zielgruppe. Der erste dieser Promi-Indices war die Q Score Database of Personalities, welche 1963 von Marketing Evaluations Inc. ins Leben gerufen wurde. Als stehender Fachterminus, fest etabliert im Marketingjargon, beziffert ‚der Q Score‘ seit jener Tage den Bekannt- und Beliebtheitsgrad eines Promis. Andere Indices wie der Davie Brown Index gleichnamiger Marktforschungsfirma oder der E-Score von E-Poll Market Research, erfassen zudem die Wahrnehmung von Konsumenten hinsichtlich der Persönlichkeitsmerkmale verschiedenster Berühmtheiten.
Deutsche Marktforschungsinstitute wie Ipsos oder Celebrity Performance raten darüber hinaus hiesige Persönlichkeiten, die sich oft als Kosten-Nutzen-effizientere Testimonials für den deutschsprachigen Raum anbieten. Neben Rankings und Datenbanken offerieren entsprechende Agenturen zudem maßgeschneiderte Konsumentenstudien welche die Eignung vorselektierter Persönlichkeiten evaluieren. Auch erstellen sie Gutachten über deren vorhergehende Engagements und prüfen potentielle Risiken, die eine Werbe-Ehe mit sich bringen könnte.
Jedoch, es soll nun nicht der Eindruck erweckt werden, der Erfolg einer Testimonial-Kampagne hinge von Rankingtabellen und Konsumentenbefragungen ab. Zunächst einmal bedarf es unbedingt einer wirklich guten kreativen Idee und einem hervorragenden Werbetext wenn das Potential das ein Prominenter bietet voll ausgeschöpft werden soll. Darüber hinaus, zeugen zahllose erfolgreiche Kampagnen, gegen das Voting von Konsumentenpanels, von mutigen CMOs durchgesetzt, dass auch Marktforschung irren kann. Auch Kampagnen denen grandioser Erfolg prognostiziert wurde, die im Markt aber gefloppt sind, soll es schon gegeben haben – nur wird darüber aus verständlichen Gründen eher zurückhaltend berichtet. Schlussendlich wissen das Marketing und die Entscheidungsträger im Unternehmen am besten um die eigenen Markenwerte und die latenten Sehnsüchte der Zielgruppe, und können die Passgenauigkeit eines Testimonials deshalb oftmals sehr zutreffend einschätzen.
Auswahlprozess von Markenbotschaftern
Der Prozess den Marken durchlaufen bis ein Werbevertrag mit einem Prominenten geschlossen wird, stellt sich höchst unterschiedlich dar. Mitnichten ist die Selektion von Markenbotschaftern eine standardisierte Prozesskette, deren schrittweises Durchlaufen zum gewünschten Resultat führt. Ein jeder Testimonial-Deal ist individuell zustande gekommen. Jedoch spielen sich die unterschiedlichen Vorgehensweisen zumeist in einer definierten Bandbreite ab, die wir mithilfe der Darstellung zweier höchst konträrer Prozessketten abbilden möchten.
Adaptiert von Hollensen, S. und Schimmelpfennig, C. (2013), Selection of Celebrity Endorsers – A case approach to developing an Endorser Selection Process Model, Marketing Intelligence & Planning, Vol. 31 No. 1, pp. 88-102.
Der komplexe Testimonial-Selektions-Prozess beinhaltet eine Vielzahl an Prozessschritten und Beteiligten und stellt die vielschichtigste Selektions-Prozesskette dar. Unternehmen beauftragen zumeist eine Agentur mit der Erarbeitung einer Kampagne, die definierte Marketingziele herbeiführt. Es werden verschiedene Werbestrategien diskutiert und deren Eignung im Hinblick auf gesteckte Ziele evaluiert. Nachdem Agentur und Marketing sich auf ein Prominenten-Testimonial als vielversprechendste Kampagne verständigt haben, erarbeitet die Agentur eine Vorauswahl an möglichen Botschaftern. Objektive Marktforschung gewährleistet, dass vorgeschlagene Kandidaten innerhalb der Zielgruppe hinreichend bekannt und beliebt sind und die Persönlichkeitsmerkmale des Promis der angestrebten Markenwahrnehmung entsprechen.
Vorverhandlungen mit den Agenten stellen sicher, dass die dem Kunden präsentierte Vorauswahl im angepeilten Zeitraum verfügbar ist, im Budget liegt, und grundsätzlich Willens, die Marke zu repräsentieren. Gemeinsam sieben Agentur und Marketing einige Kandidaten aus und rücken andere auf die ‘shortlist’. Zwei bis drei Kandidaten verbleiben üblicherweise, mit denen erste konkrete Verhandlungen geführt werden – meist zwischen Agentur und Agent. Mit dem verbleibenden, auserkorenen Kandidaten, findet abschließend oftmals ein persönliches Kennenlernen auf dem Werksgelände statt, während Detailverhandlungen zwischen Agent, Agentur und Rechtsexperten geführt werden. Charakteristisch für den komplexen Testimonial-Selektions-Prozess ist ein eher geringes Engagement des Prominenten – was die verstärkte Einbindung von Agenten erklärt.
Der kompakte Testimonial-Selektions-Prozess andererseits beinhaltet nur zwei Prozessschritte und weniger Beteiligte; er stellt die kürzeste Selektions-Prozesskette dar. Unternehmen sind von Beginn an auf eine Kampagne mit einem Prominenten-Testimonial fokussiert. Bisweilen ist die sich ergebende Möglichkeit die Marke mit einer bestimmten Persönlichkeit zu verknüpfen der Auslöser, eine entsprechende Werbe-Kampagne zu initiieren. Es wird nicht bewusst und explizit nach dem geeignetsten Kandidaten für ein Testimonial gesucht, sondern vielmehr eine Kampagne um einen feststehenden Kandidaten entwickelt.
Agenturen sind nicht involviert in den Entscheidungs- oder Selektionsprozess. Auch findet kein diffiziler Evaluations- oder Screening Prozess statt, der objektiv einen optimalen Botschaf-ter-Marken-Fit gewährleistet. Verhandlungen werden oftmals direkt zwischen Unternehmensvertretern und Botschafter geführt, Agenten und Rechtsexperten nur zur Abschlussverhandlung hinzugezogen. Charakteristisch für den kompakten Testimonial-Selektions-Prozess ist ein hohes Engagement des Prominenten. Oftmals steht er in direktem Kontakt mit dem Marketing und ist meist persönlich an Verhandlungen und Gesprächen beteiligt – dies macht die Mitwirkung von Agenten vielmals obsolet.
OMV|BP und Lindt & Sprüngli haben sich jeweils für eine dieser äußerst gegensätzlichen Vorgehensweisen entschieden. Erstere verfolgten einen eher objektiven und professionellen Ansatz bei der Botschafterselektion, während Letztere eher einem emotionalen und intuitiven Ansatz den Vorzug gaben. Beide führten zum Erfolg.
Nächste Folge
Lesen Sie in der nächsten Folge wie OMV|BP ihren Botschafter Hansi Hinterseer auswählten und warum gerade dieser, ein ideales Heizöl-Testimonial verkörpert.
Über die Autoren
Christian Schimmelpfennig ist Program Manager des Omnium Global Executive MBA der Universität St. Gallen und Universität Toronto. Im Rahmen seiner Dissertation untersucht er die Wirkungsweise und Effizienz von Werbetestimonials.
Kontakt: christian.schimmelpfennig@unisg.ch. |
Svend Hollensen ist Professor für International Marketing an der University of Southern Denmark und Direktor für Global Marketing Strategy des Global Marketing Network (GMN), ein global aktiver Marketingverband mit 30.000 Mitgliedern. Sein 2013 in der 6. Auflage erschienenes Lehrbuch „Global Marketing“ ist mit 100.000 verkauften Exemplaren das meistgelesene Lehrbuch für internationales Marketing außerhalb der USA. Kontakt: svend@sam.sdu.dk |