Von Dr. Christian Bachem
Erstere drücken sich in der ominösen Kennzahl „Anzahl Fans“ aus. Je mehr Fans ein Facebook-Auftritt hat, so die Idee, desto erfolgreicher ist er. Tatsächlich ist dieses Maß für sich genommen untauglich. Denn zum einen hängt die Anzahl der Fans stark von der Bekanntheit einer Marke ab, zum anderen steigt sie quasi zwangsläufig mit der Zeit. Last but not least bleibt völlig unklar, ob jemand „Fan“ ist, weil er die Marke schätzt, oder ob eine Verlosung auf der Facebook-Seite ihn zum Fan-Sein gedrängt hat.
Kryptische Kennzahlen existieren zuhauf (alleine Facebook weist in seinem hauseigenen Analysetool „Insights“ über 170 Kennzahlen aus). Ihnen gemein ist, dass sie – wenn überhaupt – nur von Experten nachvollzogen werden können. Oder kennen Sie einen Leiter Unternehmenskommunikation, der weiß, was der Klout Score ausdrückt? Was fehlt sind belastbare und allgemeinverständliche Kennzahlen, entlang derer strategische Weichenstellungen möglich sind– etwa die Entscheidung, ob ein Social Media-Auftritt weiter betrieben oder vom Netz genommen werden soll.
Großunternehmen etablieren gemeinschaftlich Kennzahlen und Steuerungstools
Vor dem Hintergrund dieser Situation hat das Web Excellence Forum Kennzahlen und drei Verfahren entwickelt, um den Erfolg im Social Web messen, vergleichen und verbessern zu können. WebXF ist eine von Großunternehmen getragene Benchmarking-Initiative zur Bewertung und Steuerung der Qualität und Wirkung digitaler Kommunikation. Seit seiner Gründung im Jahr 2004 hat WebXF zahlreiche Controlling Standards geschaffen, die in den Regelbetrieb der teilnehmenden Unternehmen (darunter etwa B. Braun, Bosch, Commerzbank, Daimler, Deutsche Telekom, RWE und Siemens) übernommen wurden.
Damit sind erstmals echte Leistungs- und Erfolgsnachweise gegenüber dem Management sowie stete und überprüfbare Verbesserungen von Social Media-Aktivitäten möglich. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Aktivierungsrate. Sie drückt aus, wie gut es einem Unternehmen gelingt, Nutzer durch Interaktionsangebote zur aktiven Beteiligung (etwa in Form von Kommentaren oder Likes) zu bewegen. Diese Schlüsselkennzahl kann zusammen mit anderen WebXF Kennzahlen für alle Social Media-Plattformen erhoben und zwischen Unternehmen verglichen werden.
Die WebXF Kennzahlen basieren auf drei Verfahren, den WebXF Social Media Steuerungstools, die seit dem Frühjahr 2011 in Zusammenarbeit mit Kommunikationswissenschaftlern der Universität Leipzig, FU Berlin und FH Darmstadt entwickelt und bei zahlreichen Unternehmen getestet wurden.
WebXF Fanpage Impact Messung liefert Wirkungsbelege für Facebook und Websites
Die WebXF Fanpage Impact Messung liefert vergleichende Aussagen zur Imagewirkung von Fanpages und Websites. Die Wirkungsnachweise sind eine wichtige Grundlage für Investitionsentscheidungen in Social Media-Aktivitäten. Die erhobenen Daten zu Markeneffekten können mit früheren Messwerten und mit den Ergebnissen anderer Unternehmen verglichen werden. Dadurch wird der Erfolg transparent. Für die im April 2012 vorgestellte WebXF-Studie „Facebook wirkt!“ (http://tinyurl.com/75vsrbd) wurde das innovative Instrument erstmals in großem Stil eingesetzt.
Für die Studie wurden 3 638 Probanden (rekrutiert aus einem Online Access-Panel, internetrepräsentativ nach Alter und Geschlecht quotiert) aufgefordert, entweder eine vorgegebene Fanpage oder aber eine bestimmte Corporate Website zu besuchen. Die Zuordnung erfolgte zufällig aus einem Pool von je einer Facebook Fanpage und einer korrespondierenden Corporate Website von acht Unternehmen aus dem WebXF- Teilnehmerkreis. Die Probanden mussten nach Aufruf der Seiten Aufgaben lösen wie beispielsweise die Postleitzahl und das Gründungsjahr des Unternehmens ermitteln oder die Überschrift der zweitneuesten Pressemitteilung oder des zweitneuesten Postings kopieren. Anschließend wurden sie gebeten, die Fanpage oder Website sowie das Unternehmen zu bewerten. Zudem musste jeder Proband abschließend ein weiteres der acht Unternehmen bewerten, dessen Fanpage oder Website er nicht besucht hatte; hieraus wurde eine Kontrollgruppe gebildet. Im Durchschnitt dauerte der Kontakt mit den Fanpages und Websites samt Bearbeitung des Fragebogens sieben Minuten. Das gewählte Methodendesign und die hohe Fallzahl lassen detaillierte vergleichende Wirkungsaussagen zu jeder Fanpage und Website zu.
Die Kernergebnisse: Der Kontakt mit einer Fanpage wirkt positiv auf das Unternehmensimage. Allerdings führt der Besuch einer Corporate Website zu stärkeren und differenzierten Imageverbesserungen. Websites verbessern die Unternehmensbewertung um 14,8 Prozent, Fanpages immerhin noch um 10,4 Prozent. Die Ergebnisse unterscheiden sich je nach Ausgangsniveau der Imagewerte stark, sind über alle Unternehmen aber sehr stabil: Bei sieben der acht Unternehmen ergibt sich ein positiver Effekt gegenüber der Kontrollgruppe; bei sechs der acht Unternehmen ist der Einfluss der Website größer als jener der Fanpage.
Das niedrigere Wirkungspotenzial von Facebook entspricht dem eingeschränkten Gestaltungsspielraum der Fanpages, während die Unternehmen bei ihren eigenen Websites mehr Freiraum bezüglich Design, Informationstiefe und Benutzerführung genießen.
Dennoch ist es überraschend, dass Facebook bezüglich des – wenn auch kurzfristigen – Wirkungspotenzials den Corporate Websites recht nahe kommt. Dies spricht angesichts des deutlich geringeren Mitteleinsatzes zur Erstellung und Pflege einer Fanpage für eine gute Effizienz.
WebXF Fanpage Kompass als Analyse der Qualität und Treiber von Dialogen
Der WebXF Fanpage Kompass ist eine Inhaltsanalyse, die anhand standardisierter Kriterien Aufschluss über die Qualität von Inhalten und Dialogen auf Fanpages gibt. Das zugrunde liegende Kategoriensystem erfasst sowohl formale als auch inhaltliche Merkmale der Beiträge (Posts und Kommentare) sowie Feedbackarten und Tonalität.
Mit dem Fanpage Kompass wurden kürzlich Facebook-Auftritte von 15 Unternehmen evaluiert. Die Ergebnisse sind sehr aufschlussreich:
- der Redeanteil der Nutzer auf den Fanpages beträgt durchschnittlich 55 Prozent
- der Anteil der Beiträge, die das von den Unternehmen vorgegebene Thema ignorieren (Themenwechsel), erreicht bis zu 15 Prozent
- die Themenhoheit (geringer Anteil Themenwechsel) ist dann hoch, wenn die Unternehmen Posts (und nicht nur Kommentare) der Nutzer zulassen
- der Anteil der Beiträge die Beschwerden oder Kritik enthalten ist mit durchschnittlich 8 Prozent eher gering
- viel häufiger erhalten die Unternehmen von ihren Fanpage-Nutzern Dank und Lob, nämlich bei 14 Prozent der Beiträge und bei sogar 35 Prozent der Kommentare
Um ein Vergleichsmaß für die Interaktionsleistung zu erhalten, hat WebXF zwei Aktivierungsraten entwickelt: Likes pro Beitrag pro 100 Fans („Like Ratio“) sowie Kommentare pro Beitrag pro 100 Fans („Kommentar Ratio“).
- die Like Ratio liegt durchschnittlich bei 0,2 Prozent (was in etwa der Klickrate bei Online-Werbung entspricht)
- die Kommentar Ratio beträgt sogar nur 0,05 Prozent
Diese beiden Aktivierungsraten fungieren als zentrale Benchmarking-Größe zur vergleichenden Bewertung der Interaktionsleistung von Fanpages. Zudem ermöglichen sie detaillierte individuelle Treiberanalysen, anhand derer Social Media-Verantwortliche erkennen können, welche formalen oder inhaltlichen Kriterien Nutzerbeiträge fördern.
Der WebXF Fanpage Kompass liefert Social Media-Teams somit neben einer klaren Beurteilung ihrer Leistung auch zahlreiche konkrete Verbesserungsvorschläge.
WebXF Brand Effects Cockpit als Flexibles Frontend für Kennzahl-Vergleiche
Das WebXF Brand Effects Cockpit ist ein Reporting Tool, das Kennzahlen und Treiber zu Reichweiten und Aktivierungsraten von Social Media-Auftritten in einem interaktiven Web Frontend grafisch aufbereitet. Alle Kennzahlen können sowohl im Zeitverlauf als auch mit den Werten anderer Unternehmen verglichen werden. Das Tool unterstützt einerseits via Exportfunktionen Management Reports, andererseits ermöglicht es beliebig tiefe Drilldown-Funktionen für Detailbetrachtungen.
Mithilfe der WebXF Social Media Steuerungstools können Unternehmen klare Belege darüber erhalten wie gut und wie erfolgreich sie in Sozialen Medien kommunizieren. Dies liefert den Verantwortlichen handfeste Argumente für ihre Social Media-Aktivitäten und
-Investments. Denn die Zeit der Social Media-Experimente ist vorbei.
Über den Autor: Dr. Christian Bachem ist Geschäftsführer des Web Excellence Forum (WebXF).